Wir sagen Tschüss! Unser rennradelnder Kernphysiker fährt davon
Der Wissenschaftler hat sein Berufsleben dem Strahlenschutz und der Kernenergie gewidmet. Ein Gebiet, auf dem in den letzten 35 Jahren viel passiert ist. Zum Abschied werfen wir zusammen mit ihm einen Blick zurück und nach vorne.
Eine „Radtour in den Odenwald“ bedeutet für Christian Küppers heute: morgens losfahren von seinem Wohnort Ober-Ramstadt aus, 200 Kilometer mit null bis zwei Pausen auf dem Fahrrad fahren und dann plus/minus fünf Minuten pünktlich zu Hause ankommen. 40 solcher Ausflüge machte der heute 63-Jährige allein im vergangenen Jahr. Früher fuhr er bis zu 450 Kilometer-Strecken an einem Tag. Aber häufiger sind natürlich die „Hausrunden“ morgens vor der Arbeit oder am Feierabend. „Mit einer Morgenausfahrt komme ich am besten in den Tag hinein. Eine Feierabendrunde macht den Kopf wieder frei. Oft kam die zündende Idee zur Lösung eines Problems beim Radfahren“, erläutert Christian.
[caption id="attachment_5639" align="alignleft" width="447"] Radrennen 1978 in Darmstadt anlässlich der Fertigstellung des Luisencenters[/caption]
Doch zur Arbeit ist er in 35 Jahren nur selten mit dem Fahrrad gekommen. „Ich fahre einfach nicht gerne in der Stadt“, sagt er. Unterhält man sich mit ihm über sein Leben, wird schnell klar, dass es zwei hauptsächliche Tätigkeiten gibt, mit denen der Diplom-Physiker seine Zeit verbringt: Seine wissenschaftliche Arbeit und Rennradfahren (und zwar extrem!). „Ach und Klavier spiele ich auch gerne, aber im Moment nicht so oft, aber dann ab September wieder häufiger“, ergänzt er.
Bis 1980 ist Christian noch Radrennen gefahren. „Das Berufsradfahren war damals noch nicht zum Geld verdienen geeignet“, sagt er. Die Wissenschaftlerkarriere versprach mehr Sicherheit. Diese Wahl hat er auch nie bereut.
1983 zum ersten Mal das Büro betreten
[caption id="attachment_5633" align="alignright" width="479"] Draisinenfahrt an der Glan im Mai 2004 mit Michael Sailer und zwei weiteren Kolleg*innen[/caption]
Christian Küppers leitet seit rund 20 Jahren stellvertretend den Bereich Nukleartechnik & Anlagensicherheit am Standort Darmstadt. Zum Öko-Institut ist er schon 1983 zum ersten Mal gekommen, offiziell angestellt ist er seit dem 1. Januar 1987. Vorher war er schon über Werkverträge fürs Öko-Institut tätig. Bewerben musste sich Christian nie.
„Ende 1986 gab es einen großen Auftrag zu Sicherheitsfragen einiger Kernkraftwerke fürs Öko-Institut. Michael Sailer sagte zu mir: ‚Mach‘ mal Deine letzten Prüfungen an der Uni, wir brauchen Dich‘“. Das machte Christian, der sich in seinem Studium schon auf Kernphysik spezialisiert hatte. Das kam nicht von ungefähr. Gleich zu Beginn seines Studiums in Darmstadt hatte er am Luisenplatz die Bürgerinitiative kennengelernt, in der auch einige aktiv waren, die damals schon beim Öko-Institut arbeiteten. Dort befasste man sich mit einem Kraftwerksprojekt des in Darmstadt ansässigen Pharmakonzerns Merck und mit dessen Altlasten aus der Produktion. Aber auch die Sicherheit des benachbarten Kernkraftwerks Biblis war Thema.
