Die Wärmewende
Der Gebäudebereich verbraucht in Deutschland fast ein Drittel der Energie, er ist für etwa ein Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich. Deswegen hat er natürlich klare Klimaziele: Bis 2050 strebt die Bundesregierung einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand an, bis 2030 sollen seine Emissionen auf 70 bis 72 Millionen Tonnen CO2 sinken. Zum Vergleich: 2017 lagen sie bei 132 Millionen Tonnen CO2.
Es ist nicht so, als wäre im Gebäudebereich bislang nichts passiert. Zwischen 1990 und 2017 sanken seine Emissionen um 37,1 Prozent. Es gibt zahlreiche Förderprogramme, die Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer bei der Sanierung unterstützen, oder auch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das etwa in Neubauten einen bestimmten Anteil von regenerativen Energiequellen vorschreibt. Doch das reicht nicht aus. Wenn Deutschland nicht nachsteuert und zusätzliche Maßnahmen einsetzt, wird es 2030 eine Klimalücke im Gebäudesektor von etwa 20 Millionen Tonnen CO2 geben. Es braucht dringend umfassende Sanierungen, denn wie schon die Studie „Klimaneutraler Gebäudebestand 2050“ des Öko-Instituts und des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme im Auftrag des Umweltbundesamtes gezeigt hat, lässt sich Klimaneutralität eben nicht allein über erneuerbare Energien herstellen.
Ein zentrales Instrument, um diese Lücke zu schließen, könnten zum Beispiel eine Anpassung der Förderung und höhere Förderanreize sein. So unterstützt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) noch immer Effizienzstandards, die aus Sicht der Ziele längst veraltet sind. Eine Förderung nach dem Standard KfW-Effizienzhaus 115 oder auch 100, bei dem das entsprechende Gebäude nach der Sanierung 115 oder 100 Prozent der Energie benötigt, die in der Energieeinsparverordnung (EnEV) für einen vergleichbaren Neubau als Standard vorgeschrieben ist, passt nicht zu den Klimaschutzzielen für den Gebäudebestand. Denn: Es ist bereits möglich, Gebäude deutlich effizienter zu machen. Und: Wir müssen nicht zuletzt angesichts der langen Investitionszyklen heute schon den Blick auf 2050 richten, also auf einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand. Weiterhin muss die Förderung von Heizöl- und Erdgaskesseln umgehend eingestellt werden.
Ein langfristiger Blick ist übrigens nicht zuletzt auch aufgrund des bereits heute immensen Fachkräftemangels im Handwerk nötig. In einem Policy Paper für das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Öko-Institut hierzu bereits Empfehlungen wie etwa ein konsequentes Nachwuchsprogramm zusammengestellt.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, Effizienzmaßnahmen nicht allein durch Zuschüsse und zinsvergünstigte Kredite zu fördern, sondern auch über steuerliche Anreize – so werden mehr Menschen erreicht. Eine Maßnahme, die derzeit in vielen Sektoren diskutiert wird, macht zudem auch für den Gebäudebereich Sinn: die CO2-Bepreisung. Es muss teurer werden, CO2 zu verursachen – eben auch durch das Heizen mit Öl oder Erdgas.
Finanzielle Anreize werden jedoch nicht ausreichen, um die Menschen zur Sanierung zu bewegen. Denn viele sind nicht ausreichend über die Vorteile von Effizienzmaßnahmen informiert oder scheuen den Aufwand, der mit ihrer Umsetzung verbunden sein kann. Daher braucht es auch gesetzliche Maßnahmen wie zum Beispiel einen stufenweisen Ausstieg aus fossilen Heizenergien. Als Vorbild kann hier Dänemark dienen – hier dürfen schon seit 2013 keine Öl- und Gasheizungen mehr in Neubauten installiert werden, seit 2016 gilt ein Verbot von neuen Ölheizungen auch für Bestandsgebäude, wenn Fernwärme oder Erdgas verfügbar sind. Aber auch die Einführung finanzieller Abgaben für jene Gebäude, die im Zeitverlauf bestimmte Effizienzklassen verfehlen, könnte eine sinnvolle Maßnahme sein.
Zudem müsste das geplante Gebäudeenergiegesetz, welches die Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Wärme-Gesetz zusammenführen soll, dringend ambitionierter ausgestaltet werden. Hier sollten unter anderem höhere Effizienzstandards für Neubauten und strengere Austauschpflichten für alte Heizanlagen verankert werden. Notwendig ist auch, den Vollzug solcher Vorschriften sicherzustellen. Auch diesem Thema widmet sich das Öko-Institut übrigens derzeit: In einem aktuellen Forschungsprojekt für das Umweltbundsamt erarbeiten wir gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer Vorschläge für Vollzugsregelungen sowie für verbesserte Verwaltungsabläufe. Damit gute Ideen für mehr Klimaschutz im Gebäudebereich nicht nur erdacht und beworben werden, sondern eben auch umgesetzt.
---
Dr. Veit Bürger und Friedhelm Keimeyer betrachten den Klimaschutz im Gebäudebereich am Öko-Institut aus unterschiedlichen Perspektiven. Bürger, stellvertretender Leiter des Bereichs Energie & Klimaschutz (Freiburg), entwickelt und bewertet unter anderem Politikinstrumente für eine nachhaltige Transformation des Gebäudesektors. Keimeyer, stellvertretender Leiter des Bereichs Umweltrecht & Governance, widmet sich zum Beispiel rechtlichen Hemmnissen beim Klimaschutz im Gebäudebereich.