Mehrfamilienhäuser: Der blinde Fleck der sozialen Wärmewende
Über die Hälfte der deutschen Haushalte wohnt in Mehrfamilienhäusern. Davon leben achtzig Prozent zur Miete, fünfundfünfzig Prozent davon gehören zum unteren Einkommensdrittel. Sie sind besonders betroffen von den Energiepreissteigerungen. In einer Studie für die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat das Öko-Institut deren Wohnsituation analysiert und die Wirkung der Entlastungspakete des vergangenen Jahres einschließlich der Gas- und Wärmepreisebremse aufgeschlüsselt. Die Analyse zeigt, dass Maßnahmen für besonders betroffene Gruppen zielgerichtet und nachhaltig sein müssen, um die Belastung zu reduzieren, den Energieverbrauch langfristig zu reduzieren und die Haushalte resilient gegenüber Energiepreissteigerungen zu machen.
Die Wohnsituation und die Belastung durch die Energiekosten sind stark vom Einkommen abhängig, ergibt die Studie. Mietende mit geringem Einkommen haben eine deutlich kleinere Pro-Kopf-Wohnfläche und zahlen dennoch prozentual deutlich mehr für ihre Heizkosten. Sie haben überwiegend keinen Handlungsraum bei der Gebäudesanierung. Dies ist den Eigentümer*innnen überlassen, die wiederum nicht von Energieeinsparungen aus Investitionen in Energieeffizienz oder Heizungstausch profitieren. Hier trägt das Mietende-Vermietende-Dilemma. Hinzu kommt, dass die unteren Einkommensklassen überwiegend in älteren Gebäuden wohnen und höhere Energiekosten tragen müssen. Haushalte in neueren Gebäuden ab 2001 haben durchschnittlich zwanzig Prozent weniger Heizenergieausgaben. Nur fünf Prozent der Haushalte des unteren Einkommensdrittels wohnen jedoch in solchen Häusern.
Wie die Gas- und Wärmepreisbremse wirkt
Im Jahr 2022 hat die Bundesregierung drei Entlastungspakete bereitgestellt als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine und die daraus folgenden starken Energiepreissteigerungen. Diese Pakete haben alle Haushalte entlastet. Die Gas- und Wärmepreisbremse bietet einen Rabatt, der mit dem Einkommen ansteigt, da er an den Verbrauch des Vorjahres gekoppelt ist. Haushalte mit höherem Einkommen verbrauchen mehr Heizenergie und profitieren dadurch mehr. Eine zielgerichtete Entlastung der besonders betroffenen Haushalte würde Mittel freisetzen, die für die energetische Sanierung alter Gebäude verwendet werden könnten, so die Analyse. Davon würden auch alle Mietenden profitieren. „Es wäre besser, statt dem Gießkannenprinzip, gezielt Maßnahmen für besonders Betroffene umzusetzen, damit diese Haushalte entlastet werden“, erklärt Dr. Katja Schumacher, stellvertretende Bereichsleiterin Energie & Klimaschutz am Öko-Institut. „So könnten die frei gewordenen Gelder in langfristige Maßnahmen investiert werden.“
Rentner*innen wohnen auf großen Flächen
Die Studie hat die Wohnsituation von Alleinerziehenden, Rentner*innen und Arbeitslosen als stark betroffene Haushalte der Energiekrise untersucht. Besonders Rentner*innen geben überdurchschnittlich viel ihres Einkommens für Heizkosten aus. Das liegt unter anderem daran, dass sie oft über große Wohnflächen verfügen, da sich ein Umzug von der ehemaligen Familienwohnung in eine kleinere Wohnung finanziell nicht lohnt. Auch sind die älteren Wohnungen oft unsaniert. Zudem wohnen die meisten Rentner*innen in Mehrfamilienhäusern zur Miete und fast zwei Drittel haben ein geringes Einkommen. Maßnahmen, die den Gebäudezustand energetisch verbessern, könnten diese Belastung perspektivisch deutlich senken.
Studie „Mehrfamilienhäuser: Der blinde Fleck der sozialen Wärmewende“ des Öko-Instituts
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