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Im Fokus

Effiziente Substitution

Die Beschränkung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten

Christiane Weihe

Elektro- und Elektronikgeräte enthalten Stoffe, die gefährlich für Mensch und Umwelt sind, aus technischer Sicht jedoch lange Zeit als unverzichtbar etwa für die Herstellung von Leiterplatten, Energiesparlampen oder Leuchtstoffröhren angesehen wurden. Die EU-Richtlinie „Restriction of Hazardous Substances“ (RoHS) beschränkt seit 2006 die Verwendung sechs gefährlicher Stoffe: von Blei, Quecksilber, Cadmium und sechswertigem Chrom sowie polybromierten Biphenylen und Diphenylethern, die als Flammschutzmittel eingesetzt werden. Im Juli 2019 soll diese Verbotsliste durch vier Schadstoffe aus der Gruppe der Phthalate ergänzt werden, die als Weichmacher in Kunststoffen eingesetzt werden. Die RoHS-Richtlinie erlaubt aber auch zeitlich begrenzte Ausnahmen für die Verwendung dieser Stoffe in bestimmten Anwendungen. Bereits seit 2006 prüft das Öko-Institut im Auftrag der EU-Kommission entsprechende Anträge von Herstellern. In mehr als 100 Fällen haben die Wissenschaftler analysiert, ob die Ausnahmeanträge inhaltlich gerechtfertigt und ausreichend begründet sind, sowie Empfehlungen für die Europäische Kommission formuliert.

Ausnahmen zur Verwendung der unter RoHS erfassten Stoffe erlaubt die Richtlinie nur unter bestimmten Bedingungen. „Grundsätzliche Bedingungen für eine Ausnahme sind, dass der Stoff bislang nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht ersetzt werden kann, es keine zuverlässige Alternative gibt oder diese sich negativ auf Mensch und Umwelt auswirken würde“, sagt Yifaat Baron, Senior Researcher am Öko-Institut, „die Ausnahmen sind aber zeitlich begrenzt und müssen regelmäßig neu beantragt werden.“ Für die genannten Vertreter der bromierten Flammschutzmittel wurden im Unterschied zu den vier Schwermetallen von der Industrie keine Ausnahmen beantragt. „Sie waren einfacher zu ersetzen, was aber nicht heißt, dass die Substitution nachhaltig ist“, so die Wissenschaftlerin, „denn in manchen Stoffgruppen – so auch hier – gibt es Substanzen, die nur eine leicht andere Struktur haben als die verbotenen Stoffe und damit ähnlich gefährlich für Mensch und Umwelt sein können.“

Seit gut zehn Jahren prüfen und bewerten die Wissenschaftler des Öko-Instituts kontinuierlich Ausnahmeanträge, werten verfügbare Daten aus und analysieren Informationen, die von Stakeholdern oder Antragstellern zur Verfügung gestellt werden. „Die Richtlinie bietet mit ihren Kriterien durchaus die Möglichkeit, zu bewerten, ob Stoffe nach dem Stand von Wissenschaft und Technik bereits substituiert werden können oder nicht“, so die Wissenschaftlerin, „wir sind aber sehr darauf angewiesen, dass von den Antragstellern ausreichende Daten eingereicht werden oder Stakeholder sich aktiv am Prozess beteiligen.“ Häufig wird argumentiert, dass mögliche Substitute nicht alle technischen Eigenschaften wie das Ausgangsprodukt erreichen – so etwa dessen Zuverlässigkeit. Um dies beurteilen zu können, sind allgemein anerkannte Testregeln notwendig, mit denen die Einhaltung der Eigenschaften gemessen werden kann. „Das Beispiel von Cadmium in Flachbildschirmen zeigt, wie wichtig solche Regeln wären.“

