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Im Fokus

Nicht nur ein Spiel

Nachhaltige Sportveranstaltungen

Christiane Weihe

Sieg oder Niederlage? Wir fiebern mit der Frauenfußballnationalmannschaft mit. Bedauern ihr frühzeitiges Ausscheiden aus dem Turnier. Und in diesem Moment scheint es kaum etwas Relevanteres zu geben. Doch rund um das Spiel gibt es natürlich viele weitere wichtige Fragen. Einige davon: Wie nachhaltig war das Ereignis auf dem Rasen? Wie viel Abfall ist angefallen? Wie viel Energie hat das Stadion verbraucht? Und wie sind Fans und Spielerinnen eigentlich zum Austragungsort gekommen? Im Fokus sollte aber nicht allein die ökologische Nachhaltigkeit stehen. Sondern auch die Frage, welche sozialen und ökonomischen Auswirkungen die Sportveranstaltung hat.

Egal, ob Rockkonzert, Handballturnier oder Stadtjubiläum – wo viele Menschen zusammenkommen, um mitzusingen, mitzufiebern oder zu feiern, sollte auch die Nachhaltigkeit der Veranstaltung eine wesentliche Rolle spielen. Denn so wie in unserem Alltag gibt es auch hier zahlreiche Hebel, um Umwelt und Klima zu schonen. Man denke nur an die Verwendung von Mehrweggeschirr und das Vermeiden von Einwegverpackungen zur Ressourcenschonung sowie eine wirkungsvolle Mülltrennung oder auch eine umweltfreundliche Anreise zum Event mit Bus und Bahn. „Gerade der Verkehr spielt eine große Rolle bei der Klimabilanz von Veranstaltungen, insbesondere bei nationalen oder internationalen Events, bei denen für An- und Weiterreise Flüge genutzt werden“, sagt Dr. Hartmut Stahl vom Öko-Institut. „Während es oft üblich ist, dass Eintrittskarten ein kostenloses Ticket für den ÖPNV enthalten, sollte es unsere Ambition sein, dass auch die kostenlose überregionale Bahnfahrt zum Event im Ticket beinhaltet ist.“ Aber nicht allein Umwelt- und Klimafragen sollten bei Veranstaltungen im Fokus stehen – auch soziale und ökonomische Fragen spielen eine wesentliche Rolle für die Nachhaltigkeit. Beispielsweise: Wie nachhaltig sind die Lieferketten – etwa für Bälle und Ausrüstung? Werden hier menschenrechtliche Grundsätze berücksichtigt? Oder auch: Läuft das Event diskriminierungsfrei ab – so etwa mit Blick auf Herkunft, Geschlecht, Alter oder Fähigkeiten? „Veranstalter*innen, die sich um solche Fragen kümmern, sorgen nicht nur für mehr Nachhaltigkeit auf unterschiedlichen Ebenen, sondern wirken auch positiv in die Gesellschaft und tun gleichzeitig etwas für ihr Image“, so der Senior Researcher aus dem Bereich Ressourcen & Mobilität. 

Zusätzlich sind insbesondere Sportevents selbst häufig von den Folgen des Klimawandels betroffen, daher haben die Veranstalter*innen eine besonders hohe Handlungsmotivation. „Wir sehen ja immer wieder, dass es auf den Skipisten nicht genug Schnee gibt – und damit auch Skirennen nicht mehr unter natürlichen Bedingungen abgehalten werden können. Herausforderungen gibt es unter anderem auch im Kanusport, wenn die Flüsse zu viel oder zu wenig Wasser führen, sowie in der Leichtathletik, wenn die Temperaturen einfach zu hoch sind, um die Sportler*innen gegeneinander antreten zu lassen.“

