Wie nachhaltig sind digitale Plattformen?
Menschen vernetzen, Lebensmittel bestellen oder flexible Mobilitätslösungen – all dies ist heute über digitale Plattformen möglich. Ob letztere einen Beitrag für Nachhaltigkeit und Umweltschutz leisten, untersucht ein noch laufendes Projekt des Öko-Instituts. Erste Zwischenergebnisse für jeweils 15 digitale Plattformen zum Vertrieb von Lebensmitteln und zu Mobilitätsdienstleistungen liegen nun vor.
Ernährung: junger Markt mit Potenzial für nachhaltige Geschäftsmodelle
Derzeit kaufen in Deutschland nur etwa ein Prozent der Menschen ihre Lebensmittel online ein. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie kommen die Lieferdienste der Nachfrage allerdings kaum nach. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass sich der Onlinehandel mit Lebensmitteln hierdurch langfristig verändern wird. Doch welche Chancen ergeben sich hieraus für Mensch und Umwelt?
Bislang hat die Digitalisierung beim Vertrieb von Lebensmitteln wenige grundlegend neue Geschäftsmodelle hervorgebracht. Die Ladenkonzepte der realen Welt werden weitestgehend eins-zu-eins ins Netz übertragen. Doch nachhaltige Geschäftsmodelle sind auf dem Vormarsch. Einige Plattformen haben zum Ziel, den Absatz regionaler Produkte zu fördern, indem sie Landwirtinnen und Landwirten neue Absatzmöglichkeiten und eine relevante Alternative zum Großhandel bieten. Die Digitalisierung erleichtert dabei die Kooperation regionaler Landwirtinnen und Landwirte und erschließt insbesondere auch kleinen Betrieben einen größeren Kundenstamm. Sie wollen damit dem Hofsterben begegnen und einen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung leisten.
Neben der Förderung regionaler Produkte, bestimmen eine ganze Reihe weiterer Faktoren die Nachhaltigkeit der untersuchten Plattformen: So ist unter anderem entscheidend, wie die Ware zu den Kundinnen und Kunden gelangt und ob sie in Einwegtüten oder in Pfandkisten angeliefert wird. Für die Umwelt ist weiterhin ausschlaggebend, ob auch „krummes“ Gemüse, das für gewöhnlich vernichtet wird, abgenommen wird und die Produkte aus dem ökologischen Landbau stammen.
Mobilität: Unterschiede Stadt-Land, ökologische Effekte unsicher
Die Analyse für Plattformen der Mobilitätsbranche zeichnet ein anderes Bild: Hier kann Digitalisierung einen deutlichen Beitrag für innovative und nutzerfreundliche Konzepte des Carsharings, der Shared Mobility (die verschiedene Verkehrsmittel verknüpft), des Rideselling (also online organisierte Mitfahrdienste) sowie für Navigationsdienste und Leasing-Plattformen etwa von E-Scootern leisten. Dabei sind insbesondere die ersten drei Mobilitätsangebote in Städten deutlich stärker vertreten als im suburbanen und ländlichen Raum. Zudem dominieren kommerzielle Konzepte gegenüber Angeboten aus bürgerlichem und kommunalem Engagement auf dem Land.
Ob digitale Plattformen tatsächlich zu weniger gefahrenen Kilometern mit dem privaten Auto führen und stattdessen die gemeinsame Nutzung oder der ÖPNV stärken, ist dabei noch offen. Gerade die Angebote im ländlichen Raum könnten jedoch nachhaltig wirken, so die erste Analyse, da sie den öffentlichen Verkehr eher ergänzen und sie anders als Angebote in der Stadt weniger auf den Gewinn als auf die Daseinsvorsorge ausgerichtet sind.
Zweite zentrale Erkenntnis: Je nachdem wie die Rahmenbedingungen in den Kommunen und Regionen ausgestaltet sind, haben die Anbieter bessere oder schlechtere Chance rentabel zu wirtschaften. Beispiel Ridepooling: Anbieter unterliegen dem Personenbeförderungsgesetz, zudem können Kommunen Einfluss auf die Größe des Bediengebiets, die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge sowie die zulässigen Bedienzeiten nehmen. Diese rechtlichen Regulierungen stellen neben der unterschiedlich hohen Angebotsnachfrage in Zentrums- bzw. Stadtrandlage ein wichtiges Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg dar.
Welche positiven Effekte etwa durch veränderte Rahmenbedingungen auf Anbieter-, Nutzer- und kommunaler Seite entstehen und wie digitale Mobilitätsplattformen langfristig zu einem nachhaltigen Mobilitätsverhalten beitragen können, muss im weiteren Projektverlauf vertieft untersucht werden.
Nächster Schritt: Fallstudien
Die Frage, welchen positiven und negativen sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen Online-Plattformen in den beiden Bedürfnisfeldern Ernährung und Mobilität haben, untersuchen die Expertinnen und Experten des Öko-Instituts im nächsten Schritt in Fallstudien. Sie arbeiten dafür mit der Universität Stuttgart IAT und dem Fraunhofer IAO zusammen. Das Projekt läuft noch bis Ende dieses Jahres und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.