Taylor Swift im Zug
Christiane Weihe
Wer gerade ausgelassen mit Taylor Swift feiert, macht sich wahrscheinlich keine Gedanken darüber, wie viele CO2-Emissionen die Anreise des Popstars verursacht hat. Und wer beim neuen Tatort mitfiebert, überlegt wahrscheinlich nicht, ob das Catering beim Dreh wohl vegetarisch war. Dabei haben Kultureinrichtungen nicht nur eine Verantwortung für den Umwelt- und Klimaschutz. Sie können auch den Wandel zu einer nachhaltigen Transformation der Gesellschaft beeinflussen.
Ebenso wie der Sport hat auch der Kulturbereich die große Chance, Nachhaltigkeit in die Gesellschaft zu tragen. Indem er als Vorbild agiert, seine Bühnenstrahler mit erneuerbaren Energien betreibt und Programmhefte auf recyceltes Papier druckt. Indem er sich in Ausstellungen und Aufführungen mit Nachhaltigkeitsfragen beschäftigt. Auf diesem Weg können Kultureinrichtungen den Diskurs beeinflussen und zu einem Kulturwandel beitragen. „Kunst und Kultur müssen nah an den Themen der Zeit sein, sie kommen an der nachhaltigen Transformation nicht vorbei“, sagt Viviana López Hernández, Wissenschaftlerin am Öko-Institut. „Sie müssen diese in allen Bereichen mitdenken, auch bei der Kulturvermittlung.“ Das gilt nicht nur für Museen oder Theater, sondern zum Beispiel auch für Filme oder Fernsehserien. „Wenn eine Protagonistin ein E-Auto fährt und aus einem wiederbefüllbaren Kaffeebecher trinkt, gestaltet das unsere Realität mit.“
Gleichzeitig ist der Kulturbereich gefordert, selbst nachhaltig zu werden. „Dieses Thema hat in den vergangenen Jahren deutlich an Relevanz gewonnen. Viele Kultureinrichtungen wissen nun, dass sie etwas tun müssen. Dazu gehört, Kapazitäten aufzubauen und Personal auszubilden. Denn häufig gibt es keine verantwortlichen Mitarbeiter*innen.“ Viele Einrichtungen sind bereits aktiv. So hat etwa die Kunsthalle Karlsruhe eine Stabsstelle Nachhaltigkeit eingerichtet, im Rahmen eines Pilotprojektes der Kulturstiftung des Bundes haben 19 Einrichtungen wie das Staatstheater Darmstadt oder das Münchner Lenbachhaus Klimabilanzen erstellt. „Und auch das Fernsehen ist tätig geworden, ein Pionier war ein Freiburger Tatort, der vor einigen Jahren auf einen umweltfreundlichen Dreh gesetzt hat.“
Nachhaltige Filme und Serien
Das Öko-Institut beschäftigt sich in unterschiedlichen Projekten mit der Frage, wie die Kulturszene nachhaltiger werden kann. Zum Beispiel im Projekt „100 Nachhaltige Filmproduktionen“. Im Rahmen dieser Initiative wurden fast 80 Film- und Fernsehproduktionen ökologisch nachhaltig hergestellt. „Das Öko-Institut hat dies für die Initiative des Arbeitskreises „Green Shooting“ fachlich begleitet und ausgewertet“, sagt die Wissenschaftlerin aus dem Bereich Produkte & Stoffströme. „So haben wir zum Beispiel verglichen, wie hoch der CO2-Ausstoß der Produktionen war und erzielte Einsparungen ermittelt.“ Mit Blick auf die Formate zeigte sich, dass pro Filmminute die höchsten CO2-Emissionen bei Miniserien entstehen (1.424 kg CO2-Äquivalente, CO2e), gefolgt von Spielfilmen mit 686 kg CO2e. Die geringsten Emissionen waren bei Daily Soaps und Dokuserien zu verzeichnen (25 bzw. 35 kg CO2e). „Insbesondere die Reisen haben bei allen Formaten einen besonders hohen Anteil an den Emissionen, 40 bis 80 Prozent davon gehen auf sie zurück.“ In der Analyse zeigte sich zudem, dass die CO2-Emissionen sehr unterschiedlich sein können, auch bei Produktionen desselben Formates. „Wir gehen davon aus, dass hierfür rahmensetzende Faktoren verantwortlich sind – so etwa die Wahl des Drehorts oder die Größe des Teams. Denn davon ist unter anderem abhängig, wie viele Reisen notwendig sind“, sagt Viviana López Hernández. „Darüber hinaus ist es wichtig, das Thema Nachhaltigkeit von Planungsbeginn an zu berücksichtigen.“ Besonders deutlich wird dies am Beispiel eines einmütigen Werbefilms, der in Slowenien gedreht wurde: Obwohl zahlreiche Anreisen mit dem Zug erfolgten, gab es hier die mit Abstand höchsten CO2-Emissionen pro Filmminute. Insgesamt verursachte der Werbefilm 20 Tonnen CO2e. Durch die Nachhaltigkeitskriterien konnten die Emissionen aller betrachteten Produktionen jedoch um gut 1.000 Tonnen CO2e reduziert werden, so durch die Unterbringung in Bio-Hotels oder Ferienwohnungen (723 Tonnen), die Nutzung von Ökostrom (142 Tonnen) sowie vermiedene Flugreisen (124 Tonnen).
