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Klimaschutz in Kommunen

Status quo und Herausforderungen - von Christiane Weihe

Der Bus? Fährt elektrisch! Die Gebäude? Werden auf höchsten Standard saniert! Städte und Gemeinden können in hohem Maße zum Klimaschutz beitragen. Über die Beratung von Bürger*innen und die energetische Sanierung der eigenen Gebäude zum Beispiel. Aber auch, indem sie kommunale Unternehmen wie Verkehrsbetriebe und Stadtwerke auf den Weg in Richtung Klimaneutralität bringen. Viele Kommunen engagieren sich schon heute stark für den Klimaschutz. Doch es gibt weiterhin ein hohes Potenzial, das noch nicht gehoben ist. Denn Städte und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen.

„Kommunen haben viele Gestaltungsspielräume, die sie besser nutzen können und sollten“, sagt Jonathan Schreiber, Wissenschaftler am Öko-Institut, „sie beschäftigen zahlreiche Mitarbeiter*innen, haben Einfluss in kommunalen Unternehmen und besitzen Liegenschaften sowie häufig eigene Fuhrparks.“ Und: Viele Kommunen engagieren sich bereits für den Klimaschutz. „Manche Kommunen haben etwa sehr hohe Zulassungszahlen bei E-Pkw, andere kümmern sich um eine gute Radverkehrsinfrastruktur.“ Ähnlich sieht es im Energiebereich aus. „Es passiert einiges etwa in der kommunalen Wärmeplanung oder auch der Umstellung auf erneuerbare Energien“, sagt Tanja Kenkmann, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz. Sie betont aber auch: Es passiert noch lange nicht genug: „In den vergangenen Jahren haben sich viele Städte und Gemeinden zwar ambitionierte Klimaziele gesetzt. Doch trotz aller Konzepte und Strategien ist es für viele schwer, diese Ziele auch zu erreichen.“

Doch warum ist der kommunale Klimaschutz eine solche Herausforderung? Etwa, weil es nicht die eine Kommune gibt. „Deutsche Städte und Gemeinden sind unglaublich divers. Sie sind unterschiedlich groß, liegen in Ballungsräumen oder auf dem Land, haben verschiedene Rahmenbedingungen aufgrund der Vorgaben auf Landesebene“, sagt Mobilitätsexperte Schreiber. So etwa bei der kommunalen Wärmeplanung. „In Baden-Württemberg müssen die großen Kreisstädte und Stadtkreise bis Ende 2023 einen Wärmeplan vorlegen. Ein guter Schritt, den unter anderem auch Hamburg und Thüringen gemacht haben und den möglichst alle Bundesländer gehen sollten“, so Tanja Kenkmann.

Aus Sicht der Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts sind viele Kommunen noch lange nicht ausreichend für wirkungsvolle Klimastrategien gerüstet. „Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe, die unterschiedliche Ämter und Verantwortliche betrifft“, sagt Schreiber, „darauf sind die bestehenden Verwaltungsstrukturen in der Regel nicht ausgerichtet.“ Darüber hinaus seien oft die notwendigen Kompetenzen nicht vorhanden. „Der Radverkehr hat in der Verkehrsplanung und der damit zusammenhängenden Ausbildung beispielsweise jahrzehntelang eine untergeordnete Rolle gespielt.“

Zusätzlich gibt es viele weitere Herausforderungen zu bewältigen – etwa mit Blick auf Klimaanpassung und Biodiversität. Aber auch das fehlende Personal macht den Kommunen zu schaffen. „Zum einen trifft der Fachkräftemangel auch die Kommunen hart. Zusätzlich fehlt es oft an finanziellen Mitteln, um zum Beispiel Klimaschutzmanager*innen zu beschäftigen, die den Klimaschutz in der Kommune koordinieren und voranbringen. Das sieht man etwa daran, dass selbst vorhandene Fördermittel für den Klimaschutz nicht abgerufen werden – es sind einfach nicht ausreichend personelle Ressourcen da“, sagt Senior Researcher Kenkmann. Aber auch weitere Klimaschutzaufgaben bräuchten dieses Personal. „Alleine die Sanierung von Gebäuden ist sehr zeitaufwändig – solche Projekte wollen geplant, umgesetzt und überwacht werden.“

