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Editorial

Wissen, was drin ist

Das Vorwort von Christof Timpe, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts
Christof Timpe

Meine persönliche anthropogene Lagerstätte befindet sich in einer Schublade im Arbeitszimmer. Oder zumindest jene, bei der ich endlich aktiv werden muss: Dort haben sich in den vergangenen Jahren einige Handys und Smartphones angesammelt, die vergeblich darauf warten, dass es eines Tages noch mal klingelt. Sie könnten weitaus besser genutzt werden, denn in jedem von ihnen sind Rohstoffe gebunden – so zum Beispiel Nickel, Kupfer und Eisen.

Meine Schreibtischschublade hier in Freiburg ist allerdings nur ein winziger Teil des gesamten anthropogenen Lagers – also der menschengemachten Rohstoffvorkommen – in diesem Land. Über 50 Milliarden Tonnen waren laut einer Erhebung des Umweltbundesamtes schon im Jahr 2010 darin gebunden. Wir horten Rohstoffe in Häusern und Autos ebenso wie in Solaranlagen oder Elektrogeräten. Und wenn wir all das nicht mehr brauchen, sorgen wir in der Regel leider häufig nicht dafür, dass diese Rohstoffe zeitnah wieder in einer ähnlich hochwertigen Anwendung zum Einsatz kommen. Das hat viele Gründe. Primärrohstoffe sind oft zu billig. Industrielles Recycling muss für einige Stoffe erst etabliert werden. Und oft wissen wir auch gar nicht so genau, was eigentlich drin ist.

Hier setzt Urban Mining an. Es versteht unseren Lebensraum als Lager von Rohstoffen und widmet sich der Frage, wie diese besser zurückgewonnen werden können, wenn wir die Häuser, Autos oder Elektrogeräte nicht mehr brauchen. Das hilft nicht nur Umwelt und Klima, sondern wirkt auch gegen die hohe Importabhängigkeit, die Deutschland und Europa bei vielen Rohstoffen haben. Denn was wir bei uns schürfen können, müssen wir nicht auf den Weltmärkten beschaffen.

Beim Urban Mining reicht der Blick in die Vergangenheit und das, was schon da ist, aber nicht aus. Wir müssen auch die Frage beantworten, wie wir jene etwa 600 Millionen Tonnen Rohstoffe, die wir jedes Jahr neu verbauen, verschrauben und verspachteln, eines Tages wieder zurückgewinnen können. Und damit genau das in Zukunft einfacher machen. Dabei können zum Beispiel Produktpässe helfen, die für ein Gebäude ebenso wie für einen Fernseher detailliert verzeichnen, welche Ressourcen in ihnen stecken.

Meine eigene anthropogene Lagerstätte wird übrigens noch vor dem Erscheinen dieses Heftes abgebaut – fest versprochen! Vielleicht finden ja auch Sie in Ihrem Zuhause etwas, das endlich auf den Recyclinghof gehört?

Ihr

Christof Timpe
c.timpe@oeko.de