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Zukunftsstudie zeigt Wege für nachhaltige Siedlungsentwicklung im Landkreis Alzey-Worms

Zielkonflikte zwischen Grünflächenerhalt, Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung müssen diskutiert werden.

Wachstum oder Konsolidierung? Beim Thema Siedlungsentwicklung steht der Landkreis Alzey-Worms vor wichtigen Entscheidungen. Eine umfassende Zukunftsstudie des Öko-Instituts und der empirica AG untersucht nun die sozioökonomischen, fiskalischen und ökologischen Auswirkungen verschiedener Entwicklungsszenarien bis zum Jahr 2040. Die vom Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz geförderte Studie soll politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit eine fundierte Grundlage für zukunftsweisende Entscheidungen bieten.

Szenarien: Wachstum vs. Konsolidierung

Die Studie betrachtet zwei Hauptszenarien: das Wachstums- und das Konsolidierungsszenario. Das Wachstumsszenario geht davon aus, dass der Landkreis weiterhin in großem Umfang neue Wohn- und Gewerbeflächen ausweist. Dies könnte bis 2040 zu einem Bevölkerungszuwachs von rund 15.100 Personen und 11.100 zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen führen. Allerdings wäre damit auch ein Flächenverbrauch von rund 414 Hektar für Wohnbau- und Gewerbeentwicklung verbunden.

Dem gegenüber steht das Konsolidierungsszenario, das sich stärker an den Flächensparzielen der Bundesregierung, insbesondere dem 30-Hektar-Ziel, orientiert. Hier würde der Flächenverbrauch bei Wohnbau- und Gewerbeentwicklung auf nur 166 Hektar begrenzt werden, was mit einem moderateren Bevölkerungswachstum von 6.500 Personen und einem geringeren Beschäftigungswachstum von 3.800 Arbeitsplätzen einhergeht.

Zusätzlich zeigen die Expert*innen auf, wie sich die Treibhausgasemissionen des Landkreises in Zukunft entwickeln können. Abseits des „weiter-wie-bisher“ haben sie die Auswirkung weiterer zusätzlicher Klimaschutzmaßnahmen sowie eine klimaoptimierte Politik untersucht.

Verkehr: Anreize für nachhaltige Mobilität schaffen

Sowohl das Wachstums- als auch das Konsolidierungsszenario gehen von einer Zunahme der Verkehrsbelastung aus, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Im Wachstumsszenario wird erwartet, dass viele der neu zugezogenen Bewohner*innen weiterhin in die umliegenden Metropolregionen pendeln, was zu einer höheren Belastung der Verkehrsinfrastruktur führt. Im Konsolidierungsszenario wird eine ähnliche Entwicklung erwartet, da die Einwohner*innen aufgrund des begrenzten Wohnraumangebots außerhalb des Landkreises Wohnraum suchen und zurückpendeln müssen.

Der weitere Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), die Förderung des Radverkehrs und der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sowie weitere Anreize für eine schnelle Elektrifizierung des Straßenverkehrs sind deshalb besonders wichtig, um die verkehrsbedingten Emissionen zu reduzieren. Den Berechnungen zufolge könnten die Treibhausgasemissionen im Verkehr im klimaoptimierten Konsolidierungsszenario bis 2040 auf rund 73.000 Tonnen CO2-Äquivalente (t CO2e) (minus 86 Prozent ggü. 2019) und im Standard-Wachstumsszenario auf rund 287.000 t CO2e (minus 47 Prozent ggü. 2019) gesenkt werden.

Gebäudesektor: Priorität Gebäudebestand

Im Gebäudebereich stellt der Neubau eine besondere Herausforderung dar. Während im Wachstumsszenario jährlich rund 457 neue Wohneinheiten entstehen würden, sind es im Konsolidierungsszenario nur 313. Damit einher geht auch ein deutlicher Unterschied im Energieverbrauch und den CO2-Emissionen. Im Konsolidierungsszenario könnten die CO2-Emissionen im Gebäudebestand durch die Umsetzung ambitionierter Klimamaßnahmen bis 2040 auf 16.000 t CO2e gesenkt werden, während im Wachstumsszenario die Emissionen bei 73.000 t verbleiben könnten.

Flächenverbrauch und Klimaschutz

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist der Zielkonflikt zwischen dem Erhalt von Grünflächen und dem Bedarf an neuen Wohn- und Gewerbeflächen. Im Wachstumsszenario müssten bis zu 95 Prozent der vorhandenen Wohnbauflächen und 42 Prozent der Gewerbeflächenpotenziale aktiviert werden, um den prognostizierten Bedarf zu decken. Im Konsolidierungsszenario hingegen würde der Flächenverbrauch drastisch reduziert, indem vorrangig in Siedlungsgebieten gebaut wird, die eine höhere Bebauungsdichte zulassen.

„Es ist prinzipiell möglich für den Landkreis Alzey-Worms, die Flächensparziele der Bundesregierung für den Wohnungsbau und die Gewerbeentwicklung einzuhalten“, erklärt Constantin Tielkes, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei empirica. „Allerdings geht eine Beschränkung der Flächenentwicklung mit Nebenwirkungen einher. Diese haben wir beziffert. Der Landkreis kann nun auf Basis konkreter Zahlen über die weitere Ausrichtung diskutieren.“

Die Studie zeigt klar die Notwendigkeit, die verschiedenen Zielkonflikte bewusst und strategisch anzugehen. Dabei sollten vor allem solche Maßnahmen priorisiert werden, die sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch den Klimaschutz voranbringen. Der Landkreis hat beim Ausbau der erneuerbaren Energien bereits Erfolgsgeschichte geschrieben. Daran sollte angeknüpft werden, um die Vorreiterrolle beim Klimaschutz weiter auszubauen.
Dr. Tilmann Hesse
Projektleiter & Senior Researcher, Energie & Klimaschutz

Auch jenseits aller Zielkonflikte gibt es Herausforderungen für den Landkreis. Hierzu zählt wie vielerorts der sich verschärfende Arbeits- und Fachkräftemangel, für den der Landkreis Antworten finden muss.

Studie „Zukunftsstudie Alzey-Worms“ von Öko-Institut und empirica

Ansprechpartner bei der empirica AG

Constantin Tielkes
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
empirica AG
Telefon: +49 30 884795-26
E-Mail: tielkes@empirica-institut.de