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Editorial

Für eine neue Trennkultur

Das Vorwort von Jan Peter Schemmel, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts

Knapp 30.000 Tetrapacks habe ich aus dem Müllstrom gezogen, in einer einzigen Schicht. Gezählt habe ich das Mitte der 1990er Jahre, als ich in einer Sortieranlage für ein paar Tage Abfälle manuell getrennt habe. Wahrscheinlich mit die lehrreichsten Berufstage meines Lebens – mit Einblicken in unsere Trenn- und Wegwerfkultur ebenso wie in den immensen Konsum von Plastikverpackungen.

Wir sollten Plastik nicht grundsätzlich verdammen, denn es hat ohne Frage viele gute Eigenschaften. Art und Umfang, wie wir Plastik konsumieren und entsorgen, ist aber schon lange ein Problem, vor allem für die Umwelt. Die Bilder von Meerestieren, die so viel Plastik fressen, dass sie bei vollem Magen verhungern, gehen wohl niemandem schnell aus dem Kopf. Aber auch Mikroplastik-Partikel sind ein Problem für unsere Ökosysteme.

Zwar hat sich der Anteil an wiederverwerteten Kunststoffen seit meiner Zeit in der Sortieranlage erhöht, ein drastisches Wachstum hat in dieser Zeit aber vor allem ihre Verbrennung zur Energiegewinnung hingelegt. Gleichzeitig steigt zudem der Verbrauch von Verpackungen, er lag 2017 hierzulande auf einem neuen Höchststand von 18,7 Millionen Tonnen. Gerade Kunststoffe haben dabei deutlich zugelegt.

Die Verringerung unseres Plastikkonsums ist eine dieser Herausforderungen, die unsere gesamte Gesellschaft betrifft. Wir brauchen eine Wirtschaft, die auf einen möglichst sparsamen Rohstoffeinsatz und Recyclingfähigkeit achtet. Einen Handel, der so weit wie möglich Verpackungsaufkommen reduziert. Eine Politik, die klare Vorgaben etwa in punkto Rezyklateinsatz macht und bestimmte Produkte auch einfach verbietet wie etwa im Rahmen der Einweg-Plastik-Richtlinie der EU. Hier ist gerade viel in Bewegung, auch mit Blick auf den Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft im Rahmen des europäischen Green Deal, der das Müllaufkommen reduzieren soll.

Und natürlich braucht es uns Verbraucherinnen und Verbraucher. Unserem Ruf als weltbeste Mülltrenner werden wir immer weniger gerecht: Laut einer forsa-Umfrage achten nur noch 65 Prozent der 18 bis 29-Jährigen auf eine konsequente Mülltrennung, während es in der Generation 60+, die die Einführung der Mülltrennung mitgemacht haben, immerhin 86 Prozent sind. Neben der Trennkultur ist aber auch das Bemühen aller entscheidend, möglichst wenig „Einmal-Plastik“ zu verwenden. Meine Kinder bekommen zum Beispiel in Restaurants schon länger keine Strohhalme mehr und ich kaufe Obst und Gemüse weitestgehend lose. Sie haben auch gute Tipps für weniger Plastik? Dann freue ich mich, von Ihnen zu hören.

Ihr

Jan Peter Schemmel

j.schemmel@oeko.de