Kommunale Eigenverantwortung stärken

Darüber hinaus gibt es Vorgaben auf Bundesebene, die den Klimaschutz in Kommunen bremsen können. „Die Straßenverkehrsordnung verhindert etwa, dass Städte und Gemeinden selbst entscheiden können, wo sie Tempo 30 einführen. Dabei reduziert dies, abhängig vom Verkehrsfluss, Emissionen und erhöht die Sicherheit für viele Verkehrsteilnehmer*innen“, sagt Jonathan Schreiber. „Doch obwohl der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorsieht, den Kommunen beim Straßenverkehr größere Spielräume zu verschaffen, gibt es hier bislang keine Bewegung. Dabei braucht es dringend eine Reform der Straßenverkehrsordnung. Man sollte den Kommunen hier deutlich mehr Handlungsfreiheiten geben. Sie haben einen besseren Einblick, was in ihrem Handlungsbereich sinnvoll und nötig ist.“ Das sehen offensichtlich auch viele Kommunen so: Über 500 von ihnen setzen sich derzeit in der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ für größere Entscheidungsbefugnisse ein. Zusätzlich verhindern aber auch Regelungen wie die Stellplatzpflicht im Bauordnungsrecht fast aller Länder eine nachhaltigere Mobilität. „Sie widerspricht dem Zielbild von autofreien Innenstädten.“

Im Energiebereich gibt es ebenfalls hemmende Rahmenbedingungen. „Es könnte zum Beispiel schon längst ein Verbot von Gas- und Ölheizungen geben, das dauert aus unserer Sicht viel zu lange“, so Kenkmann. „Zudem wurden bei der Gebäudesanierung durch die staatliche KfW zu lange auch zu niedrige Standards gefördert. Das hat sich inzwischen zum Glück geändert. Hier wurde viel Potenzial verschenkt.“

Mehr Transparenz

Ein aktuelles Projekt zeigt einen weiteren Weg, um zu verdeutlichen, wo der Klimaschutz in Kommunen steht: die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Im Projekt „Die Agenda 2030 durch Stadtentwicklung auf lokaler Ebene umsetzen“ für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung unterstützt das Öko-Institut gemeinsam mit der EBP Deutschland GmbH acht nationale und internationale Kommunen dabei, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen – darunter Cottbus, München und Mannheim, die Liverpool City Region und die Prefeitura Municipal de Maringá in Brasilien. „Wir wollen einen internationalen Austausch ermöglichen, damit die Kommunen von den jeweils unterschiedlichen Erfahrungen profitieren können“, erklärt Schreiber. Der Bericht wird auf den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen basieren. Ziel 11 strebt nachhaltige Städte und Gemeinden an. Schon heute lebt etwa die Hälfte der Menschen in Städten, bis 2050 werden es voraussichtlich zwei Drittel sein. „In der Agenda 2030 wird eine Nachhaltigkeitsberichterstattung auf nationaler Ebene angeregt. Zunehmend engagieren sich hier jedoch auch Kommunen“, sagt der Wissenschaftler.

Die Expert*innen sehen zahlreiche Vorteile der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Kommunen. „Etwa die Transparenz: So können sie sehen, wo sie stehen, wie sie sich entwickeln und wie sie zu Nachhaltigkeitszielen beitragen können – und dies auch ihren Bürger*innen kommunizieren.“ Zusätzlich sehen sie ein hohes Prestige in einem solchen Engagement. „Es eröffnet die Möglichkeit, auf nationale und internationale Prozesse Einfluss zu nehmen und so den Herausforderungen in den Kommunen aktiv entgegen zu wirken.“ Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts stärkt zudem die Zusammenarbeit innerhalb einer Kommune, sagt Tanja Kenkmann. „Diese ist ja essenziell für den Klimaschutz, er betrifft nun einmal alle Bereiche.“

In einem ersten Schritt haben die Wissenschaftler*innen die beteiligten Städte zum Status quo, den Zielen und Herausforderungen befragt. „Dabei zeigte sich zum Beispiel, dass die meisten Kommunen Klimaschutz als zentrales Thema betrachten. Herausforderungen sehen die städtischen Kommunen, die am Projekt beteiligt sind, vor allem darin, vielfältige Anforderungen in Einklang zu bringen: den demografischen Wandel und das Bevölkerungswachstum in manchen Städten, aber auch die mangelnden personellen und finanziellen Ressourcen.“

Herausforderungen gibt es also genug. Wie sieht es mit Lösungen aus?