Spenden
Editorial

Eine fast unbekannte Welt

Das Vorwort von Jan Peter Schemmel, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts

Über die Welt unter unseren Füßen wissen wir ungefähr so viel wie über die Tiefen der Ozeane: nur einen Bruchteil. So sind zum Beispiel viele Arten von Bodenlebewesen unerforscht. Selten wenden wir unsere Aufmerksamkeit dieser Welt zu. Was wir allerdings ganz genau wissen: Der Boden ist zentral für unser Leben und Überleben. Auf ihm bauen wir Lebens- und Futtermittel sowie Energiepflanzen an, er dient als Kohlenstoff- und Wasserspeicher und erhält Biodiversität, wir errichten unsere Siedlungen und Infrastrukturen auf ihm. Kein Wunder ist Fläche schon heute weltweit eine knappe Ressource. Vor diesem Hintergrund ist es erschreckend, wie leichtfertig wir mit dem Boden umgehen. Wie unbedacht wir ihn versiegeln und mit wie vielen Chemikalien, Düngemitteln und Pestiziden wir ihn belasten.

Wir brauchen endlich eine ganzheitliche Betrachtungsweise auf die Flächennutzung, um dieses immer knapper werdende Gut richtig einzusetzen. Hierzulande, aber auch über Ländergrenzen hinweg. Denn schließlich ist nicht jeder Boden für jeden Einsatz geeignet. Dazu gehört auch, die vorhandenen Flächen möglichst effizient und umweltschonend zu nutzen. Etwa, indem wir Städte grüner gestalten, Photovoltaik und Landwirtschaft auf der Fläche miteinander verbinden, leerstehende Gebäude wiederbeleben statt weiteren Boden zu versiegeln. Auch die Präzisionslandwirtschaft, also der Einsatz digitaler Technologien für eine optimierte Produktion, könnte in Zukunft dabei helfen, den Boden effizienter und nachhaltiger zu nutzen. Bevor diese großflächig eingesetzt wird, müssen wir aber noch sehr viel mehr über sie und auch ihre sozialen Folgen lernen.

Ich bin in einer niedersächsischen Kleinstadt aufgewachsen und kann mich noch gut daran erinnern, wie am Ortsrand sorglos Mengen von Gülle auf die Wiesen ausgebracht wurden – ohne erkennbares Bewusstsein, ob und wie das die Bodenbiodiversität schädigt. Mein Eindruck ist, dass sich dies in der Zwischenzeit verbessert hat. Doch nach wie vor gibt es ein viel zu geringes Bewusstsein, wie wichtig Bodenschutz tatsächlich ist. Die Arbeit unserer Wissenschaftler*innen trägt dazu bei, Bodenschutz und Flächensparen voranzubringen. Ich hoffe, dass wir mit dieser Ausgabe auch ein wenig dabei helfen können, den Boden stärker in den Fokus zu rücken.

Ihr

Jan Peter Schemmel

j.schemmel@oeko.de