Klimaschutz von unten

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Wir stehen und laufen auf ihnen herum und sehen doch ihre Bedeutung oft nicht. Böden liefern Nahrungsmittel, speichern Wasser und sind entscheidend für die Biodiversität sowie die langfristige Stabilität unseres Ökosystems. Und nicht zuletzt: Sie haben die besondere Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden und sind damit unverzichtbar für den Klimaschutz. Weltweit speichern Böden mindestens so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre und alle Pflanzen zusammen. Und diese Menge lässt sich sogar erhöhen. Besonders wirksam ist es, Moore wiederzuvernässen. Doch auch die Agroforstwirtschaft, die Bäume und Sträucher auf die Äcker bringt, verbesserte Fruchtfolgen oder die Umwandlung von Acker- in Grünland lohnen sich für den Klimaschutz.
Solche Maßnahmen sind dringend notwendig, denn etwa durch Überdüngung und Monokulturen sind die Kohlenstoffvorräte in den Böden zurückgegangen. Die Frage der Finanzierung wird jedoch kontrovers diskutiert. Denn wenn Landwirt*innen klimafreundlicher arbeiten, können ihre Erträge sinken und zusätzliche Kosten entstehen. Wie kann ein Umdenken in Gang gesetzt werden und welche Anreize braucht es dafür?
Immer wieder werden die freiwilligen Kohlenstoffmärkte ins Spiel gebracht, um klimafreundliche Landwirtschaft zu fördern. Tatsächlich gibt es zahlreiche Zertifikate aus landwirtschaftlichen Projekten, die von großen Kohlenstoffprogrammen wie dem Climate Action Reserve angeboten werden. Darüber hinaus existieren nationale oder lokale Zertifizierungsprogramme wie das französische Label Bas Carbone oder die Humus-Zertifikate der Ökoregion Kaindorf in Österreich. Wie wirksam sind diese für den Klimaschutz? Damit haben wir uns im Projekt „Funding climate-friendly soil management” gemeinsam mit dem Ecologic Institute und der Universität Gießen im Auftrag des Umweltbundesamtes beschäftigt. Die wesentliche Erkenntnis vorab: Für eine klimafreundliche Bodenbewirtschaftung eignen sich Kohlenstoffzertifikate, die zum Ausgleich von Emissionen (Offsetting) verwendet werden, nicht. Denn wer ein solches Zertifikat kauft, kann nie sicher sein, dass die naturnahe Bewirtschaftung nicht ein Jahr später schon wieder Geschichte ist und der gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt wurde. Unsicher ist auch, ob die Maßnahmen nicht sowieso umgesetzt worden wären und die Kohlenstoffspeicherung daher überhaupt zusätzlich ist. Darüber hinaus ist eine Quantifizierung der Klimaschutzwirkung hier sehr schwierig. Böden sind so komplexe Systeme, dass man bei Messungen des Kohlenstoffgehalts an drei verschiedenen Stellen sehr wahrscheinlich drei verschiedene Ergebnisse bekommt. Zudem ist schwer nachzuweisen, wie sich eine andere Bewirtschaftungsweise auf den Kohlenstoffgehalt im Boden auswirkt. Es besteht das Risiko, dass durch die Nutzung solcher Zertifikate am Ende mehr Emissionen in die Atmosphäre gelangen als dies ohne Zertifikate der Fall gewesen wäre.
In der Analyse für das Umweltbundesamt zeigen wir auch: Es gibt sinnvolle Ansätze zur Finanzierung des Bodenschutzes. So etwa handlungsbasierte Förderungen, bei denen Landwirt*innen dafür bezahlt werden, eine definierte Maßnahme umzusetzen und die geringe Kosten etwa fürs Monitoring mit sich bringen. Diese eignen sich besonders, wenn das Risiko gering ist, dass der gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt wird – etwa bei der Wiedervernässung von Mooren. Zudem können Zertifikate aus klimafreundlicher Bodenbewirtschaftung für Contribution Claims genutzt werden, also finanzielle Beiträge, die nicht dazu dienen, die eigene Emissionsbilanz zu reduzieren. Wegen der zentralen Rolle von Böden für den Klimaschutz müssen aber vor allem die Anreize für naturbasierte Lösungen in der EU gestärkt und in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) geregelt werden. Zudem braucht es ordnungsrechtliche Vorschriften und einen grundsätzlichen Wandel – hin zu einem geringeren Konsum tierischer Produkte und damit einem geringeren Bedarf an landwirtschaftlich genutzten Flächen. Private Finanzierungsinstrumente können nur eine Ergänzung sein.
Ein positives Beispiel für positive Anreize sehen wir in Großbritannien. Da das Land nach dem Brexit aus den Förderungen der GAP herausgefallen ist, musste ein neues System her. Unter der Überschrift „Environmental Land Management“ (ELM) verändert sich die finanzielle Unterstützung der Landwirtschaft. Sie richtet sich nun stärker als zuvor nach nachhaltigen Bewirtschaftungsmethoden und belohnt etwa, wenn natürliche Lebensräume wiederhergestellt werden. Und dazu gehören selbstverständlich auch die Böden.
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Anne Siemons forscht seit 2013 im Bereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts. Sie befasst sich mit internationaler Klimapolitik und Anrechnungsregeln für die Erreichung von Klimazielen ebenso wie mit Risiken in Bezug auf Kohlenstoffmärkte.