EURO 2024

Das Öko-Institut befasst sich in unterschiedlichen Projekten mit der Frage, wie der Sport und Sportveranstaltungen nachhaltiger werden können. So beraten die Wissenschaftler*innen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und den DOSB (Deutscher Olympische Sportbund) schon seit vielen Jahren in Umwelt- und Klimafragen. Nun haben sie im Auftrag des Bundesumweltministeriums die „Konzept- und Machbarkeitsstudie für eine „klimaneutrale“ Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft der Herren 2024“ erstellt. Sie haben darin zunächst die voraussichtlichen Klimawirkungen der Veranstaltung – etwa 490.000 Tonnen CO2-Äquivalente – ermittelt und dann analysiert, wie sie klimafreundlich werden kann. „Unsere Vorschläge skizzieren praxistaugliche Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen zu senken“, erklärt Projektleiter Stahl. „Da ein hoher Teil davon auf die Anreise von Fans, Teams und weiteren Beteiligten zurückgeht, schlagen wir etwa ein Kombiticket für den Nah- und Fernverkehr vor, damit für die Fahrten zu und zwischen den Austragungsorten umweltfreundliche Verkehrsmittel gewählt werden. Wichtige Bausteine sind aber auch ein zusätzliches Angebot an Zügen sowie der Einsatz von Sonderzügen oder Teams, die Fahrten mit der Bahn durchführen und so eine Vorbildrolle einnehmen.“ Aus Sicht des Projektteams erhöht sich die Nachhaltigkeit auch, wenn ein verstärktes vegetarisches und veganes Angebot in den Stadien, Kantinen und Hospitalitybereichen beschlossen wird. Darüber hinaus hat das Projektteam übergreifende Handlungsempfehlungen verfasst, die sich ebenso für andere Sportgroßveranstaltungen nutzen lassen, so mit Blick auf die Mobilität, die Energieversorgung und das Catering.

Und was ist mit jenen Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen? Auch damit befassten sich die Expert*innen. „Wir schlagen statt der Nutzung von zum Teil fragwürdigen Ausgleichszertifikaten vor, das Konzept der Klimaverantwortung anzuwenden.“ Dabei werden die verbleibenden Emissionen mit einem Preis multipliziert, der sich beispielsweise am Preis für Emissionsrechte orientiert. „Das ermittelte Budget wird für Minderungsprojekte etwa in Sportvereinen genutzt, ohne dabei den Anspruch auf einen Ausgleich der Emissionen oder Klimaneutralität zu erheben“, erklärt Hartmut Stahl.

Derzeit widmet sich das Öko-Institut im Auftrag des Bundesumweltministeriums gezielt dem Thema Circular Economy. Im Projekt „Circular EURO 2024“ haben die Wissenschaftler*innen Maßnahmen skizziert, die das Abfallaufkommen eindämmen sollen. Hier lässt sich an vielen Punkten ansetzen: Natürlich die getrennte Abfallsammlung und -wiederverwertung, aber vor allem Maßnahmen zur Vermeidung, so durch die Nutzung von temporären Bauten wie Zelten oder das Mieten von Mobiliar und technischer Infrastruktur wie zum Beispiel Kabeln. „Die Empfehlungen sehen vor, konsequent auf Mehrwegsysteme zu setzen, bei den Speisen und Getränken, aber auch bei den Verpackungen zur Anlieferung von Materialien und Produkten.“

Große Events

Den Wert nachhaltiger Sportgroßveranstaltungen hat auch die Politik erkannt: Im Jahr 2021 wurde die Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen vom Bundesinnenministerium und dem DOSB veröffentlicht. „Ziel der Strategie ist es unter anderem, die Veranstaltungen zu nutzen, um eine positive gesellschaftliche Entwicklung anzustoßen“, sagt Hartmut Stahl. Vor dem Hintergrund der Strategie läuft noch bis Oktober 2024 das vom Bundesinnen- und vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt „Nachhaltige Sport[groß]-veranstaltungen in Deutschland“, das vom  DOSB, der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) und dem Öko-Institut gemeinsam durchgeführt wird. „Ein Ziel des Projektes ist es, Nachhaltigkeitsstandards für kleine bis große Veranstaltungen zu entwickeln, denn bislang gibt es viel zu unterschiedliche Vorstellungen, was als nachhaltig zu betrachten ist“, erklärt Senior Researcher Stahl. „Darüber hinaus sollen ökologische, soziale und auch ökonomische Themen gleichberechtigt betrachtet werden. Und es geht darum, zu vermitteln, dass Nachhaltigkeit einen Mehrwert für Veranstaltungen darstellt und zu einer positiven Gestaltung und Wirkung beiträgt.“ Die Wissenschafter*innen entwerfen Empfehlungen für Veranstalter*innen und Verbände und bieten konkrete Unterstützung an, sie entwickeln einen praxisorientierten Leitfaden sowie eine Toolbox für künftige Events.

