EU-Bürgerräte fordern mehr Suffizienz in Klimaplänen
Die EU-Bürgerräte geben weit mehr Handlungsempfehlungen für Suffizienz als bisher in den Nationalen Energie- und Klimaplänen (NECP) vorgesehen. Das ergibt eine Analyse von Forschenden der Nachwuchsgruppe "EnSu – Die Rolle von Energie-Suffizienz in Energiewende und Gesellschaft". In einem referierten Artikel gehen die sechs Autor*innen der Frage nach, inwiefern Suffizienz in der Politikgestaltung im europäischen Kontext berücksichtigt wird und welche Ideen Bürger*innen dazu haben.
Suffizienz: Weniger Ressourcenverbrauch durch soziale Praktiken & Politik
Suffizienz bedeutet, Konsum- und Produktionsniveaus durch Verhaltensänderungen absolut zu reduzieren. Es geht um die Frage, wie Menschen weniger Ressourcen verbrauchen können, indem sie ihre sozialen Praktiken (Wohnen, sich ernähren, sich fortbewegen, einkaufen etc.) verändern und welche politischen Rahmenbedingungen dieses Verhalten ermöglichen und fördern.
Elf Bürgerräte im Fokus
Für ihre Analyse haben die Forschenden die Ergebnisdokumente von elf Bürgerräten in Europa zum Klimaschutz analysiert und mit den geplanten Maßnahmen aus den entsprechenden Nationalen Energie- und Klimaplänen verglichen. Die Mitglieder der Räte werden zufällig aus der Bevölkerung ausgelost und sollen die Bevölkerung gut repräsentieren – zum Beispiel in Bezug auf Geschlecht, Bildungsabschluss, Alter und Wohnort. Als repräsentative Zivilgesellschaft diskutieren sie Fragen der Klima- und Energiepolitik.
Handlungsempfehlungen im Vergleich: Bürgerforum trifft EU-Politik
Die Vorschläge der Bürgerräte beinhalten mit einem Anteil von 35 Prozent deutlich mehr Suffizienzmaßnahmen als die NECP mit einem Anteil von 8 Prozent. Für Erstautor Jonas Lage von der Europa-Universität Flensburg ist das bemerkenswert: „Der Anteil der Suffizienzmaßnahmen in den Empfehlungen der Bürger*innenräte liegt in allen Ländern drei bis sechsmal so hoch wie der Anteil der Suffizienzmaßnahmen in den jeweiligen Nationalen Energie- und Klimaplänen. Suffizienz, so scheint es, ist für die Bürgerräte eine naheliegende, intuitive oder schlicht unumgängliche Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels und zum Erhalt einer lebenswerten Zukunft.“
Besonders häufig sind dabei regulatorische Suffizienzmaßnahmen wie Werbung für energieintensive Produkte einzuschränken. Die Zustimmung für Suffizienzmaßnahmen liegt innerhalb der Räte bei über 90 Prozent, am höchsten ist die Zustimmung für die regulatorischen Maßnahmen. Für Dr. Benjamin Best, Senior Researcher am Wuppertal Institut, ist das ein entscheidender Hinweis: “Die Empfehlungen der Bürgerräte liefern wichtige Anstöße für die Klimapolitik. Sie zeigen, dass Suffizienzmaßnahmen als sinnvolle Lösungen akzeptiert werden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“ Carina Zell-Ziegler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Öko-Institut, ergänzt: „Vor dem Hintergrund dieser hohen Zustimmungswerte wäre es wünschenswert, wenn sich die Politik mehr damit beschäftigen würde. Beispielsweise in Frankreich wurden die Empfehlungen aufgegriffen und führten zum Verbot von Kurzstreckenflügen.“
Artikel und Nachwuchsforschungsgruppe
Der Artikel “Citizens call for sufficiency and regulation – A comparison of European Citizen Assemblies and National Energy and Climate Plans” ist in Energy Research & Social Science erschienen und steht hier auf Englisch zur Verfügung.
Die Nachwuchsforschungsgruppe "EnSu – Die Rolle von Energie-Suffizienz in Energiewende und Gesellschaft" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) mit insgesamt knapp 3,5 Millionen Euro gefördert. Sechs Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vom Freiburger Öko-Institut, dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie sowie von der Europa-Universität Flensburg (EUF) haben sich bis April 2025 zum Ziel gesetzt, gesellschaftliche Transformationsprozesse im Kontext der Energiewende für Energiesystem-Modellierung darstellbar zu machen. https://energysufficiency.de/
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