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Die Zukunft liegt auf unseren Tellern

Wie können wir mit Essen und Trinken das Klima mit retten? Im Jahr 2050 wird mehr als die Hälfte der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft stammen. Zwei Expertinnen erklären, warum Pflanzenessen so gut fürs Klima ist.

Was bedeutet es, „zukunftsfähig zu essen“? Wie können wir mit Essen und Trinken das Klima mit retten? Im Jahr 2050 wird mehr als die Hälfte der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft stammen. Wer anfängt, weniger Fleisch zu essen, tut etwas gegen die immensen Klimafolgen des Fleischkonsums. Auch fettreiche Milchprodukte haben einen sehr großen Klimafußabdruck. Senior Researcher Kirsten Wiegmann und Margarethe Scheffler erklären, was man fürs Klima tut, wenn man Pflanzen isst.

1. Was heißt das Klimaabkommen von Paris für Herrn und Frau Mustermann?

[caption id="attachment_2872" align="alignleft" width="467"] Abbildung 1: Quelle: Nationaler Inventarbericht, UBA2018, Darstellung: Öko-Institut[/caption]

 

(Abbildung 1) Allein mit der Ernährung verursachen wir heute mehr Treibhausgase als unser Klimabudget im Jahr 2050 hergibt. Um die Zielmarke einhalten zu können, sind also auch große Veränderungen in der Ernährung und in der Landwirtschaft zu bewältigen.

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Zur Einordnung: Eine Bundesbürgerin oder ein Bundesbürger verursacht durch Energieverbrauch, Transport und Konsum CO2-äquivalente Emissionen (CO2

e) von knapp zwölf Tonnen pro Jahr. Ein klimaverträgliches Maß wäre etwa eine Tonne pro Person.

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2. Bedeutung des Sektors Landwirtschaft im Klimaschutz

[caption id="attachment_2873" align="alignleft" width="479"] Abbildung 2: Quelle: Öko-Institut[/caption]

 

(Abbildung 2) Langfristig werden die Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft den größten Teil der verbleibenden Klimagase ausmachen. In der Landwirtschaft stammen die Emissionen aus bio-geochemischen Prozessen, die schwer steuerbar sind. Die Dekarbonisierung gelingt in anderen Sektoren besser.

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Die Klimagase des Sektors sind Methan (50 Prozent) und Lachgas (46 Prozent) und – viel weniger – CO2 (4 Prozent). Diese bilden zusammen knapp acht Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland, Tendenz deutlich steigend (gelbe Linie): Im Jahr 2050 wird mehr als die Hälfte der Emissionen aus der Landwirtschaft stammen. Abhängig davon, wie erfolgreich die Transformation der übrigen Sektoren in eine treibhausgasneutrale Zukunft verläuft – und auch abhängig davon wie wir uns ernähren wollen.

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3. Woher stammen die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft und wie entwickeln sie sich?

[caption id="attachment_2874" align="alignleft" width="491"] Abbildung 3: Quelle: Öko-Institut[/caption]

(Abbildung 3) Knapp die Hälfte der Emissionen (45 Prozent, dunkelblau) gehen unmittelbar auf Tierhaltung zurück. Allein die Verdauung der Wiederkäuer, bei uns vor allem Kühe und Rinder, machte im Jahr 2016 mehr als ein Drittel aller landwirtschaftlichen Emissionen aus. Die zweite große Quelle liegt in der Düngung der Böden (36 Prozent, hellblau).

In vielen Regionen geht der Landwirtschaft Stickstoff über Wasser und Luft verloren. Daraus entsteht direkt und indirekt Lachgas. Das Gas ist 300-fach klimaschädlicher als CO2.

Im Jahr 2016 wurden Emissionen von rund 72 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten dokumentiert. Der Klimaschutzplan der Bundesregierung von 2016 legt sektorale Minderungsziele fest. Demnach darf der Landwirtschaftssektor im Jahr 2030 noch höchstens 58 bis 61 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittieren.

