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Editorial

Ein schmerzfreier Verzicht

Das Vorwort von Jan Peter Schemmel, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts

Kein Fleisch? Bei einer Trekking-Tour 1996 in veganer und vegetarischer Begleitung merkte ich: Das geht. Und es fiel mir noch nicht mal besonders schwer. Vielleicht, weil Nudeln, Pfannkuchen und sogar eine Pizza vom Campingkocher sehr lecker waren. Vielleicht aber auch, weil ich nicht gleich zum konsequenten Vegetarier wurde, sondern weiter hin und wieder Fisch und Meeresfrüchte gegessen habe.

Das halte ich bis heute so. Dabei habe ich öfter erlebt, wie allergisch oder angegriffen manche Menschen reagieren, wenn ich sage, dass ich kein Fleisch esse. Aber klar ist doch: Wir müssen unseren Konsum an tierischen Produkten dringend reduzieren. Denn er belastet unseren Planeten über Gebühr: durch übermäßigen Landverbrauch, Monokulturen, den Einsatz von Düngern und Pestiziden für die Futtermittelproduktion sowie die Methanemissionen der Viehwirtschaft und die Folgen für Grundwasser, Küstengewässer, Biodiversität und Klima.

Auf den ersten Blick könnte man denken, es müsste leichtfallen, die nötige Agrarwende voranzutreiben. Schließlich ist die Landwirtschaft nicht nur Verursacherin von Umwelt- und Klimaproblemen, sondern auch unmittelbar von ihnen betroffen – man denke an die Trockenheit und die Ernteausfälle im Sommer 2018. Leider ist es nicht so einfach. Denn staatliche Subventionen fördern weiter überwiegend eine Ausrichtung auf eine industrielle und umweltbelastende Produktionsweise. So kommt der ökologische Landbau in Deutschland nur sehr langsam voran und liegt im Vergleich zu den europäischen Vorreitern immer noch auf erstaunlich geringem Niveau. Während Österreich laut Eurostat als Spitzenreiter im Jahr 2018 auf 24,1 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Ökolandbau betrieb und auch Estland mit 20,6 Prozent und Schweden mit 20,3 Prozent beachtliche Werte vorweisen konnten, lag der Anteil hierzulande bei gerade mal 7,3 Prozent.

Gleichzeitig sind auch wir Konsumentinnen und Konsumenten gefragt. In Deutschland verzichten wir zwar zunehmend auf tierische Produkte, aber noch zu wenig und zu langsam. Mal zum Vergleich: In Indien leben etwa 40 Prozent der Bevölkerung vegetarisch, in Deutschland liegen wir hier im einstelligen Bereich. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle unsere Ernährung nachhaltiger gestalten können, ohne es als Belastung oder Einbuße zu empfinden. Einfach mal versuchen, wertschätzen lernen und vielleicht ja dabei bleiben. Das Öko-Institut ist einen wichtigen Schritt übrigens schon gegangen: In unseren Kantinen in Freiburg und Darmstadt sowie beim internen und externen Catering an allen Standorten verzichten wir bewusst auf Fleisch. Und freuen uns dabei immer wieder über extrem leckeres Essen.

Ihr

Jan Peter Schemmel

j.schemmel@oeko.de