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Mein Joghurt – Engel oder Sünder?

Der schwierige Weg zum Umweltfußabdruck

Christiane Weihe

 Der Joghurt ist nicht weißer. Er lässt sich nicht einfacher umrühren. Und er schmeckt wahrscheinlich auch nicht anders. Lebensmitteln merkt man – wie auch anderen Produkten – in der Regel nicht an, ob sie umweltgerecht oder -schädlich produziert wurden. Eine wichtige Orientierungshilfe ist daher der Product Carbon Footprint (PCF). Er beziffert die Treibhausgase, die im Lebenszyklus eines Produktes oder einer Dienstleistung entstehen. Die zahlreichen weiteren Umweltauswirkungen wie etwa Ressourcenverbrauch oder Landnutzung berücksichtigt der PCF jedoch nicht. Dies soll sich durch den Product Environmental Footprint (PEF), den Umweltfußabdruck von Produkten und Dienstleistungen, ändern, dessen Einführung die Europäische Kommission angestoßen hat. Ein richtiges Vorhaben, sagen die Experten des Öko-Instituts. Den Prozess zu seiner Umsetzung jedoch betrachten sie weit kritischer.

„Die Standardisierung der Umweltbilanz von Lebensmitteln ist aufgrund der zahlreichen Stufen in der Wertschöpfungskette und der häufig wechselnden Lieferbeziehungen generell ein sehr herausfordernder Prozess“, sagt Carl-Otto Gensch vom Öko-Institut. So verdeutlichte etwa die Berechnung der Klimabilanz von Tiefkühlprodukten für das Deutsche Tiefkühlinstitut e.V., dass nicht die Angebotsform per se Rückschlüsse auf die Klimabilanz zulässt. „Die Analyse hat gezeigt, dass die Rezepturen der Gerichte, die Lagerung des Lebensmittels oder auch die Art der Zubereitung einen wesentlichen Einfluss auf die Klimabilanz haben“, sagt der Leiter des Institutsbereichs Produkte & Stoffströme.

Doch wenn es so viele unterschiedliche Faktoren gibt und die Klimabilanz auch stark vom Verbraucherverhalten abhängig ist – lohnt sich dann der Treibhausgasfußabdruck überhaupt? Ja, sagt der Wissenschaftler vom Öko-Institut. „Der Product Carbon Footprint und die auf ihn zurückgehenden Analysen bringen eine bessere Orientierung mit Blick auf die Treibhausgasbilanz von Produkten und Dienstleistungen – für Unternehmen, Politik und auch die Verbraucher“, erklärt Gensch. Der PCF erlaubt es zum Beispiel, Produktionsschritte mit hohen Treibhausgasemissionen zu identifizieren und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Er macht Produktvergleiche ebenso möglich wie die Förderung von klimafreundlichen Produkten und Dienstleistungen. Der Experte betont aber auch die Schwierigkeiten des Treibhausgasfußabdrucks. „Da sind zum einen die vielfältigen PCF-Produktkennzeichnungen, die nicht auf einheitliche und international verbindliche Standards zurückgehen“, sagt er, „dies macht die Kennzeichnungen wenig vergleichbar und nicht sehr glaubwürdig.“ Notwendig seien daher verbindliche produktgruppenspezifische Bilanzierungsregeln, so genannte Product Category Rules. Eine komplexe Herausforderung – das zeigen die Wissenschaftler des Öko-Instituts derzeit im Rahmen einer Studie zu den Möglichkeiten der Integration des PCF in das Umweltzeichen „Blauer Engel“. Für das Umweltbundesamt analysieren sie am Fallbeispiel von Milchprodukten die unterschiedlichen Emissionsquellen sowie damit verbundene Minderungspotenziale und quantifizieren in Kooperation mit der TU Berlin den PCF sowie den „Wasserfußabdruck“ (Product Water Footprint, PWF) für verschiedene Futtermittelsysteme. Darüber hinaus soll überlegt werden, welche möglichen Kriterien für eine eventuelle Vergabe eines Umweltzeichens unter Berücksichtigung des PCF und des PWF herangezogen werden könnten. „Milch als Grundlage von Milchprodukten wurde für die Analyse ausgewählt, da sie bei ihrer Erzeugung einen vergleichsweise hohen Beitrag an Treibhausgasen verursacht“, erklärt Gensch. Die Analyse zeigt schon heute, wie schwierig es ist, einen geeigneten Indikator für die Bewertung von Lebensmitteln mit Blick auf Wasserverbrauch und Emissionen zu identifizieren. „So konnte zum Beispiel der Einsatz von Kraftfuttermitteln nicht herangezogen werden, da je nach deren Zusammensetzung der Wasserverbrauch und die Emissionen stark schwanken können“, sagt der Experte, „hier braucht es andere Ansätze – etwa solche, die mit unterschiedlichen Szenarien der Futtermittelzusammensetzung arbeiten. Ob diese jedoch in der Praxis anwendbar und somit umsetzbar sind, wird sich erst noch zeigen müssen.“