CADMIUM IN FLACHBILDSCHIRMEN

Eine neue Technologie für Flachbildschirme beruht auf den so genannten Cadmium Quantum Dots, die eine kontrastreiche und farbstarke TV-Bildwiedergabe ermöglichen, aber das sehr giftige und als krebserregend geltende Cadmium enthalten. Zur Bewertung des eingereichten Ausnahmeantrags wurden Informationen der Antragsteller sowie von konkurrierenden Unternehmen herangezogen, die ähnliche Technologien – jedoch ohne Cadmium – entwickeln. „Eine besondere Herausforderung waren die unterschiedlichen Mess-Standards, mit denen die auf Cadmium Quantum Dots basierende Technologie und ihre Alternativen bewertet werden“, sagt Yifaat Baron, „wie hoch der tatsächliche Energieverbrauch ist, hängt zudem nicht nur von der Bildschirmtechnologie ab, sondern ebenso von der Effizienz der elektronischen Schaltung zur Ansteuerung der Bildschirme.“ Dies könne zur Folge haben, dass ein in der Theorie vorhandener technologischer Vorteil bei Fernsehgeräten, die auf dem Markt erhältlich sind, nicht zum Tragen kommt oder diese sogar einen höheren Energieverbrauch haben als Vergleichsgeräte. „Die Informationen der Antragsteller und Mitbewerber ermöglichten mit Blick auf den Gesamtenergieverbrauch keine klaren Schlussfolgerungen“, so die Wissenschaftlerin vom Öko-Institut. Die Analyse erfolgte daher auf Basis eines Technologievergleichs sowie aktueller Standards zur Beurteilung der Bildwiedergabequalität. Konkret wurde eine drei Jahre gültige Ausnahme empfohlen. „Die alternativ eingesetzten Stoffe haben im Moment toxikologisch betrachtet keine signifikanten Vor- oder Nachteile“, erklärt Baron, „ausschlaggebend war aber der rund 20 Prozent höhere Energiebedarf der cadmiumfreien Bildschirme auf der Ebene des Technologievergleichs.“ Mit der kurzen Geltungsdauer der Ausnahme verfolgen die Experten ein klares Ziel: So sollen umweltorientierte Innovationen im Bereich von Bildschirmtechnologien gefördert werden, die Schadstoffe vermeiden und dennoch eine optimale und energieeffiziente Wiedergabe von TV-Bildern ermöglichen.

ERFOLGE DER RICHTLINIE

Die Wissenschaftlerin vom Öko-Institut hält die RoHS-Richtlinie für ein gutes und wertvolles Instrument. „Die Menge an Quecksilber in Lampen konnte beispielsweise in den Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie in der EU um rund 75 Prozent auf 2,86 Tonnen Quecksilber im Jahr 2013 verringert werden. Zwar stieg im gleichen Zeitraum auch die Anzahl der im Anhang der Richtlinie aufgeführten Ausnahmen. „Auch dies ist aber positiv, da die jetzt geltenden Ausnahmen im Gegensatz zur ersten Phase nach Inkrafttreten der Richtlinie wesentlich spezifischer ausgerichtet sind und die Verwendung der verbotenen Stoffe nur noch bei sehr klar definierten Einzelanwendungen erlaubt ist“, so Baron, „eine größere Zahl von Ausnahmen bedeutet damit heute, dass die problematischen Stoffe in weniger Anwendungen und mit weiter sinkenden Mengen eingesetzt werden.“ Übriggeblieben sind zum großen Teil Anwendungen, bei denen es komplizierter ist und für die es unter Umständen noch keine Substitute gibt. Diese Anwendungen sind oft keine Massenprodukte, was die Motivation in der Suche nach Ersatz reduziert. „Hier könnte es sinnvoll sein, mit Hilfe der Forschungsförderung die Suche nach Ersatzstoffen gezielt zu unterstützen“, so die Wissenschaftlerin vom Öko-Institut.

Zusätzlich hält sie es für sinnvoll, die Effektivität und Effizienz unterschiedlicher Instrumente wie RoHS, der europäischen Chemikalienverordnung REACH oder des EU-Ecolabels zu vergleichen. „Wir sollten uns anschauen, wie die zugrundeliegenden Rahmenbedingungen heute angewendet werden“, sagt Baron, „das muss nicht automatisch eine Harmonisierung der Richtlinien mit sich bringen, aber ich denke, dass wir daraus lernen, wie die Arbeit für die Beschränkung und Substitution von gefährlichen Stoffen verbessert werden kann und wie bestimmte Arbeitsschritte möglicherweise gemeinsam erledigt werden können.“