Wir müssen nur wollen
Werbung für einen Job in der Landwirtschaft machen? Das fiele uns gerade nicht besonders leicht. Die Arbeit ist hart und die Bezahlung nicht besonders gut. Uns scheint es auch, als wären die Landwirt*innen mit den Anforderungen, den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung ähnlich unzufrieden wie die Beschäftigten in den Sozialberufen. Für die landwirtschaftlichen Betriebe kommt erschwerend der hohe Transformationsbedarf durch die Anpassung an den Klimawandel und für die Erreichung der Pariser Klimaziele hinzu.
Eine zukunftsfähige Landwirtschaft hieße: Breitere und resilientere Fruchtfolgen. Humusaufbau sowie eine höhere Strukturvielfalt durch Agroforstsysteme. Weniger Nutztiere, mehr Tierwohl. Geringere Düngeeinsätze. Weniger Pflanzenschutzmittel. Mehr Flächen etwa für Gemüsebau, Biomasse und den Umweltschutz. Mehr Biodiversität. Das bedeutet für die Landwirt*innen: Die Aufgabe von Betriebszweigen, eine Umstellung der Produktion und damit verbunden hohe Investitionen.
Die Landwirt*innen brauchen dringend Unterstützung, um ihre Betriebe umzustrukturieren. Doch bislang steht die Politik hier mit leeren Händen da. Der Umbau der Tierhaltung kommt bisher nicht über eine Kennzeichnungspflicht hinaus. Die Höhe des Tierbestandes ist noch immer kein Thema, obwohl immerhin knapp 80 Prozent der Emissionen aus der Landwirtschaft und Landnutzung auf die Tierhaltung zurückgehen. Dagegen ist die politische Gestaltung in den anderen Sektoren bereits viel konkreter. Für den Energiesektor stehen mit dem Emissionshandel und der Förderung erneuerbarer Energien zwei funktionierende Instrumente bereit. Für das Dekarbonisierungsprogramm der Industrie sind Milliarden in den Haushalt eingestellt, Elektroautos werden komfortabel gefördert, das Gebäudeenergiegesetz setzt den Rahmen bei Neubauten und nun steht sogar die Abwrackprämie für alte Ölheizungen im Raum. Auch das wird noch nicht genug sein, aber es ist weiter gediehen und zeigt einen Weg in die Zukunft. Selbst ein solches Zukunftsbild fehlt der Landwirtschaft. Dabei muss Deutschland innerhalb der Abschreibungsdauer eines Stallneubaus von etwa 20 Jahren klimaneutral sein. Das bedeutet: In 21,5 Jahren müssen wir das heute Unvorstellbare schon realisiert haben. Wir brauchen Mut für politische Beschlüsse und wir brauchen ihn jetzt.
Darüber hinaus braucht es viel Geld. Die bereitgestellten Mittel der europäischen Agrarförderung sind für die Transformation des Sektors weder ausreichend noch zielgerichtet. Entsprechend sind weitere nationale Mittel notwendig. Diese sollten sich aus verschiedenen Quellen speisen. Wir brauchen öffentliche Gelder für ein Zukunftsprogramm Landwirtschaft aus Steuern sowie private Gelder durch ein Umlagesystem für die Landwirtschaft, ähnlich dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Auch der Sektor selbst muss natürlich einen Beitrag leisten, zum Beispiel in Form eines Emissionshandels oder einer Treibhausgas-Bepreisung. Wirksame Instrumente und Förderungen würden dabei auf hochflexible, gut ausgebildete und ökonomisch agierende Landwirt*innen treffen.
Den Mut verlieren? Kommt für uns nicht in Frage. Eine zukunftsfähige Landwirtschaft bringt uns allen eine höhere Lebensqualität, mehr Gesundheit, schönere Landschaften. Aber die Politik darf sich nicht nur an die Landwirtschaft wenden, sondern muss auch die Verbraucher*innen einbeziehen. Wie wir uns ernähren, spielt eine immense Rolle dabei, was und wie die Landwirtschaft produziert. Klarer als bislang muss den Konsument*innen daher der richtige Weg gewiesen werden. Und der Preis spielt eine zentrale Rolle. Wenn Fleisch und Milch teurer werden, sinkt ihr Konsum. Ein erster einfacher Schritt könnte eine höhere Mehrwertsteuer für Lebensmittel tierischen Ursprungs sein. Angemessene Preise sorgen zudem für ein vernünftiges Auskommen der Landwirt*innen.
Nur wenn alle an einem Strang ziehen, können wir die Kraft entwickeln, die für diese Mammutaufgabe dringend notwendig ist. Für die Zukunft von Landwirt*innen – und unseres Planeten.
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Eine nachhaltige Landwirtschaft steht im Fokus der Arbeit von Margarethe Scheffler und Kirsten Wiegmann, die beide als Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts tätig sind. Gemeinsam beschäftigen sie sich mit Treibhausgasinventaren sowie deren Monitoring und Überprüfung und bewerten und entwickeln politische Instrumente für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.