Die geteilte Wanne
Christiane Weihe
Wer in Berlin-Lichtenberg keine Lust auf eine Dusche hat, sondern lieber in die Wanne will, muss erst mal schauen, ob nicht schon jemand drin sitzt. Denn im Mehrgenerationenhaus in der Sophienstraße, das in Eigeninitiative gebaut wurde, teilen sich die Bewohnerinnen und Bewohner eine Badewanne ebenso wie viele andere Dinge. „Wir haben eine Gästewohnung, in der übrigens auch die Wanne steht, nutzen vier Waschmaschinen gemeinsam, haben zusammen einen großen Garten und einen Raum für Veranstaltungen“, sagt Franziska Mohaupt, Mit-Initiatorin dieses Wohnprojektes, das besonders nachhaltig ist. Denn: Die individuellen Wohnflächen pro Person sind klein und der Energieverbrauch gering. Möglich wird das durch energieeffiziente Elektrogeräte, eine gute Dämmung und die Wärmerückgewinnung aus Abwasser und Abluft. Auf dem Dach ist zudem eine große Photovoltaikanlage angebracht. Unterm Strich produziert das Haus sogar mehr Energie als es verbraucht.
Derzeit wohnen 28 Erwachsene zwischen 25 bis 79 und 12 Kinder zwischen 1 bis 13 Jahren im Haus, Paare, Familien, WGs. Organisiert sind sie nach dem Prinzip des Mietshäuser Syndikats, einer Initiative, die sich für langfristig bezahlbaren Wohnraum einsetzt und sich hierfür an selbstorganisierten Wohnprojekten beteiligt und sie mit Rat und Tat unterstützt – so auch das Energie-Plus-Mehrgenerationenhaus in Berlin. 2,7 Millionen Euro waren für Grundstückskauf und Bau nötig, die teils über Bankkredite, teils über zahlreiche Direktkredite finanziert wurden.
Initiiert wurde das Haus von zwei Paaren, die vor allem eins wollten: sozial und ökologisch wohnen. „Uns ging es nicht darum, ein besonders schönes Haus zu bauen, sondern eines, das einen möglichst hohen Ökostandard erfüllt und ein solidarisches Miteinander ermöglicht.“ Eine wichtige Grundlage hierfür ist ein vierzehntägiges Plenum, bei dem aktuelle Fragen besprochen werden. „Bei größeren Entscheidungen muss es Einigkeit geben, alle haben ein Vetorecht.“ Wichtig ist nicht zuletzt: ein hohes Engagement für das selbst organisierte Haus – etwa in Arbeitsgruppen für Finanzen, die Wartung der Anlagen oder die Gartenarbeit. Neue Mieterinnen und Mieter werden zudem sehr genau unter die Lupe genommen. „Das Kennenlernen kann schon mal bis zu fünf Monate dauern, aber dafür bekommen wir dann auch Menschen, die wir wirklich wollen und die uns wirklich wollen“, sagt Mohaupt.
Tauchen doch einmal Konflikte auf, können sie über eine Mediation gelöst werden. Doch nicht nur an den zwischenmenschlichen Beziehungen, auch am Haus selbst gibt es über sechs Jahre nach dem Einzug 2014 immer wieder Dinge zu tun. „Wir nutzen zum Beispiel das Grauwasser für den Garten, würden es aber gerne auch in den Waschmaschinen einsetzen, um noch mehr Wasser zu sparen. Hier stehen uns leider derzeit undichte Wassertanks im Weg.“ Bereut hat Mohaupt das Projekt aber noch nie. „Dieses gemeinsame Leben gibt einem so viel zurück. Ich finde es zum Beispiel toll, dass meine Kinder mit mehreren anderen Kindern aufwachsen.“