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Landnutzung im EU-Klimaziel 2030: Ökosysteme sind mehr als Kohlenstoffspeicher

Waldschutz ist Klimaschutz

Die Bewirtschaftung von Wäldern, Acker- und Grünlandflächen hat Wirkung auf die Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre. Deshalb müssen diese Aktivitäten im Klimaschutzziel der EU berücksichtigt werden. Über das „wie“ streiten EU-Parlament und EU-Ministerrat zurzeit – doch es ist entscheidend dafür, ob das Klimaschutzziel insgesamt ambitionierter oder verwässert wird.

Denn durch die Nutzung von Naturräumen wie Wäldern, Mooren oder Grünflächen werden entweder Treibhausgase freigesetzt oder es können sogenannte natürliche Senken entstehen, die CO2 aus der Atmosphäre ziehen und als Kohlenstoff in Pflanzen und Boden speichern. Wälder schützen, aufforsten und nachhaltig bewirtschaften. Feuchtgebiete bewahren und wiederherstellen durch Vernässung von Acker- und Grünland. Diese und weitere Maßnahmen tragen dazu bei, die natürlichen Kohlenstoffspeicher in der EU auszubauen, damit diese ihre wichtigen Funktionen im Klimasystem wahrnehmen und bei der Anpassung an den Klimawandel helfen können. Sie helfen außerdem, Artenvielfalt zu sichern – ein zentrales Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie.

In einer Kurzanalyse für Greenpeace Deutschland hat das Öko-Institut Optionen für ein Ziel für natürliche Senken für die Europäische Union erörtert. Die Studie analysiert neben der potenziellen CO2-Speicherung die Leistungen aber auch Konflikte, die ein Ausbau der Senken für die EU-Strategien zum Ausbau der erneuerbaren Energien, zur Anpassung an den Klimawandel sowie den Schutz der Biodiversität hat.

Rolle von Senken im EU-Klimaschutzziel ambivalent

Die EU verpflichtet sich, bis zum Jahr 2030 mindestens 55 Prozent ihrer klimaschädlichen Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren, um 2050 schließlich klimaneutral zu werden. Die EU-Kommission plant aktuell, dass dieses Ziel auch den Landnutzungssektor (engl.: Land Use, Land-Use Change and Forestry, LULUCF) einschließen soll und hat dies auch in ihrem aktualisierten Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen berücksichtigt.

Im Jahr 1990 betrug die Netto-Senke des LULUCF-Sektors in den 27 EU-Mitgliedsstaaten 275 Millionen Tonnen (Megatonnen, Mt) CO2 pro Jahr. Obwohl der Netto-Kohlenstoffaufbau durch Senken 2006 einen Höchststand von 355 Mt CO2 pro Jahr erreichte, ist er seither wieder auf 280 Mt CO2 pro Jahr im Jahr 2018 zurückgegangen – was in etwa dem Niveau von 1990 entspricht. Trotzdem könnten andere Sektoren im Jahr 2030 etwa 110 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente mehr ausstoßen, gut zwei Prozent der EU-Emissionen von 1990, allein dadurch, dass die Senke ins Klimaziel einbezogen wird.

Klimaziel verschärfen und Ziel für Senken festlegen

Deshalb sollte einerseits das Klimaziel verschärft werden, um die Ziele der EU an denen des Pariser Klimaschutzabkommens auszurichten und andererseits ein separates Ziel für Senken festgelegt werden. Dieses soll helfen, Anreize zu setzen, natürliche Senken zu erhöhen aber auch durch Wiederherstellung und Schutz von Ökosystemen, deren Situation insgesamt zu verbessern. Zurzeit prüft die EU-Kommission ob die bisher geltenden Regeln für LULUCF, die die Integration nicht berücksichtigen, angepasst werden müssen.

Bereits bis zum Jahr 2030 könnten natürliche Senken in der EU jährlich 400 bis 600 Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgasemissionen speichern. Als Rahmen dafür muss die EU rechtlich verbindliche, durchsetzbare, quantitatives nationale Ziele für den Aufbau und Schutz von Senken definieren. Nicht zuletzt braucht es genaue Regeln zur Bilanzierung und Berichterstattung sowie soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien für die Senken.

Hohe Bedeutung natürlicher Senken für Biodiversität und Klimaschutz

Senken entstehen durch das Wachstum von Biomasse, die langfristig Kohlenstoff in Vegetation, Böden und Produkten, wie Möbeln oder Bauholz speichert. Gleichzeitig werden jedoch auch Emissionen aus der Nutzung von Biomasse freigesetzt, durch die intensive Landwirtschaft und die Vernichtung von Wald und Acker- und Grünland etwa für den Bau neuer Wohngebiete oder anderer Infrastrukturen.

„Wenn wir alte Wälder schützen, Moore renaturieren oder küstennahe Ökosysteme wie Salzwiesen unter Schutz stellen, sorgen wir dafür, dass sie weniger stark von Schädlingen befallen werden oder widerstandsfähiger gegen extreme Klimaphänomene wie Stürme werden“, erklärt Judith Reise, Mitarbeiterin im Projekt am Öko-Institut. „Damit erhalten sie gleichzeitig mehr Raum und Kapazität, um mehr Kohlenstoff aufzunehmen und zu speichern. Eine Win-win-Situation für den Arten- und Klimaschutz.“

Situation der Senken in der EU heute – Beispiel Wälder

Die Studie gibt auch einen Überblick über die Situation der schützenswerten Ökosysteme in der EU. So umfassen etwa die Wälder der 27 EU-Mitgliedsstaaten und in Großbritannien heute eine Fläche von 167 Millionen Hektar. Sie enthalten Biomasse, die insgesamt 9,8 Gigatonnen CO2 speichert. Doch gerade der Wald ist Störungen in Folge des Klimawandels stark ausgesetzt. So führen Stürme und Trockenheit dazu, dass Bäume absterben, Schädlinge sich leichter ausbreiten und noch mehr Pflanzen vernichten. Schätzungen gehen davon aus, dass solche Störungen dazu führen, dass die europäischen Wälder von 2021 bis 2030 jährlich 180 Mt weniger CO2 speichern. Die Netto-Waldsenke schrumpft damit um mehr als 50 Prozent.

Aber auch Waldbrände setzen große Menge vormals gespeichertes CO2 frei. So sind etwa durch die Brände in Portugal und Italien im Jahr 2017 insgesamt rund 23 Mt CO2 freigesetzt worden – das waren rund 40 Prozent der Wald-Kohlenstoffsenken in den beiden Ländern in den Vorjahren.

Studie „Exploratory Analysis of an EU Sink and Restoration Target“ des Öko-Instituts

Weitere Informationen

Pressemitteilung “Weitere Ausgestaltung des EU-Klimaziels für 2030 maßgeblich für Klimaschutz“ (Dezember 2020) des Öko-Instituts

Infografik “Der Weg zur Klimaneutralität in der EU“ des Öko-Instituts