„Ein Wandel der Produktion ist zentral“
Christiane Weihe
Die Rechte von Verbraucher*innen zu schützen und sie von der Altersvorsorge bis zum Lebensmittelkauf zu unterstützen, ist das erklärte Ziel des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Dabei steht auch die Nachhaltigkeit im Fokus, mit Blick auf Geldanlagen ebenso wie bei der Ernährung. Jochen Geilenkirchen ist Referent für Verbraucherpolitik beim vzbv. Er befasst sich unter anderem mit den Regulierungen zum Schutz von Verbraucher*innen – so etwa der Green Claims-Richtlinie der EU, die Regeln für umweltbezogene Claims auf Produkten definieren soll. Im Interview mit eco@work erklärt er, warum diese Richtlinie so wichtig ist, aber auch, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, Verbraucher*innen bei nachhaltigem Handeln zu unterstützen.
Herr Geilenkirchen, was brauchen Verbraucher*innen, um nachhaltig handeln zu können?
Zunächst einmal Orientierung. Durch die Vielzahl von Claims, die etwa Klimaneutralität oder Bienenfreundlichkeit versprechen, gibt es kaum eine Möglichkeit, zu unterscheiden, welcher wirklich Substanz hat und welches Produkt dann wirklich nachhaltig ist. Und auch bei Siegeln gibt es eine hohe Unsicherheit. Sehr viele Verbraucher*innen wollen gerne nachhaltig handeln, leider scheitert das darüber hinaus oft am Geld. Insbesondere bei Lebensmitteln ist das Preisniveau heute deutlich höher als noch vor ein paar Jahren. Daher müssten gerade einkommensschwache Haushalte hier stärker unterstützt werden.
Welche weiteren Wege sehen Sie für mehr Nachhaltigkeit?
Alle Nachhaltigkeitssiegel sollten zum Beispiel von einer unabhängigen Stelle zertifiziert werden. Ein wichtiger Beitrag könnte zudem das EU-Lieferkettengesetz sein, das für Standards in den Lieferketten sorgen soll, aber einen starken Fokus auf soziale Nachhaltigkeit legt. Das wird es also nicht alleine lösen und es wird ja gerade auch wieder stark in Frage gestellt. Die Empowering Consumers- und die Green Claims-Richtlinie sind weitere Schritte, damit die Verbraucher*innen mehr Klarheit über die Nachhaltigkeit von Produkten erhalten. Denn es ist ja keine Dauerlösung, irreführende Claims immer nur nachträglich durch Klagen von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem vzbv vom Markt zu entfernen.
Sind die EU-Richtlinien gut so, wie sie sind?
Sie sind auf jeden Fall sinnvoll und es ist gut, dass ein Anfang gemacht wurde. Notwendig sind klare Vorgaben für Methoden, mit denen Claims belegt werden müssen, die für alle Unternehmen gelten. Aus unserer Sicht sollte es zudem nicht nur eine Akkreditierung und damit Prüfung jener Stellen geben, die kontrollieren, ob die Unternehmen die Auflagen der Richtlinie einhalten. Auch der Prozess selbst, also wie die Prüfstellen das kontrollieren, sollte geprüft und akkreditiert werden. Das ist bislang nicht vorgesehen.
Gegen welche Claims geht der vzbv vor?
Unter anderem den der Klimaneutralität. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass neun von zehn Konsument*innen, die ein als klimaneutral beworbenes Produkt kaufen, der Meinung sind, dass bei der Herstellung keine klimaschädlichen Gase ausgestoßen wurden. Das ist unter den derzeitigen technischen Voraussetzungen aber gar nicht möglich – erst recht nicht bei etwas wie „klimaneutralem Heizöl“. Die Claims basieren in der Regel auf Kompensation und auch die ist alles andere als zuverlässig.
In welchen Fällen klagt der vzbv?
Wir haben beispielsweise die Fifa abgemahnt, weil sie die WM in Katar als „klimaneutral“ beworben hat. Wir machen aber keine systematische Marktüberwachung, sondern beobachten den Markt, gehen Beschwerden von Verbraucher*innen nach und werden bei besonders schwerwiegenden Fällen der Irreführung aktiv.
Welche Rolle spielt die Wirtschaft?
Ein Wandel der Produktion ist ein zentraler Punkt. Hierfür braucht es eine Regulierung, denn die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass freiwillige Selbstverpflichtungen nicht funktionieren. Es muss das Ziel sein, dass in den Lieferketten klare Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden. Aber auch, dass Auswirkungen der Produktion wie etwa Umweltverschmutzung in die Produkte eingepreist werden ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass die Verbraucher*innen sich das dann auch noch leisten können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christiane Weihe.
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Im Interview mit eco@work: Jochen Geilenkirchen, Referent Verbraucherpolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
Weitere Informationen
Jochen Geilenkirchen
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
Referent
Geschäftsbereich Verbraucherpolitik
E-Mail: Jochen.Geilenkirchen@vzbv.de
Web: https://www.vzbv.de
Zur Person
Jochen Geilenkirchen ist Politikwissenschaftler und hat zudem einen Master in Friedens- und Konfliktforschung. Nach einer Station bei Brot für die Welt ist er seit 2020 für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) tätig. Als Referent Verbraucherpolitik beschäftigt er sich hier derzeit vor allem mit Green Claims, Greenwashing sowie dem EU-Lieferkettengesetz.