Mit Blick auf alle Strategien und Instrumente betont der Wissenschaftler vom Öko-Institut aber auch: Wichtig ist, dass sie nicht nur für ein einzelnes Event umgesetzt werden, sondern auch dann noch Wirkung zeigen, wenn alle Zuschauer*innen wieder nach Hause gefahren sind. „Wenn Veranstalter*innen etwa auf eine verstärkte Anreise mit dem Fahrrad setzen, sollte dies in Zukunft in den Trainingsalltag integriert werden – das kann beispielweise eine Kampagne bedeuten, die die Sportler*innen motiviert, mit dem Fahrrad zum Training zu fahren. Hierfür braucht es auch die Unterstützung der Kommunen, etwa für den Ausbau der Radwege oder die Installation von Abstellplätzen.“

Die olympische Klimabilanz

Nicht nur in Deutschland bewegt sich was für nachhaltigen Sport. Das Projekt „Olympic Committees of Europe Approaching Carbon Neutrality“, kurz OCEAN, zielt – unterstützt vom Öko-Institut – darauf ab, Nationale Olympische Komitees in Europa bei mehr Klimaschutz zu unterstützen. Diese sollen eine Klimastrategie entwickeln, sich Ziele setzen und Maßnahmen festlegen sowie Klimaexpert*innen ausbilden. Vor allem aber sollen im Projekt Klimabilanzen der Nationalen Olympischen Komitees erstellt werden. Dafür entwickelt das Öko-Institut ein Tool, mit dessen Hilfe diese das zukünftig eigenständig tun können.

Sport und Gesellschaft

Nachhaltigkeit im Sport heißt aber nicht nur, dass die nächste Großveranstaltung möglichst umweltschonend abläuft. Der Sport hat gleichzeitig die Chance, Nachhaltigkeit in die Gesellschaft zu tragen. „Solche Events haben eine immense Reichweite und können dieses Thema außerdem mit einer hohen Emotionalität verbinden.“ Dabei geht es zum einen um Impulse an lokale Vereine und den Breitensport, wie etwa Sportstätten nachhaltig betrieben und auch kleinere Events nachhaltig durchgeführt werden können. Eine Herausforderung sieht der Wissenschaftler auch darin, dass Sportstätten oft nicht den Vereinen gehören, sondern den Kommunen. „Alle müssen sich an einen Tisch setzen, wenn es wirklich mehr Nachhaltigkeit bei Sportveranstaltungen und darüber hinaus geben soll.“

Gleichzeitig geht es darum, Fragen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit an die Zuschauer*innen zu vermitteln. Wenn wir also 2024 wieder mitfiebern – etwa bei der Handball- und der Fußballeuropameisterschaft der Herren oder auch den Olympischen Sommerspielen in Paris – sollten wir nicht nur darauf achten, wer die meisten Tore schießt oder am schnellsten rennt. Sondern auch darauf, dass Nachhaltigkeit mit im Spiel ist.

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Der Zusammenhang zwischen Sport und Umwelt steht im Mittelpunkt der Arbeit von Dr. Hartmut Stahl. Der Senior Researcher aus dem Bereich Ressourcen & Mobilität berät unter anderem Veranstalter*innen, Verbände und Politik zu diesem Thema.

Ansprechpartner am Öko-Institut