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Im Fokus

“Ein solches Event hilft, Berührungsängste abzubauen“

Interview mit Wiebke Linnemann-Schweizerhof (Special Olympics Deutschland)
Wiebke Linnemann-Schweizerhof

Christiane Weihe

Wir denken meist zuerst an Pappbecher und energiefressende Stadionbeleuchtung. Doch nachhaltige Veranstaltungen haben eine weitere, die soziale Seite. Sie betrachtet etwa, dass es einen diskriminierungsfreien Raum gibt, aber auch, dass in den Lieferketten von Sportgeräten Menschenrechte berücksichtigt werden. Bei den Special Olympics steht die soziale Nachhaltigkeit besonders im Fokus. Die Special Olympics World Games haben im Juni 2023 zum ersten Mal in Deutschland stattgefunden, 7.000 Athlet*innen aus fast 190 Ländern sind in 26 Sportarten gegeneinander angetreten. Im Interview mit Wiebke Linnemann-Schweizerhof, Direktorin Veranstaltungen und Prozessmanagement, erfahren wir mehr über Kriterien für soziale Nachhaltigkeit und wie sich diese durch solch ein Event weiter in die Gesellschaft tragen lässt.

Welche Bedeutung hatten die Special Olympics World Games in Deutschland für Ihre Arbeit?

Die Wichtigkeit ist so hoch, dass sie sich kaum messen lässt. Denn dadurch ist die Aufmerksamkeit für das Thema Inklusion von Menschen mit einer Behinderung stärker gestiegen als wir es uns jemals hätten träumen lassen. Das wurde auch durch die hohe Internationalität des Events und die starke Medienaufmerksamkeit möglich.

Wie kann es durch so ein Event gelingen, die Inklusion weiter voranzubringen?

Indem es ein Bewusstsein schafft. Gleichzeitig werden die Menschen damit auf positive Art mit diesem Thema konfrontiert. Das hilft, Barrieren und Berührungsängste abzubauen. Bei solchen Veranstaltungen können zudem alle sehen, dass Menschen mit Behinderungen deutlich leistungsfähiger sind, als man ihnen vielleicht zugetraut hätte.  Zusätzlich werden Veranstalter*innen von Sportevents dadurch inspiriert, selbst inklusive Angebote auf die Beine zu stellen. Eine Sensibilisierung aller Menschen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, war außerdem unser Ziel.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Durch Sensibilisierungsworkshops am Berliner Flughafen und an den Bahnhöfen zum Beispiel, außerdem mit Hotels und Security-Firmen. Dabei haben wir stets versucht, Athlet*innen einzubinden. Denn wir wollen nicht über ihren Kopf hinweg erklären, wie man mit ihnen umgehen soll, sondern mit ihnen gemeinsam zu den Menschen gehen und dadurch Verständnis schaffen. Auch bei Auftragnehmer*innen war das ein Thema: Beim Sprechen mit Cateringfirmen etwa haben wir immer gefragt, ob bei ihnen bereits Menschen mit Behinderungen arbeiten.

Welche Kriterien zur sozialen Nachhaltigkeit sind aus ihrer Sicht wichtig bei Veranstaltungen?

Barrierefreiheit ist natürlich ein wichtiges Thema, aber auch ein sehr vielfältiges und damit mitunter schwer umsetzbares. Denn dabei geht es um Dinge wie Leichte Sprache, Aufzüge oder Rampen, aber auch um das Dolmetschen von Veranstaltungen für Menschen mit einer Sehbehinderung. Zentral ist es aus unserer Sicht auch, Menschen mit einer Behinderung in die Organisation und die Entscheidungsgremien einzubinden.

Sie haben darüber hinaus ein Programm initiiert, bei dem deutsche Kommunen Delegationen aus der ganzen Welt willkommen geheißen haben. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Sehr positive. Es haben sich mehr Kommunen als so genannte Host Towns beworben als wir brauchten. Auch das hat das Thema Inklusion vorangebracht, da etwa Stellen geschaffen wurden. Wichtig ist natürlich, dass sich das nach den Special Olympics World Games fortsetzt – und zum Beispiel Inklusionsbeauftragte längerfristig in den Kommunen arbeiten.

Welche Rolle hat die ökologische Nachhaltigkeit gespielt?

Unser größter Fokus liegt auf der sozialen Nachhaltigkeit. Wir achten zum Beispiel auch darauf, welche Arbeitsbedingungen bei Partnerfirmen herrschen und ob der Mindestlohn bezahlt wird. Zusätzlich tun wir alles in unserem Rahmen Mögliche für den Umwelt- und Klimaschutz. So konnten zum Beispiel alle akkreditierten Athlet*innen, Mitarbeitenden und Volunteers kostenlos den ÖPNV nutzen. Darüber hinaus haben wir darauf geachtet, Firmen und Produkte aus der Region einzubinden, Leitfäden und Handbücher nur noch digital anzubieten und auf Mülltrennung zu achten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

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Im Interview mit eco@work: Wiebke Linnemann-Schweizerhof, Direktorin Veranstaltungen und Prozessmanagement bei Special Olympics Deutschland

Weitere Informationen

Wiebke Linnemann-Schweizerhof
Special Olympics Deutschland e.V.

Invalidenstraße 124
10115 Berlin

E-Mail: wiebke.linnemann-schweizerhof@specialolympics.de
Web:   https://specialolympics.de/ueber-uns/organisation/ansprechpartnerinnen

Zur Person

Nach ihrem Studium der Sportwissenschaften, Englischen Literatur sowie Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen war Wiebke Linnemann-Schweizerhof zunächst unter anderem für das Österreichische Paralympische Komitee, als Deputy Head of Operation beim European Youth Olympic Festival Vorarlberg und Liechtenstein, als Head of National Summer Games Hannover (Special Olympics Deutschland) sowie als Austria House Manager Paralympics RIO 2016 tätig.

Seit Herbst 2016 arbeitet Wiebke Linnemann-Schweizerhof für Special Olympics Deutschland, zunächst als Head of Events, seit 2021 als Direktorin Veranstaltungen & Prozessmanagement. Hier kümmert sie sich um zahlreiche Veranstaltungen: neben Messen, parlamentarischen Abenden, Mitgliederversammlungen, Klausurtagungen und den nationalen Spielen auch um die Special Olympics World Games, die im Juni 2023 erstmals in Deutschland stattgefunden haben.