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Im Fokus

Aus Erfahrung bewährt

Nachhaltigkeitskriterien in ASEAN-Staaten

Christiane Weihe

Es ist ein sinnvoller und oft bewährter Ansatz: Von der Erfahrung anderer profitieren. Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen mit zahlreichen Strategien und Instrumenten nachhaltiger Produktion und nachhaltigen Konsums gesammelt. Diese Erkenntnisse können anderen Staaten helfen – etwa mit Blick auf die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien für Produkte und Dienstleistungen im Rahmen von Umweltzeichen und öffentlicher Beschaffung. Lohnenswert ist dies insbesondere für die rasant wachsenden Staaten etwa in der ASEAN-Region (Association of Southeast Asian Nations), zu der Brunei, Kambodscha, Indonesien, Thailand, Laos, Malaysia, Myanmar, Singapur, Vietnam und die Philippinen gehören. Ihr rasant steigender Energie- und Ressourcenbedarf macht ein schnelles Handeln in Richtung Nachhaltigkeit notwendig.

„Die Industrieländer haben bereits einen langen Weg in Richtung Nachhaltigkeit hinter sich - warum sollten die Schwellenländer den gleichen Prozess noch einmal durchlaufen?“ fragt Siddharth Prakash vom Öko-Institut. „Sie können schon heute auf Lösungen und Instrumente setzen, die sich bereits bewährt haben.“ Dazu gehören aus Sicht des Senior Researchers zum Beispiel ökologische Mindeststandards und ökonomische Anreizmechanismen für den Klimaschutz ebenso wie die Förderung von Öko-Innovationen im Markt; berücksichtigt werden müssen Produkte ebenso wie Dienstleistungen. „Natürlich lässt sich nicht jede Maßnahme, die bei uns gut funktioniert, eins zu eins auf andere Länder übertragen“, so Prakash, „es geht darum, in Zusammenarbeit mit diesen Staaten Lösungen zu finden, die zum jeweiligen Kontext und zu den jeweiligen Bedürfnissen passen.“

Bewährte Kriterien

In den ASEAN-Staaten besteht mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung großer Handlungsbedarf, denn ihre Primärenergienachfrage ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten geradezu explodiert: Vor achtzehn Jahren lag sie bei 273 Millionen Tonnen Öläquivalenten, 2014 schon bei 620 Millionen Tonnen. Für 2040 erwarten Schätzungen hier eine Primärenergienachfrage von 1,350 Millionen Tonnen Öläquivalenten. „Das Bewusstsein für sozial und ökologisch nachhaltiges Wirtschaften und Konsumieren steht in diesen Ländern hingegen leider noch ganz am Anfang“, so der Experte vom Öko-Institut, „gleichzeitig stehen natürlich, wie eigentlich in Deutschland auch, oft ökonomische Interessen einem ambitionierten Schutz von Umwelt und Menschenrechten im Weg.“

Schon heute besteht ein hohes Potenzial, Energie und Treibhausgasemissionen einzusparen – mit den richtigen Instrumenten. Wie das funktionieren kann, zeigt etwa ein Blick auf Kälte- und Klimaanlagen. Diese haben zum Beispiel in Thailand schon heute einen Anteil von etwa 25 Prozent an den gesamten Treibhausgasemissionen, davon entfallen circa 80 Prozent auf das Konto der Klimaanlagen. Es wird zudem erwartet, dass sich die Emissionen aus diesem Bereich bis 2030 verdreifachen werden. „Diese Geräte sind aber auch wegen der verwendeten klimaschädlichen Kältemittel sehr bedenklich“, sagt Prakash.