Gleichzeitig verdeutlichen die ersten Ergebnisse dieser Analyse für die Experten des Öko-Instituts wieder einmal: eine reine Treibhausgasbilanz greift viel zu kurz. Jedes Produkt, jede Dienstleistung kann viele unterschiedliche Umweltbereiche berühren – das zeigt sich bei der durch Treibhausgasemissionen verursachten globalen Erderwärmung ebenso wie bei der Überdüngung von Böden oder der Nutzung endlicher Ressourcenvorkommen. Genau diese Einflüsse will die Europäische Kommission nun durch eine ganzheitlich ausgerichtete Methode berücksichtigen. Sie hat 2013 im Rahmen der Mitteilung „Schaffung eines Binnenmarktes für grüne Produkte“ die Einführung eines Umweltfußabdrucks für Produkte, den Product Environmental Footprint (PEF), sowie eines Umweltfußabdrucks für Unternehmen und andere Organisationen, den Organisation Environmental Footprint (OEF), empfohlen. 2013 ist eine dreijährige Testphase gestartet, in deren Verlauf unter anderem die Verfügbarkeit und Qualität der Lebenszyklusdaten verbessert, aber auch konsistente Regeln für unterschiedliche Produkte und Sektoren entwickelt werden sollen. Für Lebensmittel beginnt die Testphase 2014, Bewerbungen können bis Ende März bei der Kommission eingereicht werden. „Der PEF ist ein richtiger Schritt, denn er berücksichtigt neben den Treibhausgasen zahlreiche weitere umweltrelevante Faktoren“, erklärt Gensch, „dazu gehören unter anderem toxische Emissionen in Gewässer, Feinstaubemissionen oder auch Landnutzungsänderungen.“

Schwierig: die Umsetzung

Bei allen Vorteilen der Einführung eines PEF jedoch trägt das damit verbundene Verfahren nach Ansicht des Experten zahlreiche Probleme in sich. „Der Prozess, wie der PEF nun eingeführt werden soll, ist teilweise kritisch zu sehen“, erklärt Gensch, „das hat zum einen damit zu tun, dass die sonst übliche Vorgehensweise solcher Verfahren – nämlich, dass die entscheidenden Kriterien für die Produkte von staatlichen Stellen bestimmt und anschließend mit Herstellern und Handel abgestimmt werden – in diesem Verfahren umgekehrt wurde.“ Die Wirtschaftsakteure haben damit eine hohe Definitionsmacht, was die Frage angeht, welche Lebenswegphasen des betrachteten Produkts und welche Indikatoren zur Abbildung der spezifischen Umweltbelastungen jeweils relevant sind. „Das ist der falsche Weg“, so Gensch, „zwar wird es Konsultationen mit Stakeholdern geben und wichtige Entscheidungen müssen in einem Steering-Committee bestätigt werden. Aus den Erfahrungen aus anderen Politikbereichen auf europäischer Ebene besteht allerdings die begründete Befürchtung, dass kritische Einwendungen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr angemessen und erfolgsversprechend eingebracht werden können.“ Es sei zudem überaus fraglich, wie sich etwa Umwelt- und Verbraucherverbände adäquat am Prozess der PEF-Einführung beteiligen können. „Man müsste sie in die Lage versetzen, sich inhaltlich ausreichend einzuarbeiten“, sagt der Wissenschaftler, „dafür bräuchten sie aber entsprechende Mittel.“ Doch auch, wenn der Experte mit dem Verfahren zur Einführung mehr als unzufrieden ist – aufgeben will er den Prozess nicht. „Natürlich werden wir uns auch weiterhin kritisch zu Wort melden, wo wir das für angebracht halten“, sagt er, „wir haben schon sehr lange ein Instrument wie den PEF gefordert – dann werden wir uns ganz sicher auch einbringen, wenn uns die Umsetzung fehlerhaft erscheint.“ Christiane Weihe