Regeln testen
Erneuerbare Energien brauchen sie. Stromspeicher auch. Und neue Mobilitätskonzepte sowieso. Geeignete Regeln, innerhalb derer sie sich entwickeln können. Die sie fördern und in die richtige Richtung lenken, die Transformationsprozesse für mehr Nachhaltigkeit wie die Energiewende wirklich erfolgreich machen. Der Weg zur Nachhaltigkeit kann nur durch Innovationen, wie es einst Solarpanele und Windräder waren, wie es heute Energiespeicher und intelligente Netze sind, gelingen. Doch wie können sie ihr volles Potenzial entfalten? Wie sieht eine gute Regulierung oder effiziente Förderung aus?
Für technische Innovationen sind Feldversuche und Testprojekte längst üblich – egal ob es um das Erproben des (teil)-automatisierten Fahrens auf einem Teilstück der Autobahn A9 geht oder Praxistests mit Oberleitungs-Lkw in Schleswig-Holstein und Hessen ab 2018. Auch die Interaktion zwischen neuer Technik und sozialen Praktiken wird bereits in so genannten Reallaboren getestet, so etwa die zeitliche Anpassung von Stromangebot und -verbrauch unter Berücksichtigung von Smart Metern und Datensystemen, Stromtarifen und Verbraucherverhalten.
Darüber hinaus brauchen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen solche Experimentierfelder. In einem eher überschaubaren Rahmen bestehen diese bereits. So gibt es Ausnahmegenehmigungen, die es erlauben, sich an bestimmte Regeln nicht zu halten und so technische Pilotprojekte wie zum automatisierten Fahren ermöglichen. Neben solchen „negativen“ Regelbefreiungen existieren auch „positive“ Experimente, bei denen bestehende Regelungen modifiziert oder neue probeweise eingeführt und getestet werden. Beispiele hierfür sind das Testen von Tempo 30-Zonen auf innerstädtischen Hauptverkehrsachsen in Niedersachsen oder Pilotausschreibungen für die Förderung von erneuerbaren Energien vor ihrer flächendeckenden Einführung.
Wird die Materie jedoch komplexer, zeigt sich, dass es mit solch einfachen Ausnahmegenehmigungen und Experimentiererlaubnissen nicht getan ist. Dann müssen verschiedene Optionen und ihre Auswirkungen in der Praxis systematisch getestet und verglichen werden – mit entsprechender fachlicher und rechtlicher Beratung und begleitender Wirkungsforschung. Ziel ist es, Transformationen möglichst effektiv im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes sowie ökonomisch effizient zu gestalten und entsprechende Handlungsempfehlungen für eine Anpassung bestehender Regelungen zu entwickeln.
Bei der Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg, die vom dortigen Umweltministerium initiiert wurde und an der auch das Öko-Institut beteiligt war, hat sich gezeigt, wie wichtig beim Thema Energieinfrastruktur so genannte Innovationszonen wären, in denen etwa verschiedene regulatorische Ansätze für den Aufbau intelligenter Netze zeitlich und räumlich begrenzt getestet werden können. Denn hier geht es um weit mehr als die Frage, wie schnell ein Auto fahren darf. Zahlreiche Regelungen, Akteure und Techniken sind miteinander verwoben. Das verdeutlicht ein Blick auf die Netzbetreiber: Ihre Rolle muss sich für einen Erfolg von Smart Grids verändern, sie müssen zu einer Schnittstelle zwischen Kraftwerken, Stromspeichern und Verbrauchern werden, mit diesen interagieren und sie steuern. Eine solche Rollenänderung kann durch unterschiedliche Instrumente angeregt werden – doch welches ist das beste, mit dem die Netzbetreiber ihre neue Rolle optimal erfüllen können? Hier ist es sinnvoll, alternative Regelungen systematisch zu vergleichen: Sollten die Netzbetreiber Netzkunden mit finanziellen Anreizen oder direkt steuern und wie kann das in der Regulierung der Netzbetreiber berücksichtigt werden?
Wichtig ist: Es geht hier nicht um eine gesetzesfreie Zone oder dauerhafte Vorteile für einzelne Akteure. Es geht um die Lösung von komplexen Herausforderungen und die Suche nach dem besten Weg. Im Sinne einer raschen und effizienten Transformation in Richtung Nachhaltigkeit. Für die gesamte Gesellschaft.