Die Wissenschaftler*innen befassten sich außerdem mit der Frage, ob die zuvor definierten Nachhaltigkeitskriterien wie etwa der Verzicht auf Flugreisen oder die Vermeidung von Einwegplastik sinnvoll sind und wo Herausforderungen liegen. „Sehr gut funktioniert es bereits bei verpflichtenden Kriterien wie der fachlichen Begleitung durch einen Green Consultant oder die Erstellung eines Abschlussberichts. Und auch bei optionalen Kriterien wie dem Verzicht auf Einwegbatterien oder der nachhaltigen Unterbringung konnte ein positives Resümee gezogen werden“, sagt die Expertin. Probleme zeigen sich hingegen beim Einsatz von Ökostrom bei bezogenem Baustrom oder dem Einsatz von CO2-reduzierten Lkw. „Nur etwa ein Fünftel der Produktionen konnte diese Kriterien einhalten. Dies liegt etwa daran, dass es oft nur einen begrenzten Einfluss auf den Strombezug gibt. Daher ist eine frühzeitige Planung entscheidend, die etwa einen Dreh bei Tageslicht erlaubt.“
Das Projekt hatte außerdem zum Ziel, die bestehenden Kriterien zu verbessern. „Beim Catering lag der Fokus zum Beispiel bislang vor allem auf regionalen und ökologisch produzierten Lebensmitteln und nicht auf vegetarischen oder veganen Alternativen. Dabei haben diese ein besonders hohes Einsparpotenzial.“ Darüber hinaus liege der Fokus bislang zu stark auf einer höheren Effizienz statt auf der Emissionsvermeidung. „Diese ließe sich durch kleinere Teams und die Auswahl der Drehorte beeinflussen.“
Culture4Climate
Auch im Projekt Culture4Climate geht es noch bis Oktober 2024 darum, die Treibhausgasemissionen des Kulturbereichs zu reduzieren und über Kultureinrichtungen den Wandel hin zu einer Nachhaltigkeitskultur zu befördern. Das Projekt wird vom Netzwerk Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur geleitet und gemeinsam mit der Kulturpolitischen Gesellschaft umgesetzt. „Culture4Climate setzt auf vielfältige Bausteine“, erklärt Jürgen Sutter, Projektverantwortlicher am Öko-Institut, „wir unterstützen Kultureinrichtungen wie Museen und Theater, aber auch Einrichtungen aus Kunst, Literatur und Denkmalkultur in unterschiedlichen Bereichen und verschiedenen Stadien ihres Wegs zu mehr Nachhaltigkeit.“ Ein wichtiges Element ist zum Beispiel ein Kompetenz- und Netzwerkportal, das aktuelle Informationen und Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellt. „Hier soll außerdem das so genannte Klima-Tool integriert werden, das zu Einsparpotenzialen und Handlungsoptionen informiert.“
Darüber hinaus setzt das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt auf die Weiterbildung von Kulturmanager*innen, um so eine höhere Handlungsfähigkeit zu erreichen, sowie Tandem-Klimapartnerschaften zwischen Kultureinrichtungen und nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen. Ziele sind etwa ein Wissensaustausch sowie die gemeinsame Realisierung von Klimaschutzmaßnahmen. „Ein zentrales Element ist zudem das Fördercoaching. Dabei werden Kultureinrichtungen bei der Beantragung von Fördermitteln unterstützt“, sagt der Senior Researcher aus dem Bereich Ressourcen & Mobilität. „Außerdem ist ein Kulturwettbewerb zu den globalen Klima- und Nachhaltigkeitszielen vorgesehen. Dieser soll innovative Ideen und Ansätze befördern.“
Dass Taylor Swift zu ihrem nächsten Konzert in Deutschland mit dem Zug anreist, ist zwar eher unwahrscheinlich. Ein vegetarisches Catering beim Tatort aber nicht. Und wenn die Kommissarin ihren Kaffee dann noch aus einem Mehrwegbecher trinkt, bringt auch dies Schluck für Schluck die Nachhaltigkeit voran.
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Die Forschungsschwerpunkt von Viviana López Hernández liegen unter anderem auf nachhaltigem Konsum und nachhaltigen Produkten. Sie befasst sich zudem mit globalen Lieferketten und nachhaltigen Ernährungssystemen. Jürgen Sutter ist Experte für Ökobilanzen und Stoffstromanalysen, darüber hinaus widmet er sich unter anderem der Ressourceneffizienz und erneuerbaren Rohstoffen.