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Im Fokus

Der Baum hat Potenzial

Wälder als natürliche Kohlenstoffsenken

Christiane Weihe

Wer an die Fähigkeit der Natur denkt, Kohlenstoff aufzunehmen, sieht wahrscheinlich als erstes einen Wald vor sich. Und tatsächlich sind Bäume sehr effektive Kohlenstoffspeicher. So konnte im Jahr 2021 hierzulande eine Waldfläche von der Größe eines Fußballfeldes im Mittel 1,8 Tonnen CO2 zusätzlich einspeichern. Doch die Funktion der Wälder als Kohlenstoffsenken ist in Deutschland bedroht. Durch die intensive Holznutzung ebenso wie das Absterben ganzer Bestände im Zuge von Extremwetter­ereignissen. Das Kohlenstoffinventar 2017 verzeichnet den heimischen Wald noch als Kohlenstoffsenke, die jährlich 62 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnimmt. Die Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts vermuten jedoch, dass er in den Jahren 2018 bis 2020 zur Kohlenstoffquelle geworden ist. Sie forschen auch zu der Frage, was den Wald am meisten belastet und wie er in Zukunft wieder mehr Kohlenstoff aufnehmen und speichern kann.

„Die Senkenleistung der Wälder in Deutschland dürfte sich seit dem letzten Kohlenstoffinventar im Jahr 2017 deutlich verändert haben – zwischen 2018 und 2020 sind viele Bäume abgestorben“, sagt die Waldexpertin Dr. Mirjam Pfeiffer aus dem Bereich Energie & Klimaschutz. Das liegt nicht nur an Hitze und Trockenheit, sondern auch am Befall mit Schädlingen wie Borken- oder Buchenprachtkäfern sowie Parasiten und Pilzen. Denn wenn Bäume durch Klimaextreme geschwächt sind, können sie sich dagegen nicht mehr so gut wehren. „Die Nadelholzbestände sind daher wahrscheinlich in Summe zu einer Kohlenstoffquelle geworden. Genau werden wir das aber erst wissen, wenn die Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur in diesem Jahr öffentlich sind.“

Mehr Nadelholz

Wie steht es also um den Wald und seine Fähigkeiten, Kohlenstoff zu binden? Und wie wirkt sich die energetische und stoffliche Holznutzung darauf aus? Eine aktuelle Analyse des Öko-Instituts und von INFRO hat die voraussichtliche Waldentwicklung in Deutschland bis 2076 mit der zu erwartenden Holznachfrage abgeglichen. Sie zeigt, dass die Nachfrage nach Laubholz abnehmen und nach Nadelholz zunehmen wird. „Das betrifft insbesondere das Holz von Nadelbäumen wie Fichten, da dieses in vielen unterschiedlichen Produkten zum Einsatz kommt – im Bau und für Möbel ebenso wie für Verpackungen oder Papier“, sagt Dr. Mirjam Pfeiffer. „Unsere Ergebnisse aus dem Waldmodell zeigen, dass diese hohe Nachfrage nach Nadelhölzern Altbestände abschöpft. Ab 2035 kann nur noch geerntet werden, was nachwächst. So fehlen danach jährlich zwischen 20 bis 25 Millionen Kubikmeter an Nadelholz, das importiert werden müsste.“ Die Nachfrage nach Laubholz, das vor allem zur Energiegewinnung genutzt wird, kann aus heimischen Beständen gedeckt werden. „Wir erwarten sogar, dass das Laubholzvolumen bis 2050 deutlich ansteigt, da weniger Laubholz eingeschlagen wird als nachwächst.“

Das Projekt „BioSINK – Auswirkungen der energetischen Nutzung forstlicher Biomasse in Deutschland auf deutsche und internationale LULUCF-Senken“ für das Umweltbundesamt arbeitet mit einem Referenzszenario sowie drei unterschiedlichen Szenarien zur energetischen Holznutzung. Sie betrachten neben der stofflichen Nutzung von Holz etwa als Baumaterial unterschiedliche Entwicklungen bei der Verbrennung von Holz zur Energiegewinnung sowie drei verschiedene Annahmen zu natürlichen Schäden beispielsweise durch Trockenheit, Sturm oder Käferbefall. Das Referenzszenario geht von der zu erwartenden Entwicklung aus. Mit Blick auf die Fähigkeit der Wälder, CO2 zu binden, erwarten die Wissenschaftler*innen, dass Nadelbestände in Summe bis 2035 eine Kohlenstoffquelle bleiben. „Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage können etwa Politiker*innen unter anderem die Ökosystemleistungen der Wälder besser beurteilen. Dies kann auch dabei helfen, politische Instrumente zur Holznutzung und Waldbewirtschaftung zu entwickeln und etwa die Nationale Biomassestrategie auszugestalten“, so Dr. Klaus Hennenberg, Senior Researcher am Öko-Institut. Im Waldklimafonds-Projekt DIFENs werden diese Fragestellungen weiter vertieft. „Dabei betrachten wir die Holznachfrage und Klimaveränderungen ebenso wie natürliche Störungen und die Entwicklung der Wälder. Im Fokus stehen aber auch politische Anforderungen und Reaktionsmöglichkeiten der Forst- und Holzwirtschaft.“