Der Klimaschutzplan der Bundesregierung aus dem Jahr 2016 legt Minderungsziele für einzelne Sektoren fest. Demnach darf die Landwirtschaft im Jahr 2030 noch höchstens 58 bis 61 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verursachen. Das ist eine Verringerung von 15 bis knapp 20 Prozent (bzw. 31 bis 34 Prozent gegenüber 1990). Bestehende Instrumente senken die Emissionen für das Jahr 2030 auf rund 67 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.

Rückblick

Im Jahr 2006 erreichte die Landwirtschaft ihr bisheriges Minimum an Emissionen von Klimagasen (ohne Energie), bis 2016 sind sie dann wieder gestiegen. 2018 war der Wert (der bisher nur vorläufig berechnet ist) deutlich geringer. Doch liegt das unter anderem daran, dass die Emissionen aus der Düngung der Böden gering waren. Durch die Dürre ist die letzte Düngung in dem Jahr vielfach unterlassen worden.

Ausblick - wodurch lassen sich Emissionen aus der Landwirtschaft senken?

[caption id="attachment_2875" align="alignleft" width="474"] Abbildung 4: Quelle: Öko-Institut[/caption]

(Abbildung 4) Das Maßnahmenprogramm für den Klimaschutzplan der Bundesregierung sieht daher folgende fünf Maßnahmen für die Landwirtschaft vor:

  1. Weniger Stickstoffüberschüsse

  2. Mehr Vergärung von Wirtschaftsdüngern (Mist und Gülle)

  3. Mehr Ökolandbau

  4. Weniger Emissionen in der Tierhaltung

  5. Energieeffizienz in der Landwirtschaft

Außerdem sind die landwirtschaftlichen Betriebe noch von weiteren Maßnahmen betroffen, deren Wirkung aber im Sektor Landnutzung und Forstwirtschaft „verbucht“ werden:

  1. Humusaufbau im Ackerland

  2. Erhalt von Dauergrünland

  3. Schutz von Moorböden/ Reduktion von Torfeinsatz

  4. Vermeidung von Lebensmittelabfällen

 

4. Emissionen aus der Tierhaltung in Deutschland

[caption id="attachment_2876" align="alignleft" width="487"] Abbildung 5: Quelle: Öko-Institut, Darstellung auf Basis von UBA 2018, Meier 2013[/caption]

(Abbildung 5) Da die Tierhaltung viele Emissionen verursacht, gibt es hier viel Verbesserungsbedarf, beispielsweise technisch mit Güllevergärung oder beim Stallbau.

Doch gerade bei der Verdauung der Kühe und Rinder, bei der so viel Methan entsteht, gibt es bisher keine wissenschaftlich gesicherte und langfristig wirksame Minderungstechnologie. Hier liegt ein neuralgischer Punkt für den Klimaschutz in der Landwirtschaft.

Wir schützen daher das Klima, wenn wir mehr pflanzliche statt tierische Lebensmittel essen: Weniger Tiere würden die direkten Emissionen aus der Verdauung und der Güllewirtschaft verringern.

Die indirekten Emissionen aus der Flächenbewirtschaftung würden sich allerdings nur gering verändern, denn die Fläche würde wahrscheinlich weiter beackert werden – schließlich wächst weltweit die Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen.

Doch noch werden mehr als 60 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen für das Futter der Nutztiere benötigt. Neben Wiesen und Weiden wird auf knapp der Hälfte des Ackerlands Futtergetreide und Silomais für die Tiere angebaut. Hinzu kommen Futtermittelimporte wie Soja, für das noch einmal rund eine Million Hektar im Ausland benötigt werden. Die Produktion von Fleisch und Milch benötigt drei bis sieben Mal so viel Fläche wie eine pflanzliche Ernährung.

 

5. Eine gesunde Ernährung ist besser für das Klima

[caption id="attachment_2877" align="alignleft" width="485"] Abbildung 6: Quelle: Öko-Institut auf Basis DGE-Emfpehlungen, UBA 2018[/caption]

 

(Abbildung 6) Eine gesunde Ernährung ist besser für das Klima: Bei Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) können bei Fleisch in jedem Fall Treibhausgase eingespart werden. Bei Milch ist das nur möglich, wenn wir uns an die niedrigere Empfehlung der DGE halten.

