Chancen und Risiken von ‚Genome Editing‘: Öko-Institut fordert fundierte Bewertung
Gestern hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass auch neue gentechnische Verfahren wie ‚Genome Editing‘ und dadurch gewonnene Organismen grundsätzlich unter die Gentechnikrichtlinie fallen. In einem aktuellen Positionspapier unterstreicht das Öko-Institut, dass jetzt eine fundierte Chancen-Risiken-Analyse sowie eine gesellschaftliche Bewertung nötig sind, um die verantwortungsvolle Anwendung der Verfahren für die Zukunft zu gewährleisten.
Unter ‚Genome Editing‘ werden neue gentechnische Arbeitsweisen zusammengefasst, die im Vergleich zur traditionellen Gentechnik besonders zielgerichtete Eingriffe in das Erbgut von Organismen und dadurch neue Funktionalitäten ermöglichen. So könnten beispielsweise Pflanzen einfacher, schneller und präziser gezüchtet werden, die gegen Krankheiten resistent sind. Diese müssten weniger gedüngt und mit Pestiziden behandelt werden, was im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft wäre. Andererseits zeigen neueste Forschungen, dass es zu unbeabsichtigten Auswirkungen auf das Genom, zu so genannten „Off-Target“-Effekten, kommen kann. Für eine konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips begrüßt das Öko-Institut daher die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
Unvoreingenommene Bewertung von Chancen und Risiken
Nach Auffassung des Öko-Instituts tragen Entwickler und Anwender der neuen gentechnischen Verfahren eine hohe Verantwortung für deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit, gerade durch die besondere Zielgerichtetheit der Eingriffe. Hierfür liegt nun ein geeigneter Rechtsrahmen vor, um mögliche Risiken detailliert zu analysieren, bevor veränderte Organismen in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Gleichzeitig fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Chancen für eine nachhaltigere Landwirtschaft gleichermaßen systematisch überprüft, konkretisiert und bewertet werden.
„Damit vorhandene Chancen genutzt werden können, brauchen wir eine umfassende Begleitforschung für die weitere Entwicklung der neuen gentechnischen Verfahren“, fordert Martin Möller, stellvertretender Leiter des Institutsbereichs Produkte & Stoffströme am Öko-Institut. „Wir müssen genau untersuchen, inwieweit diese Technologie umweltschädliche Praktiken in der Landwirtschaft tatsächlich ablösen kann. Zudem brauchen wir Klarheit über derzeit vorhandene Risiken, wie etwa unbeabsichtigte schädliche Effekte.“
Verlässlicher rechtlicher und gesellschaftlicher Rahmen nötig
Angesichts der möglichen Eingriffstiefe und breiten Anwendungsfelder der neuen gentechnischen Verfahren sowie ihre leichte Verfügbarkeit für breite Anwendergruppen hält das Öko-Institut eine vollumfängliche, am Vorsorgeprinzip ausgerichtete Umsetzung der Gentechnikrichtlinie für unerlässlich.
„Eine konsequente Anwendung des Gentechnikrechts wird wichtige Fragen der Risikobewertung und des Risikomanagements der neuen gentechnischen Verfahren klären“, sagt Andreas Hermann, Senior Researcher am Institutsbereich Umweltrecht & Governance. „Anhand der dann vorliegenden neuen Erkenntnisse muss eine gesellschaftliche Diskussion über die Chancen und Risiken erfolgen. Nur auf dieser Basis können etwaige Änderungen des Gentechnikrechts in der Zukunft angestoßen werden.“