Experimente mit Wald

Wir stehen vor großen Herausforderungen, was den Wald angeht und haben gleichzeitig kaum Erfahrung mit dem, was auf uns zukommt, sagt Mirjam Pfeiffer. „Wir laufen in eine Situation hinein, die mit nichts vergleichbar ist, das wir kennen. Extremwetter, ein steigender Nutzungsdruck, massives Absterben – noch nie gab es in so kurzer Zeit so große Veränderungen. Daher gibt es auch kein Patentrezept für den notwendigen Waldumbau, hier muss man ein Stück weit experimentieren.“ So könnten in forstlichen Versuchsanstalten heimische Bäume unterschiedlicher Herkunft angepflanzt werden, um herauszufinden, welche am besten wachsen. „Aber auch ein Blick auf die Genetik ist wertvoll. Wenn Buchen, die am selben Standort stehen, unterschiedlich leiden, lohnt es sich herauszufinden, warum das so ist. Hier sollte man auch ein wenig auf den Selektionsprozess der Natur vertrauen.“ Auch die Option, vermehrt nicht-heimische Arten wie die Douglasie anzupflanzen, steht oft im Raum. „Sie wächst etwa um gut 20 Prozent schneller als Fichte und hat tolle Holzeigenschaften“, erklärt die Wald­expertin. „Aus naturschutzfachlicher Sicht ist dieses Vorgehen aber umstritten, weil wir nicht abschätzen können, welche Auswirkungen es auf andere Ökosystemfunktionen hat. Hier ist eine gründliche Abwägung mit Schutzzielen nötig und Douglasien sollten nur in Mischung mit einheimischen Baumarten wie Rotbuchen angepflanzt werden.“

Weniger Holz verbrennen

Eine klare Haltung haben die Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts auch zur Frage, ob Holz aus dem Wald weiterhin zur Energiegewinnung eingesetzt werden sollte. „Das sollte man wirklich auslaufen lassen. Aus Treibhausgassicht ist es immer besser, den Kohlenstoff gespeichert zu halten, in Wäldern – wenn diese gesund sind – oder als langlebiges Holzprodukt“, sagt Dr. Klaus Hennenberg. „Darüber hinaus sind die Emissionen bei der Verbrennung von Holz mit 367 Kilogramm CO2 je Kilowattstunde erzeugter Energie deutlich höher als bei Erdgas oder Heizöl. Hier liegen sie bei 202 beziehungsweise 288 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde. Wir müssen zuerst aus den fossilen Energien und dann aus der Holzverbrennung aussteigen – übrigens auch, weil dabei Feinstaub entsteht, der die Gesundheit belastet.“ Eine sinnvolle Alternative zur Holzenergie sei etwa die Wärmepumpe, die mit erneuerbarem Strom betrieben wird.

Und jetzt?

Wälder können als natürliche Senken ein beachtliches Potenzial für den Klimaschutz entfalten. „Vor allem in ökologisch stabilen Laubmischwäldern an geeigneten Standorten kann der Holzvorrat aufgebaut werden. Fehlbestockte Fichtenreinbestände sollten zu klimaresilienten Beständen umgebaut werden. Geerntetes Holz sollte für langlebige Produkte genutzt werden, für die es dann zusätzlich ein Recycling gibt“, sagt Hennenberg. Ein sorgsamer Umgang mit den Wäldern dient nicht allein dem Klima, sondern auch der Biodiversität. „In strukturreichen und alten Wäldern finden sich mehr Habitate, die gefährdeten Waldarten wie etwa Käfern, Fledermäusen, Vögeln und Pilzen als Lebensraum dienen.“ Dr. Mirjam Pfeiffer betont zudem: „Wir haben nicht mehr viel Zeit – denn Wälder schießen nicht von heute auf morgen in die Höhe. Es passiert nicht genug, um den Wald zu schützen und wiederherzustellen. Und das, was passiert, geschieht deutlich zu langsam.“ Damit Bäume ihr Potenzial als Kohlenstoffspeicher rechtzeitig und voll entfalten können, braucht es daher auch einen passenden politischen Rahmen.

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Dr. Mirjam Pfeiffer ist Geoökologin und forscht seit 2022 für das Öko-Institut. Sie beschäftigt sich etwa mit der Klimastabilität der deutschen Wälder, einer nachhaltigen Holz- und Waldnutzung sowie der zukünftigen Entwicklung der Waldbestände. Der Biologe Dr. Klaus Hennenberg ist seit 2007 im Bereich Energie & Klimaschutz tätig. Hier widmet er sich unter anderem Nachhaltigkeitskriterien zur Biomasseproduktion sowie der Modellierung der Entwicklung im LULUCF-Sektor.

Ansprechpartnerin und -partner am Öko-Institut