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            [caption id="attachment_2878" align="alignleft" width="463"] Abbildung 7, Quelle: Öko-Institut[/caption]

(Abbildung 7) Im Durchschnitt essen die Deutschen pro Kopf in der Woche mehr als ein Kilogramm Fleisch, vor allem Schweine- und Rindfleisch. Würde jeder nur halb so viel davon essen, könnten mehr als sieben Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, wenn der Tierbestand entsprechend verkleinert wird.

Auch wenn wir erstmal „klein“ anfangen und durch kleinere Portionen und selteneren Verzehr 25 Prozent weniger Fleisch essen würden, könnten immerhin noch drei Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

    [caption id="attachment_2879" align="alignleft" width="450"] Abbildung 8: Quelle: Öko-Institut[/caption]

(Abbildung 8) Da die Verdauung der Wiederkäuer viel Methan freisetzt, haben Milchprodukte einen besonders großen Klimafußabdruck. Je mehr Milch in ihnen steckt (am meisten in Hartkäse) und je mehr Fett sie enthalten (am meisten in Butter), desto mehr Klimagase verursachen wir bei deren Genuss.

Wenn wir gemäß der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung insgesamt weniger und fettärmere Milchprodukte essen und trinken, beispielsweise mehr Quark und Frischkäse statt Käse, Butter und Sahne, können wir vier Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Auch hier wieder nur, sofern auch der Tierbestand entsprechend verkleinert wird.

   

 

6. Lebensmittelabfälle

[caption id="attachment_2881" align="alignleft" width="429"] Abbildung 10: Quelle: Öko-Institut, eigene Berechnungen auf Basis WWF 2015, Meier 2013[/caption]

15 Prozent der Treibhausgase aus der Ernährung entstehen durch Lebensmittelabfälle, die vermeidbar wären. Da die Erzeugung von Tierprodukten viel klimabelastender ist als die von Pflanzen, gehen auf die Abfälle dieser Produkte mehr Emissionen zurück – obwohl die weggeschmissene Menge geringer ist (Landwirtschaft bis Handel). Trotzdem gibt schätzungsweise jede 7. bis 20. Kuh „Milch für die Tonne“. (Abbildung 10)

       

 

7. Weniger Tiere helfen, Stickstoffüberschüsse zu senken

Um die Tiere vom eigenen Land zu ernähren und genügend Fläche zur Ausbringung der tierischen Nährstoffe zur Verfügung zu haben, gilt als Obergrenze für den Tierbesatz pro Hektar ein Richtwert von rund 2 Rindern, 12 Mastschweinen oder etwa 500 Hühnern, Hähnchen oder anderes Geflügel. Allerdings steht ein Großteil der Tierbestände (38 Prozent) in Betrieben, die weniger Fläche zur Verfügung haben, wodurch Tierfutter importiert und tierische Nährstoffe exportiert werden müssen.

Werden die tierischen Nährstoffe auf der eigenen Fläche ausgebracht, steigt die Gefahr von Stickstoffüberschüssen und damit ein Verlust von Stickstoff in die Umwelt. Eine Reduktion der Tierbestände auf unter zwei Großvieheinheiten pro Hektar auf Betriebsebene könnte zur Senkung der Stickstoffüberschüsse einen guten Beitrag leisten.

Außerdem ist der Stickstoffüberschuss ein zentrales Umweltproblem der Landwirtschaft. Kann dieser verringert werden, hat das auch positive Auswirkungen auf die Luftreinhaltung, den (Trink-)Wasserschutz und die Biodiversität.

 

8. Moore als CO2-Verursacher

[caption id="attachment_2883" align="alignleft" width="439"] Abbildung 12: Quelle: Öko-Institut[/caption]

 

(Abbildung 12) Moore und Moorböden sind durch ihren hohen Anteil organischer Substanz große Kohlenstoffspeicher. Doch ein großer Teil der Moore in Deutschland ist für die landwirtschaftliche Nutzung in der Vergangenheit entwässert worden. Dies führt zu großen CO2-Emissionen durch die fortschreitende Mineralisierung der organischen Böden bei niedrigen Wasserständen (grauer Balken im Diagramm). Trotz eines geringen Anteils an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (etwa 7 Prozent) stammen rund 34 Prozent der Emissionen der Landwirtschaft aus der Nutzung der Moore. Allerdings werden die Emissionen in der Klimaberichtserstattung in einem eigenen Sektor, und zwar dem der Landnutzung, bilanziert.