Hierzulande bewährte Umweltzeichen mit entsprechenden Nachhaltigkeitskriterien können dabei helfen, Produktion und Konsum in eine nachhaltigere Richtung zu lenken. Daher hat das Öko-Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes gemeinsam mit der HEAT GmbH im Projekt „The Blue Angel for Stationary Room Air Conditioners“ die Grundlagen dafür geschaffen, den Blauen Engel für Raumklimageräte zu entwickeln. „Damit haben wir eine Vergabegrundlage gelegt, die hierzulande, aber auch für asiatische Märkte gelten kann.“ Mit Erfolg: „Im März 2018 wurde der erste Blaue Engel für ein Raumklimagerät mit einem sehr niedrigen Treibhausgaspotenzial und einer hohen Energieeffizienz an ein chinesisches Unternehmen vergeben“, erklärt der Wissenschaftler.

Ziel von Projekten wie diesen ist es, Umweltstandards nicht nur in einigen, sondern in vielen Ländern zu harmonisieren. „Das macht es auch für die Unternehmen einfacher, die dann nicht für jedes Land einen anderen Standard erfüllen müssen und so eine höhere Investitionssicherheit haben“, sagt Prakash, „die langfristige Vision sind weltweit einheitliche Umweltzeichen, deren Kriterien gemeinschaftlich entwickelt werden.“

Aber nicht nur bei Produkten, auch bei komplexen Dienstleistungen berät das Öko-Institut im Rahmen der Exportinitiative für Umwelttechnologien des Bundesumweltministeriums und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Entscheidungsträgerinnen und -träger vor Ort dabei, ökologische Standards und Leitlinien zu entwickeln – so etwa bei Energiedienstleistungen oder im Einzelhandel. „Der Energieverbrauch im Dienstleistungssektor wächst in der ASEAN-Region rasant, nicht zuletzt aufgrund des Wirtschaftswachstums und der voranschreitenden Urbanisierung“, betont Prakash. Das deutsche Umweltzeichen Blauer Engel ist aus Sicht des Öko-Instituts richtungsweisend und hat mittlerweile mehrere Vergabekriterien für komplexe Dienstleistungen entwickelt, um so ein wichtiges Zeichen gegen den wachsenden Energiebedarf des Dienstleistungssektors zu setzen. „Daher prüfen wir nun die Eignung von anspruchsvollen Standards des Blauen Engels für ausgewählte Dienstleistungen in der ASEAN-Region“, so der Senior Researcher.

Wissen weitergeben

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts arbeiten aber nicht nur an Grundlagen – sie sind seit 2012 kontinuierlich jedes Jahr mehrfach für unterschiedliche Projekte in der ASEAN-Region, um ihre Nachhaltigkeitskompetenz direkt weiterzugeben, so etwa im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) sowie im Rahmen der Exportinitiative für Umwelttechnologien des Bundesumweltministeriums. „Wir führen zum Beispiel Workshops zu politischen Strategien und Instrumenten für mehr Nachhaltigkeit, aber auch zu konkreten Methoden durch“, so der Senior Researcher, „dabei vermitteln wir unter anderem unser Wissen zur Integration von sozialen Kriterien, Lebenszykluskosten und Ökobilanzen in der öffentlichen Beschaffung.“

Ziel ist es bei diesen von der GIZ unterstützten Projekten auch, vor Ort Schlüsselakteure zu identifizieren und auszubilden, die das erworbene Wissen anschließend anwenden, aber auch weitertragen können. Dazu gehören Vertreterinnen und Vertreter aus Ministerien, Umweltbehörden oder auch nationalen Beschaffungsstellen ebenso wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Umweltzeichenträgern und Industrieverbänden. Denn die Weitergabe von Wissen und Kompetenzen hört an diesem Punkt im Optimalfall noch lange nicht auf. Sondern führt zu vielen weiteren kompetenten Akteurinnen und Akteuren, von deren Erfahrungen in Zukunft weitere Menschen und Institutionen profitieren werden.

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Siddharth Prakash ist seit 2008 für das Öko-Institut tätig. Der Senior Researcher befasst sich hier vor allem mit den Themen Nachhaltiger Konsum und Nachhaltige Produkte sowie Ressourcenwirtschaft. In diesem Zusammenhang arbeitet Prakash im Institutsbereich Produkte & Stoffströme unter anderem zu Produktbewertung und Labelling sowie Sozial- und Umweltstandards in globalen Wertschöpfungsketten.