Schon früh kam der spätere Geschäftsführer Michael Sailer, „wenn es um Physik ging“, öfter auf ihn zu. Die Arbeitsbedingungen waren damals ganz andere als heute. „Wir hatten insgesamt ein Telefon, später schon zwei. Einen Kopierer gab es nicht, sehr zur Freude der umliegenden Copy-Shops“, schildert Christian seine Anfänge. Die Zahl der Mitarbeitenden wuchs ständig, so dass das Büro immer wieder umziehen musste. Die technische Ausstattung hat sich dann jedes Mal auch weiterentwickelt. Insgesamt vier Büroumzüge waren es für Christian.
Status „massiv geändert“
Doch was hat sich seitdem getan: Im positiven wie im negativen? „Wir sind heute fachlich anerkannt. Am Anfang waren wir ‚outlaws‘ gegenüber anderen Gutachter-Organisationen. Auch die für die Kernenergie zuständigen Ministerien haben uns skeptisch beäugt. Das hat sich im Laufe der Jahre massiv geändert“, sagt Christian. Ein Ausstieg aus der Atomkraft als Energieversorgungsquelle stand damals nicht zur Debatte. „Da waren kritische Stimmen nicht erwünscht.“ Auch die Beschaffung von Fachinformationen über die deutschen Nuklearanlagen war damals im Vergleich zu heute recht mühsam. Um wissenschaftlich korrekt arbeiten zu können, waren solche Informationen aber schon immer wichtig.
[caption id="attachment_5634" align="alignleft" width="455"] 30-jähriges Bestehen der Strahlenschutzkommission: Abendessen mit Bundesumweltminister Trittin im Dezember 2004 in Berlin[/caption]
Heute ist das Öko-Institut eine starke und wichtige Stimme der Wissenschaft. Daran hat Christian Küppers seinen Anteil. Er ist seit 1998 als Mitglied in die Strahlenschutzkommission (SSK) berufen. Diese berät das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) in allen Angelegenheiten des Schutzes vor ionisierenden und nichtionisierenden Strahlen. Seit 2009 gehört er auch zu deren Krisenstab. Zwei Ausschüsse der SSK hat er viele Jahre geleitet, den Ausschuss „Angewandter Strahlenschutz und Strahlenschutz bei Anlagen“ heute noch. „Das BMU hat großes Interesse gezeigt, auch nach Ende meines aktiven Berufslebens noch auf meine Mitarbeit in der SSK zählen zu dürfen“, erzählt Christian. Und er nimmt die Verantwortung noch mal an. In dem Ehrenamt hat Küppers die sechs Bundesumweltministerinnen und -minister seit 1998 persönlich kennengelernt. Er war für die Beratungen sehr häufig in Bonn, gelegentlich in Berlin oder an anderen Orten, meist Standorten von Kernkraftwerken.
Atomausstieg und keine Wiederaufbereitung in Deutschland
Als größte Erfolge auf seinem Fachgebiet während seiner Berufslaufbahn sieht er natürlich, dass der Atomausstieg beschlossen wurde. Aber auch eine andere „Herzensangelegenheit“ hat sich für ihn zum Guten gewendet: Christian Küppers hat sich einige Jahre stark dafür gemacht, dass abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken nicht wiederaufbereitet werden. Mit der Waffentauglichkeit des dabei abgetrennten Plutoniums hat er sich schon in seiner Arbeit beschäftigt: „Das ist vom Strahlenschutz her eine ziemliche Sauerei, wie man an den enormen Ableitungen radioaktiver Stoffe ins Meer im britischen Sellafield und im französischem La Hague gesehen hat“, sagt Christian Küppers. Nachdem der Plan einer deutschen Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf aufgegeben wurde, wurden deutsche Brennelemente noch in La Hague und Sellafield aufgearbeitet. Aber auch das fand vor etwa 20 Jahren ein Ende.
