In Zukunft ein Vorbild
Es gibt nicht eine Lösung. Sondern sehr viele. Nicht ein Bereich, in dem etwas zu tun ist. Sondern sehr viele. Das ist dem Klimaschutz immanent. Auch, wenn es um Kommunen geht. Sie können sich auf den Weg machen. Von anderen Städten und Gemeinden lernen. Prioritäten setzen – vor allem auf jene Ansätze, die an anderen Orten bereits erfolgreich sind und ein besonders hohes Wirkungspotenzial haben. Welche das sind, dazu arbeitet das Öko-Institut in unterschiedlichen Projekten.
Rund 101 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente könnten deutsche Kommunen durch 38 unterschiedliche Maßnahmen einsparen – das ist ein Ergebnis der aktuellen Studie „Kommunales Einflusspotenzial zur Treibhausgasminderung. Beitrag kommunaler Maßnahmen zum nationalen Klimaschutz“ im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Das gemeinsame Projekt des Öko-Instituts, des Instituts für Energie- und Umweltforschung, des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und SCS Hohmeyer GmbH benennt unter anderem das Wirkungspotenzial verschiedener Instrumente in unterschiedlichen Einflussbereichen. So haben etwa der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur sowie ein Anschluss- und Benutzungszwang an dekarbonisierte Fernwärme für Bestandsgebäude mit Einsparungen von jährlich über fünf beziehungsweise acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten einen besonders hohen Einfluss auf die Treibhausgasbilanz.
Doch welche Voraussetzungen braucht es, damit die Maßnahmen umgesetzt werden können? Hierzu geben die Wissenschaftler*innen in ihrer Analyse Empfehlungen. „Wichtig ist es, verbindliche Klimaschutzaufgaben festzulegen und sicherzustellen, dass die Kommunen über ausreichende finanzielle Mittel verfügen“, sagt Senior Researcher Tanja Kenkmann. „Diese werden gebraucht, um entsprechendes Personal zu bezahlen. Klimaschutzmanager*innen haben eine zentrale Funktion: Sie planen und begleiten die anfallenden Aufgaben und ermöglichen so, dass vorhandene Klimaschutzpotenziale realisiert werden.“ Auch Jonathan Schreiber, Wissenschaftler im Bereich Ressourcen & Mobilität betont, wie wichtig eine stärkere Bündelung und Vernetzung ist. „So können unterschiedliche Themenfelder berücksichtigt werden, statt sich auf einzelne Punkte zu konzentrieren – der Ausbau des ÖPNV ebenso wie die Förderung von Elektrofahrzeugen oder auch Ansätze zur Wegevermeidung.“
Darüber hinaus ist es aus Sicht des Forschungsteams sinnvoll, kommunale Unternehmen in die Klimastrategie zu integrieren, den Klimaschutz stärker in Bundes- und Landesgesetzen zu verankern und dabei unter anderem eine verbindliche Klimaschutz-Berichterstattung einzuführen. „Das können die Kommunen aber nicht alles alleine stemmen“, sagt Tanja Kenkmann. „Wir brauchen flächendeckende Unterstützungsstrukturen und eine auskömmliche Finanzierung. Förderungen müssen weiterentwickelt und ausgebaut werden.“ Auch ein Leitfaden, der im Rahmen des Projektes entstanden ist, unterstützt Kommunen ganz konkret beim Klimaschutz. „Darin befindet sich etwa ein Sieben-Punkte-Plan mit den zentralen Schritten.“
Kommunale Wärmeplanung
Mit einer zentralen Maßnahme für mehr Klimaschutz – der kommunalen Wärmeplanung – hat sich das Öko-Institut im Projekt „Wärmewende: Die Energiewende im Wärmebereich“ befasst. „Die Wärmeplanung hat viele Vorteile. Sie zeigt den Kommunen, wie die Wärmeversorgung klimaneutral werden kann, koordiniert die dafür notwendigen Maßnahmen und relevanten Akteur*innen und gibt etwa den Gebäudeeigentümer*innen Planungssicherheit“, sagt die Wissenschaftlerin. „Darüber hinaus erhöht sie die Effizienz, da parallele Infrastrukturen vermieden werden.“
