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Von der anonymen Massenware zum unterscheidbaren Produkt

Kennzeichnung von Strom

  • N. v. Grabczewski
  • U. R. Fritsche

Im April 1998 wurde der deutsche Strommarkt für den Wettbewerb geöffnet. Seitdem können die Verbraucher ihren Stromanbieter frei auswählen. Doch sie nutzen die neue Entscheidungsfreiheit bisher nur in geringem Maße: Weniger als 5 % der Haushalte haben bis heute den Stromanbieter gewechselt. Auch die Chance, umweltfreundlich erzeugten Strom zu kaufen, nutzen bisher nur wenige Kunden. Bei den neu abgeschlossenen Verträgen liegt der Anteil von Ökostrom-Kunden unter 20 %.

Dies zeigt, dass Strom ein "low-interest"-Produkt ist, das vor allem dann Aufmerksamkeit auf sich zieht, wenn die Versorgung unterbrochen ist.

Doch auch jenen Stromkunden, die gezielt den besten Anbieter für ihre Bedürfnisse suchen wollen, wird die Wahl erschwert. Ihnen fehlen übersichtliche Informationen, um verschiedene Angebote beurteilen zu können. So wird bereits der Preisvergleich dank mehrfach gestaffelter Grund- und Arbeitspreise für den Laien zur oft nur schwer lösbaren Rechenaufgabe.

Um ihre Marktmacht nicht nur für eine preiswerte, sondern auch für eine umweltverträglichere Stromversorgung einsetzen zu können, brauchen die Verbraucher dringend Entscheidungshilfen an die Hand. Maßgeblich sind transparente Preisangaben und Informationen über die Art der Stromerzeugung und die dabei entstehenden Umweltbelastungen. Einige Anbieter geben zwar bereits heute Auskunft zum eingesetz-ten Primärenergiemix, doch haben die Kunden keine Möglichkeit, die Zuverlässigkeit dieser Angaben zu überprüfen. Nur wenige Anbieter lassen ihre Stromprodukte freiwillig durch eine unabhängige Institution zertifizieren.

Um den Wettbewerb am Strommarkt zu intensivieren und den Verbrauchern eine informierte Kaufentscheidung zu ermöglichen, ist eine einheitliche Kennzeichnung von Stromangeboten dringend erforderlich. Sie muss neben dem Preis auch Informationen zur Art der Stromerzeugung und zu Umweltbelastungen umfassen.

Einzelne Länder kennzeichnen bereits ihren Strom, so dass ein entsprechendes System für Deutschland und Europa von deren Erfahrungen profitieren kann. Vorreiter sind verschiedene US-Bundesstaaten, Ontario (Kanada) und Österreich.

In Vorbereitung befinden sich Regelungen zur Kennzeichnung in der Schweiz, den Niederlanden und in zwei Bundesstaaten Australiens. Die EU-Kommission hat die Kennzeichnung von Strom als Bestandteil der geplanten Richtlinie zur Vollendung des Binnenmarktes für Elektrizität vorgeschlagen. Das EU-Parlament hat diesen Vorschlag aufgegriffen und ergänzt. Auch der deutsche Wirtschaftsminister hat sich inzwischen für eine Kennzeichnung von Strom ausgesprochen.

Da sich ein Großteil des Handels mit Strom auf europäischer Ebene abspielt, muss eine Kennzeichnungsregelung in jedem Fall europaweit angestrebt werden. Dies bedeutet, dass Deutschland so rasch wie möglich eigene Vorstellungen entwickeln und in die europäische Debatte einbringen sollte.