Spenden
Im Fokus

Blei im Blut

Batterierecycling in Nigeria

Christiane Weihe

Die Bleischmelzöfen arbeiteten illegal. Im Boden: ein beachtlich hoher Bleigehalt. Wiederholt brannte es auf dem Gelände. Anlieger*innen erstatteten Anzeigen wegen Körperverletzung und schwerer Umweltgefährdung. Das war Mitte der 1980er Jahre. In einer Batteriefabrik mit dem unschuldigen und damit sehr irreführenden Namen Sonnenschein. Mitten in Berlin. Wer mit Blei-Säure-Batterien hantiert, hat eine hohe Verantwortung. Dieser nicht gerecht zu werden, kann schwerwiegende gesundheitliche und ökologische Probleme auslösen. Das zeigte sich vor über vierzig Jahren in Berlin-Mariendorf. Das zeigt sich heute beim Recycling in Nigeria.

Blei-Säure-Batterien werden zum Beispiel in Autos eingesetzt, in netzunabhängigen Solaranlagen oder auch in Notstromsystemen. „Ihr Recycling ist schon heute sicher und hochwertig möglich, bis zu 97 Prozent der Rohstoffe können effektiv zurückgewonnen werden“, sagt Frederick Adjei vom Öko-Institut. „Doch leider findet ihr Recycling in Nigeria oft unter gefährlichen und unsicheren Bedingungen statt. Mitarbeiter*innen und Nachbar*innen der Anlagen sind häufig giftigem Bleistaub ausgesetzt, Abwässer werden ungefiltert abgelassen. Dies kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben – so zum Beispiel irreparable Nervenschädigungen sowie Entwicklungsverzögerungen bei Kindern.“ Warum hohe Bleiwerte in den Böden und eine vergiftete Bevölkerung hingenommen werden? „Bei den Betreibern geht es meist um Gewinnmaximierung. Zudem fehlen strenge Standards und ihre Durchsetzung durch die verantwortlichen Behörden.“

Nigeria ist die größte Volkswirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent, das Land hat eine der größten Recyclingindustrien für Blei-Säure-Batterien sowie das höchste Aufkommen derselben. Mindestens zehn Anlagen recyceln Blei-Säure-Batterien auf industriellem Niveau. „Ein großer Teil der so gewonnenen Sekundärrohstoffe wird exportiert – auch nach Europa. Das können wir nicht einfach ausblenden“, erklärt der Wissenschaftler aus dem Bereich Produkte & Stoffströme. „Anders als in vielen anderen Bereichen der Abfallwirtschaft kann man hier Geld verdienen.“ Aber der Wettbewerbsdruck führt dazu, dass nur wenige Akteur*innen verantwortungsvoll agieren und viele nach Profitmaximierung streben – und die passt oft scheinbar nicht mit Gesundheits- und Umweltschutz zusammen. „In Nigeria spielt Kreislaufwirtschaft eine immer größere Rolle und es werden zum Teil beträchtliche Investitionen getätigt. Als aber vor einigen Jahren systematische Verschmutzungen und Vergiftungsfälle bekannt wurden, haben die Behörden reagiert. Sie haben das Ziel ausgegeben, das Batterierecycling auf internationale Standards anzuheben.“

Gemeinsam verantwortungsvoll

Wie sich ein verantwortungsvolles Recycling von Batterien und Metallen in Nigeria, aber auch anderen Ländern in Subsahara-Afrika etablieren lässt, dieser Frage widmet sich das Projekt „Partnership for Responsible Battery and Metal Recycling (ProBaMet)“, das bis Mai 2025 von der Initiative Globale Solidarität (IGS) der GIZ gefördert wird. „ProBaMet ist ein Praxisprojekt, das einen kooperativen Ansatz verfolgt. Wir arbeiten mit zahlreichen Partner*innen zusammen. Aus der nigerianischen Zivilgesellschaft und der Industrie, dem nigerianischen Umweltministerium und der Behörde für die Durchsetzung von Umweltvorschriften“, erklärt Frederick Adjei. „Es geht darum, wie Mindeststandards beim Recycling etabliert und durchgesetzt und so Menschen geschützt und die Umwelt entlastet werden können. Aber auch darum, nachhaltige Geschäftsmodelle zu etablieren und hochwertige Industriearbeitsplätze zu schaffen.“ Denn: Es besteht eine große Nachfrage nach Sekundärrohstoffen, die immer stärker daran geknüpft ist, ob Mindeststandards eingehalten werden können. Hochwertige Verfahren können also auch wirtschaftliche Vorteile bringen. Gleichzeitig bindet das Projekt die nigerianische Solarindustrie ein. Denn sie braucht nachhaltige Lösungen für ausgediente Batterien, die dezentrale Stromversorgung durch Photovoltaik wächst.

