Meeresgärtner
Christiane Weihe
Die meisten schwimmen wahrscheinlich achtlos an ihm vorbei. Oder ärgern sich sogar über seine Halme, die beim Tauchen die Sicht versperren oder beim Paddeln an den Flossen hängen bleiben. Dabei ist Seegras eine zentrale Pflanze der Ozeane. „Das ganze Mittelmeer dreht sich ums Seegras, ein Drittel der Lebewesen ist daran gebunden – so zum Beispiel Fische, Krebse oder Schildkröten“, sagt der Meeresbiologe Manuel Marinelli. Und: Seegras bindet immense Mengen Kohlenstoff. „Seegraswiesen können 15 bis 50 Mal mehr CO2 binden als Regenwälder mit gleicher Fläche. Sie haben damit eine ähnlich große Speicherkapazität wie Mangrovenwälder. 25 Millionen Tonnen CO2 binden Seegraswiesen nach Schätzungen weltweit jedes Jahr.“ Der Grund hierfür ist das schnelle Wachstum des Seegrases. „Die Blätter wachsen pro Woche einige Zentimeter und produzieren so eine riesige Photosynthese-Fläche.“
Eine gesunde Seegraswiese hat pro Quadratmeter 700 so genannte „Shoots“, also Büschel, aus denen vier bis acht Blätter wachsen. Solche Wiesen finden Marinelli und sein Forschungsteam von der NGO „Project Manaia“, die auch von der Deutschen Stiftung Meeresschutz (DSM) unterstützt wird, nur noch selten. „Bei 1.560 Wiesen, die wir in den vergangenen vier Jahren besucht haben, waren nur zwei gesunde Seegraswiesen dabei.“ Ein weltweites Problem: Ein Viertel aller Seegrasarten gilt bereits heute als bedroht. Und auch Kartierungen, die Marinelli im Rahmen von Manaia im Mittelmeer seit sechs Jahren durchführt, verdeutlichen den besorgniserregenden Schwund. „Das Seegras geht jährlich um etwa 20 Prozent zurück. Dies hat unterschiedliche Ursachen. Eines der größten Probleme ist die Schleppnetzfischerei, bei der hunderte Meter Seegras auf einmal aus dem Meeresboden gezogen werden. Aber auch die Anker von Sportbooten, die höhere Wassertemperatur und die konstante Überdüngung schädigen das Seegras immens.“ Diese Schäden wieder zu reparieren, dauert Jahre. „Eine Seegraswiese wächst pro Jahr nur um einen Zentimeter zur Seite.“
Im Rahmen von Manaia hat Marinelli auch die Initiative „Die Meeresgärtner“ ins Leben gerufen. Ihr Ziel: Samen und ausgerissene Pflanzen wieder zurück in die Seegraswiesen zu bringen, sie so zu stärken und wiederherzustellen. Hierfür arbeitet er mit Tauchbasen im ganzen Mittelmeer zusammen – in Frankreich und Italien ebenso wie in Kroatien, auf Malta oder Korsika. Hier können Urlauber*innen Seegrassamen und ausgerissene Pflanzen abgeben, die von geschulten Taucher*innen wieder eingesetzt werden. „Wir planen, das Projekt in diesem Jahr auch auf Griechenland auszuweiten.“
Marinelli leistet damit eine Arbeit, die nicht alleine der Kohlenstoffspeicherung dient, sondern dem Erhalt des Lebensraums Mittelmeer insgesamt. „Wenn wir das Seegras verlieren, ist das Mittelmeer über kurz oder lang erledigt. Denn damit verschwinden auch die Tiere, die direkt daran gebunden sind. Danach ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis weitere Arten aussterben.“
Weitere Informationen
Projekt Manaia
Manuel Marinelli
Mannstorffer Straße 15
9800 Spittal an der Drau
Österreich
Mail: manuel@projectmanaia.at