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Im Fokus

Grenzenloses Wachstum

KI und Stromverbrauch

Christiane Weihe

Künstliche Intelligenz kann nicht nur viel, sie braucht auch viel. Die großen Datenmengen und vielen Rechenprozesse, die mit ihr verbunden sind, benötigen jede Menge Energie. Wenn zum Beispiel ChatGPT eine Frage beantwortet, braucht die KI hierfür drei bis zehn Mal so viel Strom wie eine klassische Suchmaschine. Und auch die Entwicklungsphase dieses beliebten Large Language Models hat einen hohen Umweltfußabdruck – allein das Trainieren der Version GPT 3 hat schätzungsweise 500 Tonnen CO2 verursacht. Durch die enorme Beliebtheit solcher Systeme wird sich ihr Stromverbrauch in den kommenden Jahren deutlich erhöhen. Wie sich dem – auch im Sinne der Energiewende – entgegenwirken lässt, dazu arbeitet das Öko-Institut in zahlreichen Projekten.

Laut einer Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) wird sich der weltweite Energieverbrauch von Rechenzentren wegen des KI-Trends zwischen 2022 und 2026 auf jährlich mehr als 1.000 Terawattstunden verdoppeln. Das entspricht einer Steigerung um 21 Prozent pro Jahr. Ein Ende dieses Trends ist nicht absehbar. Befeuert wird diese Entwicklung vor allem durch die so genannten Hyperscaler, riesige Rechenzentren etwa von Google, Microsoft oder Amazon. „Wie problematisch dieses Wachstum ist, zeigt sich anschaulich in Irland. Rechenzentren kommen hier schon auf ein Fünftel des inländischen Stromverbrauchs. Das bedroht die nationalen Klimaschutzziele und erhöht die Strompreise für die Verbraucher*innen. Deswegen entwickelt sich dort eine Bürgerbewegung, die die weitere Ansiedlung von Rechenzentren verhindern möchte“, sagt Jens Gröger vom Öko-Institut. In Deutschland gehen derzeit etwa 3,5 Prozent des Strombedarfs auf Rechenzentren zurück, Tendenz deutlich steigend. „Wir sehen die Entwicklung zum Beispiel in Frankfurt. Hier ist einer der europaweit größten Internetknoten und zwanzig Prozent des Frankfurter Stroms fließen in Rechenzentren.“

Dies alles geschieht vor dem Hintergrund einer sich elektrifizierenden Gesellschaft. Wärmepumpen, Elektromobilität, Wasserstoffwirtschaft, auch sie benötigen viel Strom. „Anders als bei diesen Beispielen, wo sich eine Verschiebung von fossilen zu erneuerbaren Energien vollzieht, sehen wir bei künstlicher Intelligenz aber einen zusätzlichen Energiebedarf, der durch neue Dienstleistungen entsteht. Dieses Wachstum gefährdet die Energiewende“, so der Forschungskoordinator Nachhaltige digitale Infrastrukturen.

Die großen Techkonzerne bringt der Erfolg ihrer Geschäftsmodelle ebenso in die Bredouille. Denn sie haben Klimaneutralität bis spätestens 2030 versprochen. „Jetzt wird aber klar, dass sie den Strombedarf mit erneuerbaren Energien nicht decken können. Deswegen bringen sie Atomenergie ins Spiel – aus meiner Sicht ein Akt des Größenwahns.“ So hat etwa Microsoft die Reaktivierung des stillgelegten Kernkraftwerks Three Mile Island in Pennsylvania initiiert, wo 1979 eine partielle Kernschmelze geschah. Google und Amazon setzen auf kleine Reaktoren, die so genannten Small Modular Reactors. „Doch diese vermeintlichen Lösungen kommen mit Risiken, die wir von der Atomkraft schon kennen – so ungelösten Sicherheits- und Entsorgungsfragen“, sagt Jens Gröger. „Spätestens damit hat die Digitalisierung aus meiner Sicht ihre Unschuld verloren, spätestens jetzt sollten wir uns die Frage stellen: Sind wir wirklich bereit, nukleare Risiken in Kauf zu nehmen, nur um ein paar lustige Bilder zu generieren?“