Ziel des Projektes für das BMWK sowie die Bundesstelle für Energieeffizienz im BAFA ist es, eine gesetzliche Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung zu unterstützen – inklusive Mindestanforderungen und eines einheitlichen methodischen Vorgehens. Eine Herausforderung dabei: „In unserem föderalen System hat der Bund keine rechtliche Handhabe, die Kommunen flächendeckend dazu zu verpflichten. Dies könnten nur die Länder.“ Da die Verfügbarkeit von Daten zentral ist für die Erstellung einer Wärmeplanung, muss aus Sicht des Projektteams darüber hinaus genau definiert sein, welche Daten wie erhoben und genutzt werden dürfen. „Es geht zum Teil um sensible, personenbezogene Daten – etwa mit Blick auf den Energieverbrauch. Hier müssen die Verhältnismäßigkeit gut begründet und der Datenschutz gewährleistet sein.“
Das Projektteam plädiert dafür, die bundesweite Verpflichtung zur Wärmeplanung zeitlich gestuft einzuführen. „Es gibt rund 700 Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohner*innen, in denen etwa 60 Prozent der Bevölkerung leben. Da auch Planungsbüros nur begrenzte Ressourcen haben, sollten in einem ersten Schritt zunächst größere Kommunen verpflichtet werden. Anschließend sollte die Pflicht schrittweise auf die kleineren Kommunen ausgeweitet werden.“ Mit Blick auf die Datenlage zeigt die Analyse, dass sich vor allem das amtliche Liegenschaftskataster-Informationssystem (ALKIS) der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder (AdV) eignet. „Dies kann durch kommunale Daten etwa zu Baujahr oder Etagenzahl der Gebäude sowie weitere Daten örtlicher Akteur*innen ergänzt werden. Flächendeckende Information zum Wärmebedarf und Wärmeverbrauch von Gebäuden gibt es bislang jedoch nicht. Hier können Daten der Energieversorgungsunternehmen und die digitalen Kehrbücher von Schornsteinfeger*innen weiterhelfen.“ Daten zur Versorgungsinfrastruktur liegen zudem bei den lokalen Energieversorgungsunternehmen vor. „Natürlich gibt es viele weitere Daten. Daher wäre es sinnvoll, ein bundesweites Register aufzubauen, das etwa auch Informationen zu den Potenzialen erneuerbarer Energien für die Wärmeerzeugung und Abwärmepotenziale enthält.“
Eine Frage der Finanzen
Schon heute unterstützen zahlreiche Förderungen des Bundes den Klimaschutz auch auf kommunaler Ebene. „So zum Beispiel der Umweltbonus für E-Pkw oder die erhöhten Regionalisierungsmittel, die dazu dienen, den ÖPNV attraktiver zu gestalten“, erklärt Jonathan Schreiber. Um den kommunalen Klimaschutz ausreichend zu finanzieren, brauche es aber eine dauerhafte Grundfinanzierung, das betont Tanja Kenkmann. „Ohne sie würde der Klimaschutz immer im Projektstatus verbleiben und könnte nicht strategisch in der Kommune verankert werden. Außerdem würde er bei knappen Mitteln zurückgestellt. Auch der Wegfall jener Mittel, die die Kommunen derzeit über die Stadtwerke erhalten, ist ein wichtiges Thema.“ Denn die Zukunft der Gasnetze spielt eine wichtige Rolle auch für die Haushalte von Städten und Gemeinden. „Die Kommunen erhalten Konzessionsabgaben der Gasversorger für die Nutzung der Leitungen, das ist eine erhebliche Einnahmequelle. Wenn diese wegfällt, betrifft das die finanziellen Mittel von Städten und Gemeinden. Aus meiner Sicht sollte dringend berechnet werden, wie stark sie das konkret treffen wird.“