[caption id="attachment_5638" align="alignright" width="526"] Im Atomkraftwerk ISAR I im Maschinenhaus mit dem ESK-Stilllegungsausschuss[/caption]
Was hat sich eher negativ verändert? Christian denkt kurz nach und sagt dann, der Verwaltungsaufwand sei sehr gewachsen mit den Jahren. Regularien, Ausschreibungsformalia – all das nehme heute viel mehr Platz ein im Wissenschaftsalltag. „Früher konnte man sich noch mehr auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren. Das ist aber nicht nur beim Öko-Institut so.“
Was zu Christians Zufriedenheit zum Glück unverändert blieb, ist die Breite der Themen. „Ich war immer interessiert, mich mit vielen Aspekten der Kerntechnik und des Strahlenschutzes und verschiedensten kerntechnischen Anlagen zu befassen. Das ist am Öko-Institut möglich, nicht aber bei vielen anderen Organisationen.“
[caption id="attachment_5635" align="alignleft" width="410"] Juli 2010 traf sich die Strahlenschutzkommission in der Schachtanlage Asse II, hier beim Anlegen der Bergmannskluft[/caption]
Suche nach dem Endlagerstandort nicht behindern
Christian sieht Deutschland in Zukunft gut geschützt vor radioaktiven Strahlen. „Denn die Gefahrenlage ist in der Vergangenheit glücklicherweise ins Bewusstsein gelangt. Und wenn Ende nächsten Jahres das letzte deutsche Kernkraftwerk abgeschaltet wird, ist auch das Potenzial für katastrophale Unfälle erheblich geringer.“
Für die Zukunft steht noch der Rückbau der Anlagen und auch die Endlagerung der radioaktiven Abfälle an. Eine gewaltige Aufgabe, bei der die verbleibenden Risiken abzuwägen sind. Jede Verzögerung einer Endlagerung bedeutet, dass radioaktive Abfälle länger zwischengelagert werden müssen. „Der beste Schutz vor den Abfällen besteht dann, wenn sie sich in einem sicheren Endlager weit untertage befinden – je früher desto besser“, sagt Christian.
[caption id="attachment_5636" align="alignright" width="494"] Anstieg zum Großglockner im Juni 2011 bei der Radtour Bad Tölz-Nizza[/caption]
… und er radelt weiter
In der Rente wird Christian Küppers Darmstadt verlassen und in sein neues Haus in der Oberpfalz ziehen. Alle rennradgeeigneten Wege im Raum zwischen Darmstadt, Würzburg und Heilbronn kennt er ja bereits.
Die zukünftigen Touren startet er dann vor allem im nordöstlichen Bayern – wie immer ohne Karte und ohne „Navi“. Denn Christian orientiert sich in unvertrautem Gelände am Stand der Sonne und an Verkehrsschildern.
„Bei den langen Touren überschreite ich irgendwann den Punkt, ab dem ich einfach immer weiterfahren kann, auch wenn bisweilen noch Alpenpässe im Weg stehen. Allerdings muss ich solche Touren dazu regelmäßig machen.“
Wir wünschen Christian noch viele tolle Touren auf dem Rad, viel Freude aber auch bei seinen anderen Hobbys und alles Gute für die Zukunft!
aus dem Referat Öffentlichkeit & Kommunikation des Öko-Instituts hat sich für den Beitrag mit Christian Küppers über sein Berufsleben und natürlich das Radfahren unterhalten. Besonders beeindruckt hat sie die die Anekdote von seiner ersten Tour vor 48 Jahren: Als 15-Jähriger war er bei seiner Oma im Rheinland in den Ferien. Auf dem Rückweg wollte er das Geld fürs Zugticket sparen. Damit seinen Eltern nicht auffiel, dass er nicht mit dem Zug gefahren ist, musste er zu einer üblichen Ankunftszeit zu Hause ankommen. Deshalb ist er um 21 Uhr am Vorabend bei der Oma gestartet und dann die 377 Kilometer mit dem Rad nach Hause gefahren. Dort ist er um 17 Uhr eingetroffen und den Eltern ist nichts aufgefallen. „Meine Oma hatte mir aber abends auch noch ein Kotelett gebraten“, suchte Christian schmunzelnd nach einer Erklärung, warum er nach der Tour offenbar auch körperlich noch unverändert stabil wirkte.