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Transdisziplinäre Forschung – zerrieben zwischen Ansprüchen aus Wissenschaft und Praxis?

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer

Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer

Während transdisziplinäre Forschungsansätze Anfang der 2000er Jahre nur in Nischen wie der Sozial-ökologischen Forschung erprobt wurden, finden sie mittlerweile immer häufiger Eingang in Forschungsprogramme und -initiativen, wie an zahlreichen Förderschwerpunkten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) oder der internationalen Initiative Future Earth deutlich wird. Dieser Entwicklung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Lösungen für die drängenden gesellschaftlichen Probleme wie zum Beispiel Klimawandel, Verlust an Biodiversität und Gefährdung der Weltmeere nur unter Einbezug von Praxisakteuren aus verschiedenen Bereichen (Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Verwaltung, Politik) entwickelt werden können. Denn nur so können die jeweilige Ausgangslage und komplexe Zusammenhänge besser beschrieben (Systemwissen) und ein Eindruck von den unterschiedlichen normativen Vorstellungen des Umgangs mit dem jeweiligen Problem gewonnen werden (Zielwissen), um dieses besser mit Lösungsansätzen adressieren zu können (Handlungswissen).

In den letzten 15 Jahren ist in zahlreichen Beiträgen beschrieben worden, mit welchen Herausforderungen transdisziplinäre (TD) Forschung konfrontiert ist. Dabei werden zum einen die Probleme der Etablierung dieses Forschungstyps in einer überwiegend disziplinär organisierten Forschungslandschaft thematisiert und zum anderen die Herausforderungen der Organisation derartiger Forschungsprozesse, in denen die unterschiedlichen Rationalitäten und Interessen zwischen Wissenschaft und Praxis aufeinandertreffen. Publikationen zu Methoden transdisziplinärer Forschung, Konferenzen sowie Vernetzungsaktivitäten zur Bildung einer TD-Community tragen zu einer kontinuierlichen Konsolidierung der Qualität von TD-Forschung bei. Meta-Analysen der tatsächlichen Vorgehensweise in TD-Projekten zeigen jedoch auch, dass es bisher noch ungenügend gelungen ist, den Stand des Wissens an die wachsende Zahl derer zu vermitteln, für die dieser Forschungstyp Neuland darstellt. Sie problematisieren auch, ob die Erfüllung der sehr weitgehenden Ansprüche in projektförmigen Strukturen und unter den derzeitigen Anforderungen an „exzellente Wissenschaft“ realistisch ist.

Während TD-Forschung innerhalb der Wissenschaft mit kritischen Fragen hinsichtlich Risiken der Vereinnahmung durch Praxisinteressen und der ‚Wissenschaftlichkeit‘ ihrer Vorgehensweise konfrontiert ist, steigen seitens der Fördermittelgeber und anderer gesellschaftlicher Akteure die Ansprüche an nachweisbare Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Auch aufgrund dieses Spannungsfelds hat sich in den letzten Jahren die Debatte über die Wirkungen von TD-Forschung intensiviert. Dabei wird versucht, definitorische Klarheit über Kategorien wie Ergebnis (Output), Outcome und Impact zu gewinnen und unterschiedliche Wirkungsformen (zum Beispiel Lernprozesse, Netzwerkbildung, Veränderung der Situation) auch graduell nach ihrem zeitlichen und räumlichen Auftreten zu differenzieren. Im Projekt TransImpact wird beispielsweise versucht, Zusammenhänge zwischen den gewählten Methoden und Vorgehensweisen und dem erzeugten Wirkungspotenzial zu identifizieren (http://www.td-academy.org). Diesbezügliche Forschung ist jedoch mit großen Herausforderungen konfrontiert, was die Zuschreibbarkeit von Forschungshandeln und zeitlich bzw. räumlich entfernt auftretenden Wirkungen sowie den Einfluss weiterer Faktoren angeht.

Insgesamt lässt sich resümieren, dass sich die wachsende TD-Forschungscommunity seit ihrem Entstehen den Fragen nach nachvollziehbaren Methoden sowie der Qualität ihrer Vorgehensweise und Ergebnisse stellt, eine Konsolidierung gewisser Standards aber – wie auch in disziplinärer Forschung – längere Zeiträume benötigt. Es wäre hilfreich, wenn die TD-Community in ihrem Bemühen um einen konstruktiven Austausch über Herausforderungen, methodische Standards und angestrebte Wirkungen mit den notwendigen zeitlichen Spielräumen zur Reflexion – auch in den einzelnen Projekten – sowie mit Gelegenheiten für Vernetzung und Transfer unterstützt würde anstatt sie mit überzogenen Ansprüchen an garantierten Erfolg zu überfrachten.