Option Effizienz

Es gibt aber auch Wege, den Strombedarf von digitalen Infrastrukturen durch Effizienzmaßnahmen zu reduzieren. Mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel für Rechenzentren“ haben die Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts im Auftrag des Umweltbundesamtes gezeigt, wo die wichtigsten Stellschrauben liegen. Mit dem „Blauen Engel für Software“ haben sie den Energieverbrauch von digitalen Dienstleistungen mess- und optimierbar gemacht. Jedoch werden solche freiwilligen Instrumente in der Praxis nur selten genutzt. Eine erfreuliche Nachricht ist daher, dass das Energieeffizienzgesetz die Grundlage für ein nationales Effizienzregister für Rechenzentren geschaffen hat. „Wir wissen bislang viel zu wenig über den tatsächlichen Energie- und Ressourcenverbrauch von Rechenzentren. Durch die verpflichtende Veröffentlichung von umweltrelevanten Kennzahlen hoffen wir auf einen Effizienzwettbewerb innerhalb der Branche.“ Im Projekt „Public Energy Efficiency Register of Data Centres“ (PeerDC) haben die Expert*innen im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) zusammen mit der Universität Stuttgart (IER) und anderen Projektpartnern die Grundlagen für ein solches Register geschaffen. „Wir haben ein Bewertungssystem und eine Bewertungssoftware entwickelt, die unterschiedliche Kriterien berücksichtigt, neben der Effizienz der Gebäudetechnik auch die Performance der Informationstechnik“, erklärt Jens Gröger. „Darüber hinaus haben wir analysiert, ob und wie eine Effizienzkennzeichnung für Rechenzentren europaweit ausgerollt werden könnte.“ Damit würden Kund*innen zukünftig erkennen, welches Rechenzentrum am umweltverträglichsten arbeitet.

Der Umweltfußabdruck

Selbst eine Entscheidung treffen – das sollen auch jene können, die vor dem Computer oder am Smartphone sitzen. Im Projekt „eco:digit – Enabling green computing and digital transformation” arbeitet das Öko-Institut unter anderem mit der Open Source Business Alliance (OSBA) und dem Software-Entwickler Adesso an der Möglichkeit, die Umweltbelastungen jeder digitalen Dienstleistung zu bilanzieren. Das von der Gesellschaft für Informatik koordinierte Projekt wird vom BMWK gefördert. „Ziel ist es, für konkrete Software-Anwendungen einen Umweltfußabdruck zu berechnen, der neben den Treibhausgasemissionen auch den Rohstoff- und Wasserverbrauch und weitere Umweltbelastungen berücksichtigt.“ Hierfür erstellt das Projektteam eine Simulationsumgebung: Auf diesem so genannten Prüfstand können dann mobile Apps, Desktop- und Cloud-Anwendungen bewertet werden. „Das Öko-Institut hat eine Methodik dazu entwickelt, mit der die Herstellung, der Betrieb und die Entsorgung der Hardware erfasst und der jeweiligen Software zugeordnet werden können.“ Damit die Methodik eine breite Anwendung findet, wird diese auch in die internationale Standardisierung eingebracht.

Das Gute zum Schluss

Auch bei der Effizienz gilt: Künstliche Intelligenz hat positive Seiten, sie kann technische Prozesse optimieren – etwa bei der bestmöglichen Nutzung der erneuerbaren Energien. „Es ist aber bislang völlig unklar, wie groß diese positiven Effekte sind und ob sie den erhöhten Strombedarf ausgleichen können“, sagt der Forschungskoordinator. „Eine Technikfolgenabschätzung ist unverzichtbar, damit KI uns mehr nutzt als schadet. Hätte man eine solche zum Beispiel bei der Atomkraft gemacht, hätte man mit Blick auf die nuklearen Risiken vielleicht sogar gänzlich auf sie verzichtet. Und das könnte bei gewissen KI-Anwendungen ebenfalls sinnvoll sein.“

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Nachhaltige Informations- und Kommunikationstechnik steht im Mittelpunkt der Arbeit von Jens Gröger. Der Diplom-Ingenieur für Energie- und Verfahrenstechnik beschäftigt sich als Forschungskoordinator Nachhaltige digitale Infrastrukturen mit energieeffizienten Rechenzentren und IT-Infrastrukturen ebenso wie mit den Umweltauswirkungen von Software und Cloud-Diensten.

Ansprechpartner am Öko-Institut

https://www.oeko.de/