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Zertifizierte CO2-Speicherung im Boden? Ein kritischer Review

  • Hugh McDonald
    Fellow

Klimaschutz durch ökologische Landwirtschaft

Die EU-Kommission hat Ende 2022 einen Vorschlag für ein Regelwerk entwickelt, mit dem künftig Aktivitäten zertifiziert werden sollen, die CO2 aus der Atmosphäre entnehmen und in Senken, unter anderem in Böden, speichern. Diesen Vorschlag haben das Ecologic Institute und das Öko-Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes nun kritisch überprüft und stellen fest, dass er nicht ausreicht, um sicherzustellen, dass zertifizierbare Aktivitäten auf Ackerland und in Wäldern notwendigen hohen Standards genügen werden.

So sei bislang nicht ausreichend dafür gesorgt, dass die potenziell gespeicherten Kohlenstoffmengen nicht überschätzt werden (Quantifizierung). Auch fehlen verbindliche Regeln, um nach der Zertifizierung von Klimaschutzmaßnahmen wieder freigesetztes CO2, etwa durch geänderte landwirtschaftliche Praktiken oder Extremwetterereignisse, zu kompensieren. Zudem reichen die Anforderungen an Zusätzlichkeit von Maßnahmen zur Kohlenstoffentnahme nicht aus, um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen nicht auch ohne das neue EU-Regelwerk und dessen Finanzierung erfolgt wären. 

Diese Aspekte sind besonders deshalb wichtig, weil im Kommissionvorschlag nicht klar definiert ist, zu welchem Zweck die Zertifikate, die aus solchen Maßnahmen zur CO2-Speicherung entstehen sollen, verwendet werden dürfen. So ist nicht ausgeschlossen, dass die zeitlich begrenzte Kohlenstoffspeicherung im Boden zum Ausgleich bereits entstandener Emissionen in anderen Sektoren verwendet werden darf.

Robuste Regeln für den Klimaschutz

„Wenn die Speicherung nicht langfristig gesichert werden kann, die Kohlenstoffentnahme ohnehin erfolgt wäre oder die Menge an gespeichertem Kohlenstoff überschätzt wird, können am Ende mehr klimaschädliche Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, wenn die Zertifikate für die Kompensation verwendet werden,“ erklärt Anne Siemons, Expertin für internationale Klimapolitik am Öko-Institut.

Die Kompensation von Treibhausgasemissionen mithilfe der geplanten Zertifikate sollte deswegen ausgeschlossen werden. Zertifikate aus solchen Aktivitäten könnten stattdessen als finanzieller Beitrag zum Klimaschutz verwendet werden, ohne den Anspruch, Emissionen an anderer Stelle auszugleichen. Alternativ könnten öffentliche Gelder könnten daran geknüpft werden, dass Klimaschutzmaßnahmen, die auf Böden fokussieren, zertifiziert sind.

Insgesamt empfehlen die Wissenschaftler*innen, die Kriterien der Quantifizierung, der Zusätzlichkeit, der langfristigen Speicherung und der Nachhaltigkeit im Regelwerk der EU nachzuschärfen. Insbesondere wenn es zu einer Verwendung von Zertifikaten zur Kompensation kommen sollte, muss die Messlatte für die Aktivitäten dahinter hoch liegen – eine Messlatte, die die klimafreundliche Bodenbewirtschaftung nicht erreicht.

Hintergrund: Potenziale der klimafreundlichen Bodenbewirtschaftung

Die nachhaltige Bewirtschaftung von Böden, etwa durch Wiedervernässung oder eine ökologische Landwirtschaft spielen eine besondere Rolle beim Klimaschutz, weil somit deutlich mehr CO2 in Böden gespeichert werden kann. So kann eine nachhaltige und klimafreundliche Landnutzung Treibhausgasemissionen sowohl vermeiden als auch zusätzlich Kohlenstoff in Senken speichern. Expert*innen schätzen, dass das jährliche Minderungspotenzial der klimafreundlichen Bodenbewirtschaftung zwischen 70 und 115 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten liegt.

Der am 30. November 2022 veröffentlichte Vorschlag der EU-Kommission für einen Rahmen zur Zertifizierung der Kohlenstoffentnahme zielt darauf ab, Anreize zu schaffen, mehr CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen. Neben geologischer Speicherung und Kohlenstoff, der in Produkten gebunden ist, zielt der Vorschlag dabei auf der Förderung des sogenannten "Carbon Farming", in dem klimafreundliche Landnutzung Kohlenstoff in Böden und Biomasse binden soll. Das neue Rahmenwerk legt Regeln für die Zertifizierung und Steuerung der Kohlenstoffentnahme vor. Wichtiger Bestandteil des Vorschlags sind die so genannten vier QU.A.L.ITY-Kriterien, die Anforderungen an die Zertifizierung in Bezug auf Quantifizierung, Zusätzlichkeit, langfristige Speicherung und Nachhaltigkeit formulieren.

Studie „QU.A.L.ITY soil carbon removals? Assessing the EU Framework for Carbon Removal Certification from a climate-friendly soil management perspective“ von Ecologic Institute und Öko-Institut