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Der wirksame Schutz der Kohlenstoffspeicher in organischen Böden ist vor allem durch eine Anhebung der Wasserstände zu erreichen. Die Wiedervernässung der Moore stellt eine große Herausforderung für die Landwirtschaft in den norddeutschen Bundesländern dar.

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9. Fazit

[caption id="attachment_2884" align="alignleft" width="451"] Abbildung 13: Quelle: Öko-Institut[/caption]

(Abbildung 13) Während bis zum Jahr 2030 die Reduktion der Emissionen aus dem Landwirtschaftssektor zum Großteil durch technische Maßnahmen und eine Verbesserung des Managements erfolgen kann, sind langfristige Klimaschutzziele (treibhausgasneutral bis 2050) nur mit Verhaltensänderungen erreichbar. Ob ein treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050 möglich sein wird, hängt in hohem Maße davon ab, ob wir die Transformation in der Ernährung erreichen. Wenn dies gelingt, wird der Agrarsektor sein Produktionsmuster entsprechend anpassen. Voraussetzung ist, dass die sinkende Nachfrage in eine sinkende Produktion umgesetzt und der Überschuss nicht auf dem Weltmarkt angeboten wird. Für die heutige Klimapolitik im Agrarsektor bedeutet dies, dass sie neben der Produktion vor allem die Nachfrageseite berücksichtigen muss.

Das langfristige Klimaziel ist nur mit einer veränderten Ernährung zu erreichen. Für viele ist diese Umstellung schwer vorstellbar. Doch es gibt viele Menschen, die sich der Herausforderung stellen und es täglich versuchen. Viele essen sogar bereits zukunftsfähig.

Darum: Versuche es und rede darüber! Jeder und jeder der hierfür Offenheit zeigt, signalisiert der Politik, dass Klimaschutz auch in der Ernährung und in der Landwirtschaft wichtig und gewollt ist.

 

10. Ein paar kurze Gedanken über den Klimaschutz hinaus

Die wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft ist die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Unter Einhaltung der planetaren Belastungsgrenzen (globale Stoffhaushalte, vor allem Stickstoff und Phosphor, Biodiversitätserhalt, Klimaschutz, etc.) ist die Herstellung von Lebensmitteln nicht in unendlichem Maße möglich. Für die Versorgung der heutigen Weltbevölkerung stehen derzeit rund 2.000 Quadratmeter pro Person zur Verfügung. Eine Ausdehnung von Ackerflächen auf Kosten natürlicher Habitate bedroht die Artenvielfalt und ist kein nachhaltiger Weg. Daher wird sich das Flächenbudget pro Person bis zum Jahr 2050 weiter reduzieren. Mit der begrenzten Fläche ist das westliche Ernährungsmuster mit den vielen tierischen Produkten kaum möglich. Eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten ist also nicht nur aus Klimaschutzsicht unerlässlich.

Margarethe Scheffler und Kirsten Wiegmann bearbeiten das Thema Klimaschutz in der Landwirtschaft und Landnutzung. Margarethe Scheffler arbeitet im Berliner Büro und Kirsten Wiegmann im Darmstädter Büro des Öko-Instituts.

 

Weitere Informationen

Blogbeitrag: „Über kurz oder lang wird der Tierbestand zum Klimathema“

Blogbeitrag: Eine Welt ohne Hunger – durch eine umwelt- und sozial gerechte Landwirtschaft und gerechte Verteilung

Kurzstudie des Öko-Instituts im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland: Quantifizierung von Maßnahmenvorschlägen der deutschen Zivilgesellschaft zu THG-Minderungspotenzialen in der Landwirtschaft bis 2030 (pdf)

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