Mehr Transparenz beim Netzausbau
Christiane Weihe
Die sich verändernde Stromversorgung wandelt auch die Anforderungen an die deutschen Stromnetze: Tausende Kilometer sollen neu gebaut, verbessert oder verstärkt werden. Der Netzausbau ist für den Umstieg auf regenerative Energien unabdingbar – und gleichzeitig Ausgangspunkt zahlreicher Konflikte, da der Umfang des Ausbaus umstritten ist und negative Auswirkungen auf Menschen und Umwelt befürchtet werden. „Verantwortlich für die Planung und Durchführung der Erweiterungen sind die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur“, erklärt Christof Timpe, Bereichsleiter am Öko-Institut, „der Netzausbau läuft in verschiedenen Schritten ab. So wird unter anderem von den Übertragungsnetzbetreibern regelmäßig ein Szenariorahmen zur Entwicklung des Strommarktes erstellt, auf dieser Grundlage entsteht dann kontinuierlich ein Netzentwicklungsplan, der Maßnahmen zur Netzoptimierung und -verstärkung sowie zum Netzausbau enthält.“ Ein Verfahren, das nach Ansicht vieler Expertinnen und Experten noch verbessert werden kann: „Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die Intransparenz“, sagt Dr. Dierk Bauknecht, Senior Researcher am Öko-Institut, „so haben die betroffenen Stakeholder keine ausreichenden Möglichkeiten, Alternativvorschläge einzubringen, viele Daten sind zudem nicht öffentlich zugänglich und die Datenqualität ist verbesserungsbedürftig.“
Das Projekt „Transparenz der Stromnetze – Erhöhung der Transparenz über den Bedarf zum Ausbau der Strom-Übertragungsnetze“ sollte einen Beitrag dazu leisten, die Diskussion zum Netzausbau zu versachlichen und für eine bessere fachliche Fundierung zu sorgen. „Im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projektes sollte verdeutlicht werden, welche Anforderungen in unterschiedlichen Stromversorgungsszenarien an die Netzstrukturen gestellt werden und welche Alternativen es geben könnte“, so Timpe. Hierfür wurde das innovative Verfahren der so genannten partizipativen Modellierung erprobt: „Wir haben zwei Methoden verknüpft: die Modellierung der Stromnetze und eine Workshopreihe mit Vertreterinnen und Vertretern von Bürgerinitiativen, Umwelt- und Verbraucherverbänden.“ Im Rahmen der Workshops wurden unterschiedliche Szenarien für die zukünftige Stromversorgung erarbeitet und unter Anwendung des vom Öko-Institut entwickelten Strommarktmodells PowerFlex-Grid EU deren Auswirkungen auf den Netzausbau ermittelt und diskutiert.
„Die Analyse zeigt, dass die aktuellen Szenarien zur Netzentwicklung die Klimaschutzziele der Bundesregierung nicht ausreichend berücksichtigen“, sagt Dr. Dierk Bauknecht zu den Ergebnissen der partizipativen Modellierung, „die Szenarien sind zu eng gefasst und müssten auch einen beschleunigten Kohleausstieg sowie einen schnelleren Zubau der erneuerbaren Energien berücksichtigen.“ Das hätte auch Auswirkungen auf den Netzausbau. Wichtig sei zudem, die Netzentwicklung nicht nur bis 2030 zu betrachten, wie es derzeit praktiziert wird: „Man muss vom Ziel her denken und ein System zur Grundlage nehmen, das zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien versorgt wird – das ist schließlich die Entwicklung, die wir anstreben.“ Darüber hinaus ist es sinnvoll, den Prozess der Netzentwicklung auf breitere Füße zu stellen. „Unser Vorschlag ist, ein Forum mit unabhängigen externen Expertinnen und Experten sowie Stakeholdern einzurichten, das die Verfahren und Methoden kritisch kommentiert, zusätzliche Szenarien erarbeitet und verschiedene Methoden der Netzmodellierung anwendet, um Alternativen aufzuzeigen und die Transparenz zu verbessern“, so der Wissenschaftler vom Öko-Institut.