Booster für Netze und Wind
Wir haben die Energiewende erfunden. Doch sie kommt nicht schnell genug voran. Der Verkehr senkt seine Emissionen nicht, die Sanierung von Gebäuden verläuft schleppend, der Ausbau der erneuerbaren Energien stockt. Nun soll – etwa mit dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung und natürlich mit dem „Fit for 55“-Paket der EU-Kommission – neuer Schwung in die notwendigen Transformationen kommen. So hat sich die Ampelkoalition unter anderem darauf geeinigt, den Ausbau von Netzen und regenerativen Energiequellen stark zu beschleunigen. Der Ukraine-Krieg hat den Druck, den Wandel tatkräftig in die Hand zu nehmen, noch einmal erhöht. Wollen wir unabhängig von Erdgaslieferungen auch aus autokratischen Staaten werden, führt am Ausbau der erneuerbaren Energien kein Weg vorbei.
Wir müssen schnell handeln, dürfen das aber nicht planlos tun. Die Transformation muss nicht nur ökologisch sinnvoll sein, sondern auch wirtschaftlich und sozial. Jede Genehmigung oder Planfeststellung für eine neue Anlage muss rechtmäßig sein und dafür müssen alle relevanten Aspekte mit der angemessenen Sorgfalt geprüft werden – so etwa mit Blick auf den Umwelt- und Naturschutz. Wir brauchen gesetzliche Regelungen, bei deren Auslegung es keine Unsicherheiten gibt, auch nicht für Behörden und Vorhabenträger.
Auch mit aller Sorgfalt kann es gelingen, die Energiewende zu beschleunigen. Wie das möglich ist, haben wir uns in einem Eigenprojekt für zwei zentrale Bereiche angeschaut: Windkraftanlagen und den Netzausbau. Der Ausbau der Windenergie geht drastisch zurück – in den vergangenen 20 Jahren wurden nie so wenig neue Anlagen gebaut wie 2021. Eine bundesweit einheitliche Regelung könnte bestehende Hürden abbauen: Wir schlagen ein Windenergie-an-Land-Gesetz vor, das für jedes einzelne Bundesland Flächen ausweist und Hinweise gibt, wie der Natur- und Artenschutz ausgelegt werden kann. Darüber hinaus braucht es von Schleswig-Holstein bis Baden-Württemberg überall zentrale Stellen, die Projektanträge entgegennehmen, sie an Behörden und Netzbetreiber weiterleiten und den gesamten Prozess unterstützend begleiten. Nach wie vor sollten die Bedenken von Anwohner*innen und Umweltvereinigungen berücksichtigt werden – durch eine frühe und ergebnisoffene Beteiligung. Dies hat einen entscheidenden Vorteil: Die Öffentlichkeitsbeteiligung macht oftmals viele Aspekte sichtbar, die bei der Prüfung der Antragsunterlagen relevant sind, da die Menschen vor Ort sich eben am besten dort auskennen.
Aus meiner Sicht wäre es zudem sinnvoll, eine bundesweite Karte von Gebieten zu erstellen, die grundsätzlich in Frage kommen, und die auch zeigt, wo Windkraftanlagen eben keinen Platz haben. Etwa aufgrund von Anlagen der Flugsicherung, wegen militärischer Anlagen oder aus Gründen des Naturschutzes. So umgeht man die Gefahr, dass Verfahren erst kurz vor Ende eines kräftezehrenden Zulassungsprozesses doch noch gestoppt werden. Für eine solche Karte muss klar sein, wie viel Energie aus Wind wir in Zukunft brauchen – nur so kann sinnvoll geplant werden.
Auch der Netzausbau kann deutlich beschleunigt werden – etwa durch eine größere Technologieoffenheit der Stromnetzbetreiber. Es gibt längst sehr viel modernere Technologien, die in Deutschland aber nicht genutzt werden. Die aktuelle mittlere Auslastung der Stromnetze liegt bei etwa 35 Prozent, durch eine gezielte Steuerung kann dieser Wert deutlich erhöht werden ohne auf Versorgungssicherheit zu verzichten. Helfen kann dabei ein genaues Monitoring der Leiterseile und der Witterung. Auch bei der Netzplanung ist die Öffentlichkeitsbeteiligung ein wichtiger Faktor. Bei entsprechenden Veranstaltungen sollten alle relevanten Entscheidungsträger*innen anwesend und sprechfähig sein, nur so können wichtige Sachverhalte direkt geklärt werden.
Es gibt viele weitere Instrumente, die dabei helfen, die Energiewende zu beschleunigen. Mit Blick auf erneuerbare Energien ist das zum Beispiel die Anbringung von Solarpanelen auf unseren Dächern, öffentlichen ebenso wie privaten. Nicht nur ihretwegen wird unsere Welt in Zukunft anders aussehen. Es wird mehr Windräder geben, aber auch weniger rauchende Schlote. Für mich ist das eine positive Entwicklung, vor allem natürlich, weil sie dem Klima hilft.
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Der Forschungsschwerpunkt von Silvia Schütte liegt auf dem nationalen und europäischen Umweltrecht. Die Juristin befasst sich im Institutsbereich Umweltrecht & Governance seit 2010 unter anderem mit dem Planungsrecht sowie der Partizipation im Umweltrecht. Sie hat zudem das Eigenprojekt „Energiewende möglich machen“ geleitet.