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“Ich sehe Hinweise auf Verbesserungen im freiwilligen Kohlenstoffmarkt“

Interview mit Donna Lee, Calyx Global

Christiane Weihe

Qualitätskrise, Glaubwürdigkeitskrise, Vertrauenskrise. Ein Blick auf den freiwilligen Kohlenstoffmarkt stimmt nicht unbedingt optimistisch. Doch ihn einfach abschreiben? Keineswegs! Denn natürlich gibt es auch Klima­schutzzertifikate mit guter Qualität – und Akteur*innen, die sich darum bemühen, die Qualität insgesamt zu verbessern und so das große Potenzial des Marktes zu heben. So etwa Donna Lee. Die Klimaexpertin hat viele Jah­re für das Außenministerium der USA sowie als freie Beraterin gearbeitet. 2021 gründete sie gemeinsam mit Duncan van Bergen Calyx Global. Die Rating Plattform bewertet, ob Klima­schutzprojekte tatsächlich so viele Treibhausgase ausgleichen können, wie sie versprechen, und ermöglicht es Unternehmen so, hochwertige Zer­tifikate zu nutzen.

Donna Lee, warum haben Sie Calyx Global gegründet?

Ich bin schon lange im Bereich Klima­schutz tätig und meiner Erfahrung nach war dafür nie genug Geld da. Nun entstand dieser freiwillige Kohlenstoffmarkt und Unternehmen wa­ren tatsächlich bereit, viel Geld in den Ausgleich ihrer Emissionen zu stecken. Doch leider gab es auf diesem Markt ein großes Qualitätsproblem. Unser An­trieb war die Idee, wissenschaftsbasier­te und unabhängige Informationen zur Verfügung zu stellen und das Geld dort­hin zu lenken, wo es die größte Wirkung entfaltet. Also in Klimaschutzprojekte mit hoher Qualität.

Wie viele Projekte haben Sie bereits evaluiert?

Wir haben über 450 Kohlenstoffpro­jekte evaluiert, mit Blick auf die Treib­hausgasemissionen waren es dabei mehr als zwanzig unterschiedliche Projekttypen. Darüber hinaus betrach­ten wir nicht nur die Klimawirkung. Wir haben zudem bei über 200 Projekten bewertet, welche Wirkung sie mit Blick auf die globalen Nachhaltigkeitsziele haben und wir fangen nun außerdem damit an, zu identifizieren, welche so­zialen und ökologischen Risiken in den Projekten bestehen – so etwa in Hin­sicht auf Gesundheit, Biodiversität oder Arbeitnehmer*innenrechte.

Wie steht es derzeit um die Qualität?

Es ist noch eine Menge Arbeit notwen­dig, um den Markt grundsätzlich zu ver­bessern. Wir haben eine Grafik erstellt, in der die von uns evaluierten Projekte auf einer Skala von A+ bis E eingeord­net sind, also von sehr guter bis zu sehr schlechter Qualität. Leider haben nur drei Prozent der Projekte unser A+- Rating erhalten. Bei einem Großteil der Projekte haben wir hingegen Risiken gefunden, wie etwa einen Mangel an Zusätzlichkeit und Langfristigkeit, eine Überschätzung der Wirkungen oder Doppelzählung.

Wie wählen Sie die Projekte aus, die Sie evaluieren?

Zuerst überlegten wir, ob es Sinn macht, jene Projekte zu bewerten, die den größten Marktanteil repräsentie­ren. Das wäre einfach gewesen, denn es gibt sehr große Projekte. Dabei zeig­te sich jedoch, dass diese in der Regel niedrigere Ratings erhalten – und dann können wir den Kund*innen nur signali­sieren, was sie nicht kaufen sollen. Des­wegen suchen wir jetzt nach Projekten mit hoher Qualität, was aber auch ein bisschen der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht.

Wie lässt sich die Qualität verbessern?

Qualität kann nicht nur durch einen Akteur verbessert werden. Es braucht auf dem freiwilligen Markt mehrere Akteur*innen, die zusammenarbeiten. So hilft etwa das Integrity Council for the Voluntary Carbon Market dabei, kla­re Qualitätskriterien zu definieren und eine minimale Messlatte zu etablieren. Standards arbeiten daran, diese einzuhalten. Auch Regulierungen können helfen – so verpflichtet zum Beispiel Kalifornien Unternehmen dazu, offenzulegen, welche Zertifikate sie zum Ausgleich ihrer Emissionen nutzen. Das mag kurzfristig gesehen anstrengend sein, aber Transparenz ist normalerwei­se gut für einen Markt. Eine wichtige Rolle spielen auch investigative Medien, die Unternehmen zur Verantwortung ziehen, die sich mit falschen Angaben zur Emissionsminderung schmücken. Und natürlich Initiativen oder Agentu­ren wie unsere, die Informationen über die Qualität von Projekten und Zertifi­katen zur Verfügung stellen.

Sehen Sie bereits Verbesserungen auf dem Markt?

Ich sehe Hinweise auf Verbesserun­gen, die mich optimistisch stimmen. Der freiwillige Kohlenstoffmarkt ist ein komplexes und mitunter sehr seltsames Ökosystem. Doch ich sehe, dass der Markt erwachsener wird – auch durch neue Akteur*innen, die unabhängige Informationen zur Verfügung stellen, und zudem neue Technologien, die das Messen und Monitoring der Klima­wirkung erleichtern oder eine größere Transparenz des Marktes fördern kön­nen. Ich sehe außerdem Unternehmen, die den Klimawandel ernst nehmen und daher schon früh in Klimaschutz­projekte investieren, um sicherzustel­len, dass Integrität und eine hohe Qua­lität bei den Beiträgen zur nachhaltigen Entwicklung gewährleistet sind.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

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Im Interview mit eco@work: Donna Lee, Co-Gründerin von Calyx Global

Weitere Informationen

Tom Kirschey
Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH

Stresemannstr. 69-71
10963 Berlin

E-Mail: Tom.Kirschey@z-u-g.org
Web:   https://www.kompetenzzentrum-nk.de

 

Zur Person

Tom Kirschey ist Biologe. Er war lange Zeit für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. tätig. Dort beschäftigte er sich vor seiner Tätigkeit für das Kompetenzzentrums Natürlicher Klimaschutz (KNK) zehn Jahre lang vor allem international mit der Wiederherstellung von Ökosystemen. Im Frühjahr 2023 hat Tom Kirschey die Leitung des KNK übernommen und sich dort zunächst mit der Rekrutierung eins Aufbaustabes, der Personalgewinnung und der Erstellung eines Fachkonzepts sowie dem Aufbau einer Kümmererstruktur und von Regionalagenturen gewidmet. Im Oktober 2023 nahm das KNK seine offizielle Arbeit auf, die ersten Fördermaßnahmen sind noch 2023 angelaufen.