Nachhaltigkeit erproben
Wie der Klimaschutz in Kommunen konkret gelingen kann, damit hat sich das Öko-Institut mit Blick auf drei Quartiere in Darmstadt beschäftigt: im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Transformative Strategien einer integrierten Quartiersentwicklung (TRASIQ)“. Im Fokus des zweiten Teils dieses Projektes (TRASIQ 2) standen dabei unter anderem Fahrradabstellplätze, eine nachhaltige Wärmeversorgung sowie die effiziente Wohnraumnutzung. „Ein wichtiges Element des Projektes war die Erprobung von so genannten Planungsforen, bei denen es darum ging, die Anwohner*innen stärker in die Stadtplanung einzubeziehen“, erklärt Jonathan Schreiber. Dieses Beteiligungsformat hat aus seiner Sicht ein wichtiges Ziel erreicht: den Austausch unter den Bewohner*innen zu ermöglichen und für Akzeptanz für Maßnahmen zu werben, die für manche vielleicht unangenehm sind. „Wenn Menschen mitsprechen können und ernst genommen werden, lassen sich tragfähigere Lösungen aufzeigen.“
Bereits im ersten Teil des gemeinsam mit der Wissenschaftsstadt Darmstadt, dem Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und team ewen durchgeführten Projektes haben die Expert*innen ein Tool entwickelt, das als Planungshilfe für Neubauquartiere am Beispiel des Darmstädter Ludwigshöh-Viertels dienen kann. In TRASIQ 2 wurde das Tool für Bestandsquartiere weiterentwickelt. „Damit lässt sich ermitteln und visualisieren, welchen Einfluss bestimmte Maßnahmen auf den Energieverbrauch und die Emissionen haben – so etwa unterschiedliche Sanierungsraten oder Wärmeversorgungstechnologien“, erklärt Tanja Kenkmann. „Dies kann der kommunalen Verwaltung bei der Kommunikation ihrer Klimastrategie helfen.“
Ein positives Bild
Klimaschutz in Kommunen ist bei Weitem kein einfaches Thema. Und oft eines, das mit gesellschaftlichen Konflikten verbunden ist. „Während sich die Radfahrerin wahrscheinlich über einen Pop-up-Radweg freut, ärgert sich der Autofahrer möglicherweise darüber, dass ihm eine Spur genommen wird“, sagt Schreiber. Ein wichtiger Schritt ist für ihn daher, immer wieder die positiven Seiten des Klimaschutzes zu vermitteln. „Neben Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit muss weiter intensiv an Lösungen gearbeitet werden, die die Interessen verschiedener Akteur*innen berücksichtigen“, betont seine Kollegin Tanja Kenkmann. „Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, nachhaltige Angebote wie den ÖPNV zu verbessern und auszubauen.“
Auch gute und erfolgreiche Ideen aus anderen Städten und Gemeinden können ein positives Bild vermitteln – und als Vorbild dienen. „Ich denke dabei zum Beispiel an Pittsburgh, wo es an öffentlichen Bussen eine Halterung für die Mitnahme von Fahrrädern gibt. Oder die Superblocks aus Barcelona, die als zusammengehörige Wohngebiete den Durchgangsverkehr auf die umliegenden Hauptstraßen leiten und als Idee mittlerweile auch in Berlin Fuß fassen.“ Zwei wertvolle Lösungen von vielen.
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Die Diplom-Geographin Tanja Kenkmann widmet sich im Bereich Energie & Klimaschutz unter anderem politischen Instrumenten, die den kommunalen Klimaschutz, die effiziente Wohnraumnutzung oder die energetische Gebäudesanierung voranbringen können. Jonathan Schreiber ist im Bereich Ressourcen & Mobilität angesiedelt, wo er sich unter anderem mit nachhaltiger Mobilität im ländlichen und urbanen Raum beschäftigt.