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Perspektive

Fahren wir gegen die Wand?

Eine ökologische und sozial gerechtere Verkehrspolitik
  • Peter Kasten
    Stv. Bereichsleiter / Senior Researcher Ressourcen & Mobilität

Gut fünf Jahre sind es noch bis 2030. Bis dahin sollte der Verkehrssektor seine Emissionen um 48 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 senken – bevor die Sektorziele im Klimaschutzgesetz abgeschafft wurden. Die bisher erreichte Minderung lag 2023 nur bei etwas über zehn Prozent. Realistischerweise müssen also andere Sektoren beim Klimaschutz einspringen. Und das trotz des Green Deal der EU, der den Klimaschutz im Verkehrssektor deutlich voranbringt. Die Flottenzielwerte für Pkw bedeuten ein weitgehendes Aus für neue Verbrenner-Pkw ab 2035 und für Lkw wurde kurz vor der EU-Wahl eine ähnliche Regulierung festgelegt. Ab 2040 werden wir daher nur noch sehr wenige neue Verbrenner-Lkw auf den Straßen der EU sehen. Die Elektromobilität ist damit die – übrigens auch weltweite – Zukunftstechnologie, auf die die Automobilindustrie mittlerweile (fast) alles ausrichtet. Und zumindest bei der Umsetzung der Lkw-Maut hat die Bundesregierung für den Klimaschutz im Verkehr geliefert. Für Lkw gilt auf Mautstrecken seit Dezember 2023 ein CO2-Preis von 200 Euro je Tonne CO2. Für das Klimaschutzziel 2030 gilt jedoch: too little, too late!

Ganz anders sieht es mit Blick auf 2045 aus. Ich bin optimistisch, dass der Verkehrssektor bis dahin endlich relevant zum Klimaschutz beitragen wird, wenn die Politik den Green Deal nach der EU-Wahl nicht aufkündigt. Und das hat vor allem einen Grund: die besagten CO2-Flottenzielwerte. Durch sie werden kontinuierlich viele Verbrenner im Bestand durch emissionsfreie Fahrzeuge ausgetauscht. Weitere Instrumente wie beispielweise die EU-Richtlinie für den Aufbau der Lade- und Tankinfrastruktur für emissionsfreie Fahrzeuge sowie ein steigender CO2-Preis unterstützen diese Entwicklung. Wie schnell die Emissionen im Verkehrssektor im Idealfall sinken können, zeigen wir in einer aktuellen Studie für das Umweltbundesamt, die wir gemeinsam mit INFRAS durchgeführt haben. Dafür musss die Bundesregierung allerdings das zukünftige Steuer- und Abgabensystem sowie die Verkehrsinfrastrukturen konsequent auf den Klimaschutz und eine Welt emissionsfreier Fahrzeuge ausrichten.

Damit kommen wir zur aus meiner Sicht entscheidenden Frage für das Gelingen der Klimaschutz-Transformation im Verkehrssektor. Finanzierungs- und Kostenstrukturen im Verkehr ändern sich durch die Transformation sehr stark. Geringer werdenden Staatseinnahmen beispielsweise aus der Energiesteuer stehen steigende Kosten für das fossile Fahren gegenüber. Und die Elektromobilität wird erst nach und nach bei den vulnerablen Haushalten mit geringen Einkommen ankommen, die häufig auch noch schlecht an den öffentlichen Verkehr angebunden sind. Sie werden also immer weiter unter Druck kommen, wenn die Politik sie nicht explizit unterstützt. Mobilität ist zudem ein sehr wichtiger Faktor für die soziale Teilhabe und für das Gefühl, ein wertgeschätzter Teil der Gesellschaft zu sein.

Mit dem EU-Klimasozialfonds wurde erstmalig ein direkter, sozialer Ausgleichsmechanismus eingeführt. Dieser wird aber bei Weitem nicht ausreichen, die durch den Wandel potenziell entstehenden Verteilungswirkungen auszugleichen. Die Politik muss vulnerable Haushalte und Unternehmen beim Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge unterstützen und das öffentliche Verkehrsangebot verbessern. Eins ist aber auch klar: Gesellschaftspolitische Probleme aufgrund bestehender sozialer Ungleichheit lassen sich durch Verkehrspolitik nicht lösen. Dafür ist die Sozialpolitik zuständig. Potenziell negative Effekte durch die klimafreundliche Transformation des Verkehrs können bei konsequenter Politikgestaltung aber vermieden, es kann sogar ein höheres Maß an Mobilität für viele Bürger*innen erreicht werden. Die wissenschaftliche Unterstützung für diese Politikgestaltung wird in den nächsten Jahren eine unserer Hauptaufgaben am Öko-Institut sein.

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Peter Kasten ist Diplom-Ingenieur für Energie- und Verfahrenstechnik. Im Mittelpunkt seiner Arbeit am Öko-Institut steht nachhaltige Mobilität. Der stellvertretende Leiter des Bereichs Ressourcen & Mobilität berät unter anderem Politik und Unternehmen zu Klimaschutz im Verkehr und entwickelt Strategien zur CO2-Minderung im Transportsektor.

Ansprechpartner am Öko-Institut