Das Projektteam unterstützt Betriebe und Behörden dabei, Gesundheits-, Umwelt- und Sicherheitsstandards einzuführen. Es vermittelt Wissen zu Umweltschutz und Arbeitssicherheit, führt Schulungen mit Betriebsleiter*innen vor Ort durch. Begleitet Behörden dabei, verbindliche Standards einzuführen, zu überwachen und durchzusetzen. „Der Wissenstransfer ist ein wichtiger Teil des Projektes und zusammen mit unseren Partner*innen vermitteln wir ein Verständnis für den Gesamtzusammenhang, aber auch ganz konkretes Alltags-Know-how.“ Im April 2024 waren die Wissenschaftler*innen vor Ort, haben Workshops mit unterschiedlichen Stakeholder*innen durchgeführt. „Dabei ging es auch darum, über die aktuelle deutsche und EU-Gesetzgebung mit Blick auf Lieferketten zu informieren.“ Zusätzlich haben sie sechs Recyclinganlagen in und um Ogun im Südwesten Nigerias besucht. In fünf davon zeigten sich große technische und operative Schwächen, die zwangsläufig zur Freisetzung von Bleistaub an den Arbeitsplätzen sowie in die Umgebung führen. „In diesen Anlagen gab es etwa keine Schutzmaßnahmen bei der Lagerung der oftmals bereits beschädigten Batterien. Zudem wurde ihre Demontage mit einfachsten Mitteln durchgeführt, was die Mitarbeiter*innen direkt Blei und Säure aussetzt“, erklärt Frederick Adjei. „Es gab zudem keine Möglichkeiten der effektiven Staubkontrolle in den Werkshallen.“ In einer einzigen Anlage fanden die Expert*innen deutlich bessere Bedingungen vor, so etwa ein automatisiertes Aufbrechen der Batterien und eine insgesamt bessere Handhabung. „Doch auch hier gibt es noch Luft nach oben – so etwa mit Blick auf Schutzkleidung.“

In einer der Anlagen zeigten Bluttests von Mitarbeiter*innen stark erhöhte Bleiwerte. „Die anderen Anlagen nehmen überhaupt keine Bluttests vor, was gegen die Grundlagen der guten gängigen Praxis in diesem Industriezweig verstößt.“ Neben der Durchsetzung insgesamt strengerer Standards müssten insbesondere die Vorreiter gesondert geschützt und gefördert werden. Ansonsten hätten diese kaum eine Chance, im Preiskampf des Sektors zu bestehen, so Adjei. Aus Sicht des Wissenschaftlers braucht es zudem eine Haftung der Unternehmen und die Möglichkeit, gegen Schäden zu klagen. „Erst wenn es für die Unternehmen teurer wird, für ergangene Schäden zu bezahlen als für Schutzmaßnahmen, werden sie diese konsequent angehen.“ Zusätzlich seien nicht nur die Recyclingunternehmen verantwortlich, sondern ebenso die Hersteller. „Wer Geld mit einem Produkt verdient, sollte im Sinne einer erweiterten Herstellerverantwortung auch mit dafür sorgen, dass es anständig recycelt wird.“

Ein Gerechtigkeitsthema

Auch in Ländern des globalen Südens ist die Abfallwirtschaft eine Rohstoffquelle, ein Sektor, der für Urban Mining eine zentrale Rolle spielt. Gleichzeitig ist sie viel mehr als das. „Jene, die hier am wenigsten Abfall produzieren, leiden am meisten unter schlechtem Management – mit Blick auf ihre Gesundheit und ihre Lebensqualität insgesamt. Abfall ist daher auch ein Gerechtigkeitsthema.“ Eine funktionierende Abfallwirtschaft sei allerdings niemals nur eine reine Rohstoffquelle, sondern ebenso ein wichtiger Service für die Gesellschaft. „Der Sektor muss als Ganzes gedacht werden. Erlöse aus Rohstoffverkäufen werden alleine nicht reichen, um die Abfallprobleme in Entwicklungs- und Schwellenländern in den Griff zu bekommen. Es braucht zusätzliche Finanzierungsquellen, die gezielt die Aufwendungen der Umweltreinhaltung kompensieren. Hersteller*innen und Importeur*innen von Produkten spielen hier eine wichtige Rolle, werden aber in den meisten afrikanischen Ländern noch kaum wirksam zur Verantwortung gezogen.“

--

Frederick Adjei hat einen Abschluss in Werkstofftechnik, Beschaffungs- und Lieferkettenmanagement sowie in Betriebswirtschaft. Nach seinem Studium war er unter anderem für die GIZ Ghana sowie die Hochschule Bochum tätig. Seit 2023 forscht er am Öko-Institut, hier befasst er sich etwa mit Sozial- und Umweltstandards in globalen Lieferketten sowie internationalen Materialkreisläufen.

Ansprechpartner am Öko-Institut