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Perspektive

Eine Welt ohne Plastik

Sinnvoll und machbar?

Was haben Strohhalme und Wattestäbchen, Luftballonhalterungen und Trinkflaschen gemeinsam? Sie gehören zu den zehn Dingen aus Kunststoff, die am häufigsten an europäischen Stränden gefunden werden. Etwa die Hälfte der gesamten Abfälle im Meer sind in Europa aus solchem Einwegplastik, ein weiteres gutes Viertel ist Fischereiausrüstung. Die tatsächlichen Folgen von Mikroplastik, das in deutschen Flüssen ebenso gefunden wurde wie im Schweizer Hochgebirge und in der Arktis, sind zudem noch lange nicht geklärt.

Im Mai 2018 hat die Europäische Kommission Pläne vorgestellt, vier der zehn am häuftigsten gefundenen Einwegprodukte aus Kunststoffen zu verbieten und für weitere die Verwendung einzuschränken oder Reduktionsziele zu definieren. Das Verbot von Kunststoff-Strohhalmen, Einweggeschirr, Luftballon-Halterungen und Wattestäbchen alleine wird sicher nicht das Plastikproblem in den Meeren lösen. Doch der Entwurf der Kommission geht weit über diese Verbote hinaus. Die Vorschläge der EU-Kommission sehen auch eine Verantwortung für die Hersteller von Kunststoffprodukten vor: Sie sollen in Zukunft unter anderem an den Kosten für Öffentlichkeitsarbeit und die Einsammlung beteiligt werden. Außerdem sollen bis 2025 europaweit mindestens 90 Prozent der Getränke-Einwegflaschen recycelt werden. Das geht nur, wenn Pfand erhoben wird. Dies geschieht bei weitem nicht in allen EU-Ländern, ist aber aus unserer Sicht auch global ein zentrales Instrument. Eine entsprechende UN-Resolution vom Dezember 2017 existiert und nun liegt es an den einzelnen Staaten und der jeweiligen Industrie, diese auch umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund ist der Entwurf für eine EU-Direktive ein wichtiger erster Schritt. Denn nur mit einer starken Regulierung wird die Wirtschaft ihren Anteil an der Bekämpfung des Plastikmüllproblems übernehmen. Zusätzlich braucht es zahlreiche weitere Maßnahmen, um Rohstoffe nachhaltig zu bewirtschaften. Wichtig sind Vermeidung, Wiederverwendung (und Lebensdauerverlängerung) sowie weiterhin ein möglichst effizientes und hochwertiges Recycling, das etwa durch eine Festlegung von Mindestquoten an Sekundärkunststoffen für Kunststoffverpackungen erreicht werden kann.

Aktuell arbeiten wir zum Beispiel in einem laufenden Forschungsvorhaben gemeinsam mit einem Industriepartner sowie dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF daran, ein innovatives Verfahren für eine hochwertige Kreislaufnutzung von PET für Industrieprodukte mit langer Lebensdauer zu entwickeln. In einem anderen Projekt arbeiten wir für die EU-Kommission an Konzepten, wie die Wiederverwendung von Verpackungen gemessen werden kann und welche Möglichkeiten für Wiederverwendungsziele es auf EU-Ebene gibt.

Egal, welche Maßnahmen ergriffen werden, wir müssen uns bewusst machen: Es gibt bei diesem Thema keine einfachen Lösungen. So stehen wir oft vor klassischen Abwägungsproblemen. Denn Kunststoffe sind in zahlreichen Anwendungsbereichen ein sehr effizientes, widerstandsfähiges Material. So ist etwa eine Plastiktüte, die aus hygienischen Gründen nur einmal verwendet wird, beim gleichen Anwendungszweck einer Papiertüte hinsichtlich der Umweltwirkungen überlegen. Ob eine Kunststoff-Getränkeverpackung beispielsweise gegenüber Glas vorteilhaft ist oder nicht, hängt laut Studien davon ab, wie weit das Produkt transportiert wird. Solche Analysen berücksichtigen übrigens nicht den möglichen Verbleib in der Umwelt, dem ohne eine vernünftige Abfallwirtschaft ein entsprechend größeres Gewicht zukommt. Und: Die Ergebnisse für Deutschland sind natürlich nicht eins zu eins auf den Rest der Welt übertragbar. Daher gilt es für die unzähligen Kunststoffanwendungen jeweils im Detail, den Weg zum nachhaltigsten Verhalten zu prüfen.

Ein erster Schritt ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher übrigens einfach: Sich von einem Maximal-Convenience-Konsum zu verabschieden. Klar, Plastik ist oft sehr praktisch. Aber das bequeme Leben mit Take-away-Essen und -Bechern hat seinen Preis. Verhaltensänderungen aufgrund solcher Appelle sind jedoch einem Großteil der Gesellschaft nicht zu erwarten – deshalb sind die Maßnahmen der EU so wichtig; weitere Schritte müssen folgen.

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Dr. Georg Mehlhart und Martin Möller befassen sich mit zahlreichen unterschiedlichen Aspekten der Abfallvermeidung und -verwertung. So widmete sich Dr. Georg Mehlhart im Institutsbereich Ressourcen & Mobilität unter anderem dem Aufbau und Betrieb eines europäischen Datenzentrums für Abfall und berät die Europäische Kommission etwa zum Thema Wiederverwendung. Martin Möller beschäftigt sich im Institutsbereich Produkte & Stoffströme zum Beispiel mit der ökologischen Optimierung industrieller Prozesse und Technologieentwicklungsprojekten.