Umweltschutz und Tourismus: Bestandsaufnahme des Öko-Instituts
Der innerdeutsche Tourismus boomt: 75 Millionen Reisen zählte die Branche im Jahr 2015. Tendenz steigend. Städtereisen liegen im Trend, ihr Marktanteil ist in den letzten zehn Jahren um 49 Prozent gestiegen. Im Gegensatz dazu haben es kleine Gemeinden schwer, für Touristen attraktiv zu bleiben, obwohl die Nachfrage an Aktiv-, Gesundheits- und Naturreisen im ländlichen Raum besteht. Die demographische Entwicklung wirkt sich ebenfalls auf den Tourismus aus: Der Anteil der Reisenden über 60 Jahren steigt – von 30 auf 40 Prozent. Zudem sorgen Wetterextreme und ein damit verbundenes neues Buchungsverhalten der Reisenden für eine geringere Planungssicherheit.
Die Tourismusbranche muss sich auf Veränderungen einstellen. Dass diese auch für den Umweltschutz Folgen haben, zeigt eine aktuelle Studie von Öko-Institut und der Deutschen Sporthochschule Köln. In der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) beauftragten Bestandsanalyse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler umfängliche Daten aus der Tourismusbranche zusammengetragen und hinsichtlich der Umweltauswirkungen durch Tourismus, Freizeitgestaltung und Natursport untersucht. Grundsätzliche Kritik des Forschungsteams: Das Dokumentieren und Bewerten von Umweltschutzmaßnahmen im Tourismus ist in Deutschland derzeit noch zu gering – im Gegensatz etwa zu den Nachbarländern Österreich und Schweiz.
Inszenierung vs. Naturerlebnis
Der Trend im Tourismus geht hin zu spaß- und erlebnisorientierten Reiseangeboten – auch durch den Einsatz hochtechnologischer Produkte. E-Mountainbikes gestatten ungeübten Freizeitsportlern anspruchsvolle Routen. Carving-Skis eröffnen einer noch breiteren Masse den Skisport und Beschneiungsanlagen ermöglichen unter hohem Energie- und Wassereinsatz Wintersport bei Schneemangel. Alleine in den deutschen Alpen sind rund zehn Prozent der 3.700 Hektar Gesamtpistenfläche mit Beschneiungsanlagen ausgestattet. In Slowenien beträgt der Anteil rund 27 Prozent, in Italien und Österreich sogar 40 Prozent.
„Besonders Wochenendtrips werden für Natursportarten genutzt, der Spaßfaktor steht dabei im Mittelpunkt", beschreibt Daniel Bleher, Experte für nachhaltigen Tourismus am Öko-Institut, die aktuelle Situation. „Das Verständnis für Natur und Nachhaltigkeit steht an zweiter Stelle. Von touristischen Anbietern und Urlaubsorten werden Inszenierungen erwartet statt natürlicher Erlebnisse. Die gestiegenen Ansprüche an die örtliche Infrastruktur und den Ausstattungsgrad der Unterkünfte unterstreichen diese Entwicklung."
Umweltauswirkungen des Tourismus
Dies spiegelt sich auch im Energie- und Wasserverbrauch der Unterkünfte wieder – etwa von Drei-Sterne-Hotels, die rund 45 Prozent aller klassifizierten Beherbergungsbetriebe in Deutschland ausmachen. Vergleicht man diese hinsichtlich ihres Energieverbrauchs wird deutlich, dass es Häuser mit hohem Einsparpotenzial gibt. „Sowohl für Strom als auch für Raumwärme liegen die Unterschiede zwischen den Unterkünften bei bis zu 30 Prozent“, so Bleher. „Im Bereich Energieeffizienz gibt es also noch reichlich Potenzial, das genutzt werden will.“
Gleiches gilt für den Wasserverbrauch, der durchschnittlich zwischen 250 und 308 Liter pro Übernachtung beträgt. Zum Vergleich: Der täglichen Pro-Kopf Wasserverbrauch deutscher Haushalte liegt bei 121 Litern pro Tag und damit um rund die Hälfte niedriger als in Hotels dieser Sterne-Kategorie.
Maßnahmen und einheitliche Standards
Die zunehmenden Risiken genau beobachten und frühzeitig Alternativen anbieten, um den Tourismus für die Zukunft umweltverträglich aber auch rentabel zu machen, lautet die Empfehlung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts. Grundlage hierfür sind einheitliche Standards für eine Dokumentation und Bewertung bereits bestehender Maßnahmen – wie etwa zur Klimabilanzierung touristischer Aktivitäten.
„Wünschenswert wäre, dass für klimafreundliche Projekte wie „Fahrtziel Natur“, „Mit der Bahn in die Berge“ oder „Klimafreundlicher Bergsport“ eine Auswertung der vorgenommenen Maßnahmen durchgeführt würde“, nennt Bleher konkrete Beispiele. „Dies ist gerade in diesem Bereich sinnvoll, da für die CO2-Emissionen, die durch An- und Abreise in den Urlaub oder Tagesausflug entstehen, exakte Zahlen berechnet und für zukünftige nachhaltige Ansätze genutzt werden können.“