Klimaschutz- und Projektionsbericht Baden-Württemberg 2024 zeigt weiteren Handlungsbedarf
Baden-Württemberg hat im Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz (KlimaG BW) für die Bereiche Energiewirtschaft, Gebäude, Landnutzung und Forstwirtschaft, Industrie, Landwirtschaft Verkehr und Abfallwirtschaft bis 2030 sektorspezifische Ziele für die Reduktion der Treibhausgasemissionen (THG) um insgesamt 65 Prozent formuliert. Bis 2040 – also fünf Jahre eher als auf Bundesebene vorgesehen – soll zudem Netto-Treibhausgasneutralität erreicht werden. Wissenschaftler*innen vom Öko-Institut, dem Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES) und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) haben nun in einem Bericht für Baden-Württemberg die Emissionen projiziert. Dies ist das erste Mal, dass die Erreichung eines Klimaziels für 2030 für ein Bundesland durch Projektionen überprüft wird. Dabei zeigt sich, dass die beschlossenen politischen Maßnahmen zu deutlichen Emissionsminderungen gegenüber dem heutigen Stand führen werden, die Zielerreichung in den meisten Sektoren aber dennoch knapp wird.
Großer Handlungsbedarf im Verkehrssektor und Energiewirtschaft mit Fragezeichen
Der Verkehrssektor verfehlt – wie auch auf Bundesebene – seine Zielvorgabe mit 4.600 Kilotonnen CO2-Äquivalenten (kt CO2äq) pro Jahr. Gründe dafür sind, dass die anvisierte Zahl von fünfzehn Millionen Elektrofahrzeug-Nutzer*innen bei Weitem nicht erreicht und die Verlagerung auf klimafreundliche Verkehrsmittel durch den Sanierungsbedarf auf der Schiene ausgebremst wird. Emissionsminderungen können hier insbesondere durch das Zusammenspiel von Bund und Land realisiert werden.
Anders als auf nationaler Ebene erreicht Baden-Württemberg das Sektorziel für die Energiewirtschaft bis 2030 nicht: Die Projektion nimmt an, dass zwei in Baden-Württemberg betriebene Kohlekraftwerke erst nach 2030 stillgelegt werden – und mit jährlichen Emissionen in Höhe von etwa 1500 kt CO2äq zur Überschreitung des Sektorziels beitragen.
Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) plant die Kohlekraftwerke bis 2028 stillzulegen. Damit die EnBW Versorgungssicherheit gewährleisten kann, bedarf es in Baden-Württemberg alternativer Kraftwerkskapazitäten, die zugebaut werden müssen. Die Kraftwerksstrategie wird den Zubau von H2-Ready-Erdgaskraftwerken in Süddeutschland anreizen. Da die Finalisierung der Kraftwerksstrategie eine absehbare Änderung der politischen Rahmenbedingungen mit sich bringt, wurde dem in einer Sensitivitätsanalyse – einer Rechnung unter entsprechend veränderten Annahmen – begegnet. Die Sensitivität verdeutlicht, dass die Energiewirtschaft unter Einbeziehung der Kraftwerksstrategie dem Sektorziel näherkommt.
Eine geringe Senkenleistung im Wald führt im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung Forstwirtschaft (kurz LULUCF) dazu, dass der Bereich das Ziel um 1.831 kt CO2äq pro Jahr verfehlt.
Die Zielverfehlung im Jahr 2030 in der Landwirtschaft beträgt laut Projektion knapp 600 kt CO2äq pro Jahr. Hier fehlt es an gezielten Minderungsmaßnahmen im Bereich Tierhaltung. Daneben reichen das Wachstum des Ökolandbaus sowie die damit einhergehende Verringerung von Stickstoff-Emissionen bislang nicht aus.
Der Bereich Industrie reduziert seine Emissionen durch die entsprechenden politischen Maßnahmen signifikant und verfehlt mit etwa 400 kt CO2äq die Zielvorgabe für 2030 knapp. Die Substitution mit Erdgas kann hier ein maßgeblicher Hebel sein. Allerdings ist es in der Industrie auch wichtig, bereits jetzt nach 2040 zu blicken und einen politischen Rahmen auszugestalten, da die Investitionszyklen langfristiger sind als in anderen Sektoren.
Die besten Sektorergebnisse der Projektion
In den Sektoren Gebäude sowie der Abfallwirtschaft werden die Zielvorgaben für 2030 erfüllt. Der Sektor Abfallwirtschaft profitiert von vergangenen Reduktionen und übererfüllt mit erwarteten jährlichen Emissionen von 300 kt CO2äq gegenüber der Vorgabe 569 kt CO2äq das Ziel für das Jahr 2030. Für diesen Bereich sind die Minderungspotenziale aber auch weitestgehend ausgeschöpft. Im Gebäudesektor werden die jährlichen Emissionen in der Projektion um 560 kt CO2äq unterschritten. Der Bereich profitiert insbesondere in Baden-Württemberg davon, dass die Bürger*innen bestehende Sanierungsprogramme bereits sehr gut nutzen und ähnliche Entwicklungen bei der Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien zu erwarten sind.
Ein Blick in die Zukunft
Die Grundlage für die Projektion bildet das im Jahr 2023 reformierte KlimaG BW, das wie das Klimaschutzgesetz auf Bundesebene (KSG) eine Reduktion von THG-Emissionen von 65 Prozent bis zum Jahr 2030 vorsieht. Für das Jahr 2030 werden für Baden-Württemberg rund 42.000 kt CO2äq prognostiziert, das entspricht einem Rückgang von 53 Prozent – ausgehend von 1990. Die anvisierte Reduktion wird damit verfehlt. Es ergibt sich eine THG-Emissionsdifferenz von rund 6.000 kt CO2äq im Jahr 2030. Bis 2040 reduzieren sich die projizierten jährlichen THG-Emissionen auf rund 21.000 kt CO2äq. Die Netto-Treibhausgasneutralität für das Jahr 2040 kann mit den bisher verabschiedeten Maßnahmen noch nicht erreicht werden. Es gilt zu beachten, dass langfristige Szenarien sowie Projektionen im Allgemeinen bis zum Jahr 2040 grundsätzlich mit Unsicherheiten behaftet sind.
In Baden-Württemberg gilt zudem das Sektorprinzip: Es bestehen sektorspezifische Emissionsminderungsziele und bei Zielverfehlungen sind die zuständigen Ressorts zur Nachbesserung verpflichtet. Das Klima-Maßnahmen-Register des Landes gibt Aufschluss über die sektorspezifisch verabschiedeten Maßnahmen zur Emissionsminderung.