Besser weniger als mehr
Im ersten Moment klingt es ganz einfach: Wir müssen aus fossilen Brennstoffen aussteigen, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will – warum also nicht einfach Öl und Kohle durch biogene, erneuerbare Rohstoffe wie Holz oder Zucker ersetzen? Sie wachsen nach und können manchmal sogar mit bestehenden Technologien genutzt werden. Doch wie so oft: So einfach ist es leider nicht. Allein schon, weil das Konzept der Bioökonomie gleichzeitig viele andere Probleme lösen soll – so die Weltbevölkerung ernähren oder Rohstoffabhängigkeiten verringern.
Wir sind mitten im Wissenschaftsjahr Bioökonomie und wir sehen: Es kann nicht weitergehen wie bisher. Schon heute führen biogene Rohstoffe wie Palmöl, Soja oder Zuckerrohr zu einem immensen Raubbau an der Umwelt. Schon heute werden Regenwälder für die Landwirtschaft abgeholzt, Menschen für bioökonomische Flächennutzungen vertrieben, intakte Ökosysteme dabei zerstört. Schon heute sind planetare Belastungsgrenzen überschritten – auch durch eine industrialisierte Flächennutzung – und damit unsere Lebensgrundlagen bedroht. Wenn unter diesen Bedingungen die Nachfrage nach biogenen Rohstoffen weiter steigt, steigen genauso die negativen Konsequenzen ihrer Herstellung.
Im Projekt „Nachhaltige Ressourcennutzung – Anforderungen an eine nachhaltige Bioökonomie aus der Agenda 2030 / SDG-Umsetzung“ haben wir gemeinsam mit dem Ecologic Institut, der University of Sussex und der Universität Mannheim im Auftrag des Umweltbundesamtes bestehende Bioökonomiestrategien und -diskurse untersucht. Wir zeigen, wie sich die Bioökonomie entwickeln kann und wie sie gestaltet sein muss, damit sie nachhaltig ist und zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) beiträgt. Dafür ist eine klare politische Rahmensetzung nötig. Hierfür geben wir Empfehlungen. Um negative ökologische und soziale Wirkungen der Bioökonomie zu mindern, sollte die Bundesregierung – unterstützt durch den neuen Bioökonomierat – die Rolle der Bioökonomie im Kontext der planetaren Grenzen und der Agenda 2030 der UN für nachhaltige Entwicklung konkretisieren. In diesem Zusammenhang ist es aus unserer Sicht etwa zentral, dass keine zusätzliche Anbaubiomasse produziert wird. Es ist deutlich sinnvoller, Reststoffe zu nutzen, die bislang noch nicht erschlossen sind – so etwa aus Abfällen der landwirtschaftlichen Produktion. Zudem sollte immer die stoffliche Nutzung im Vordergrund stehen, nicht die energetische. Es ist inakzeptabel, dass Rohstoffe wie Mais, die Menschen ernähren könnten, zum Beispiel in der Biospritproduktion landen.
Auch der gesellschaftliche Diskurs über Bioökonomie muss sich verändern. Bislang ist es vor allem ein Thema für Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, die einseitig mögliche Chancen der Bioökonomie in den Vordergrund stellen. Wir brauchen eine breitere Öffentlichkeit, die auch abweichende Meinungen einbringt. Dass im neuen Bioökonomierat der Bundesregierung nun auch die Zivilgesellschaft, eine kritischere Wissenschaft sowie die ökologische Lebensmittelwirtschaft mit am Tisch sitzen, ist ein wichtiger Schritt. Innerhalb der Bundesregierung sollten alle relevanten Ressorts, insbesondere das Umweltministerium, besser beteiligt werden, um gemeinsam an der Umsetzung der Nationalen Bioökonomiestrategie zu arbeiten. Ein wichtiger Schritt ist es auch, die globalen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Bioökonomie zu verbessern. Gleichzeitig wissen wir: Es geht nicht, wenn wir weiter so konsumieren wie bisher. Wir müssen auch unserer Lebensstile hinterfragen und weniger konsumieren, also suffizienter leben. Dazu gehört auf jeden Fall, weniger Fleisch und mehr pflanzliche Lebensmittel zu essen, aber auch, endlich weniger Lebensmittel wegzuwerfen als bislang.
Man könnte unserer Studie vorwerfen: Wirklich neu ist das alles nicht. Und es stimmt, dass zumindest ein Teil der Empfehlungen alte, bekannte Probleme aufgreift. Doch die Krux ist: Bislang wurden diese Empfehlungen nicht ausreichend umgesetzt. Das müssen wir uns leider immer wieder bewusst machen, ebenso wie die Gründe dafür – so etwa starke Widerstände aus Teilen von Landwirtschaft und Industrie aufgrund von wirtschaftlichen Interessen. Diese und weitere Hindernisse müssen endlich überwunden werden, damit die Bioökonomie in Zukunft tatsächlich substanzielle Beiträge leisten kann, um Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen.
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Martin Möller bewertet am Öko-Institut die Nachhaltigkeit von Technologien, Werkstoffen und Produkten. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich zum Beispiel mit Nachhaltigkeitsanalysen zum Thema Circular Economy, Abfallvermeidung und Recycling von Kunststoffprodukten sowie innovativen Werkstoffen im Photovoltaiksektor.