Kreativ im Recht
Falk Schulze
Denke ich an Juristen, kommen mir die klassischen Berufsbilder in den Sinn – Rechtsanwälte, Richter, Staatsanwälte, Verwaltung. Kanzleien, Gerichte und Behörden sind die üblichen Verdächtigen, wenn es um die Wirkungsstätten unseres Berufszweiges geht. Das Öko-Institut kommt in einer solchen Aufzählung nicht vor. Meine Erfahrung zeigt: Wir müssen eine Tätigkeitsbeschreibung parat haben, um interessierte Fragesteller nicht im Regen stehen zu lassen. Was aber macht die Juristen am Öko-Institut aus?
In erster Linie sind wir geprägt von einer Haltung, die den Juristen und den Wissenschaftler in uns vereint: Wir kennen das Recht, nehmen es aber nicht als gegeben hin, sondern arbeiten an seiner (ökologischen) Weiterentwicklung. Unser Stoff ist das Umweltrecht in seiner gesamten Breite mit allen Bezügen zu anderen Rechtsgebieten. Das Handwerkszeug unterscheidet sich dabei nicht von jenem, das die beschriebenen klassischen Juristen nutzen. Was uns aber unterscheidet, ist die vom Auftraggeber zugedachte Rolle: Wir erfüllen nicht die klassische Funktion des Rechtsanwenders, sondern die von Rechtsgestaltern. Denn unsere Arbeit wird stark von einem wesentlichen Element staatlichen Handelns beeinflusst: Das Recht folgt einer technologischen oder politischen Entwicklung nach. Das ist gut zu beobachten am Beispiel des Klimaschutzes, der über die Jahre zu einem umfangreichen und gefestigten Bestand an Rechtsnormen geführt hat. Daher stehen wir oftmals vor der Aufgabe, ein vollkommen neues Thema rechtlich auszugestalten. Zunächst unbekannte Themen wie etwa der Emissionshandel, Fracking oder auch die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) sind naturgemäß gesellschaftlich umstritten und erfordern gerade deshalb eine ausgewogene Prüfung der Schutzanforderungen.
Dies bedeutet auch: Wir müssen nicht nur das nationale Recht sowie die europäischen und internationalen rechtlichen Rahmenbedingungen kennen, sondern ebenso die zu regulierenden naturwissenschaftlich-technischen Zusammenhänge. Wenn wir nicht wissen, welche Rohstoffe in Deutschland abgebaut werden, können wir auch keine sinnvollen Vorschläge zur Entwicklung des – national begrenzten – Bergrechts machen. Wenn wir nicht verstehen, wie Abbau-, Produktions- und Recyclingprozesse entlang der Wertschöpfungskette ablaufen, können wir auch nicht sagen, wo tragfähige Normen für einen verstärkten Ressourcenschutz ansetzen müssen. Wir müssen die Risiken kennen, die bei der Einlagerung von Kohlendioxid in unterirdische Grundwasserleiter bestehen, um Schutzanforderungen überhaupt formulieren zu können. All diese Beispiele zeigen: Wir bilden eine Schnittstelle zwischen unserer juristischen Kompetenz sowie der Expertise unserer Kollegen aus anderen Bereichen.
Diese Schnittstellenfunktion zeigt sich auch bei unserer Arbeit als interne Rechtsberater. Wir prüfen immer wieder, ob Ideen und Instrumente, die am Öko-Institut entwickelt wurden, auch rechtlich umsetzbar sind. Das kann ein entscheidender Vorteil sein: Zu wissen, dass eine gute Idee nicht am bestehenden Rechtsrahmen scheitern würde und damit Argumente für ihre politische Durchsetzung zu haben. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass progressive Instrumente von vornherein mit dem Stigma der rechtlichen Unmöglichkeit versehen werden. So haben wir beispielsweise analysiert, dass eine Steuer auf den Abbau von Primärbaustoffen oder auch ein bundesweiter Energiespeicherplan rechtlich umsetzbar wären. Gleichzeitig haben wir analysiert, welche Pro- und Contra-Argumentationslinien zu erwarten sind.
An dieser Stelle schließt sich der Kreis zur erwähnten Kreativität: Die rechtliche Machbarkeit ist nur eine Seite der Medaille, idealerweise unterfüttern wir sie mit verschiedenen Regelungsmöglichkeiten. Diese eröffnen den Entscheidern dann ein breiteres Spektrum an Optionen und erhöhen die Chancen zur Durchsetzung auf politischer Ebene. Falk Schulze