Spenden

Nichts tun ist für alle teurer

Damit Klimaschutz und Energiewende gelingen, müssen alle mitgenommen werden. Über soziale Nachhaltigkeit haben Gabi Rolland, SPD-Umweltpolitikerin im Landtag Baden-Württemberg, Dr. Katja Schumacher und Peter Kasten vom Öko-Institut Berlin im Interview mit der AWO gesprochen.

Dieses Interview erschien zuerst in der AWO-Zeitung Ausgabe Baden-Württemberg, September 2023.

In der Umfrage des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamts, der Studie GfK Consumer Life, dem Nationalen WohlstandsIndex für Deutschland (NAWI-D), der „gefühlten Wohlstand” erhebt, oder anderen Untersuchungen wird deutlich: Das Gros der Bundesbürgerinnen und –bürger ist für Klimaschutz, aber sie befürchten  zugleich angesichts der multiplen Krisen, an Wohlstand zu verlieren. Also: Definieren Sie Wohlstand!

Rolland: Ausreichend Güter und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen! Konkreter: Wohlstand ist, wenn die Grundbedürfnisse des Menschen befriedigt sind und man sich noch etwas leisten kann. Also, dass es meinen Kindern künftig besser geht, eine schöne Wohnung, vielleicht einmal im Jahr Urlaub, womöglich ein Auto. Über dessen Größe kann man streiten. Ja, wir leben auf einem sehr hohen Niveau des Wohlstands. Doch ein größerer Teil der Gesellschaft ist davon ausgenommen. Zu Wohlstand gehört auch gesellschaftliche Teilhabe, sich einbringen zu können, ein akzeptiertes Mitglied dieser Gesellschaft zu sein.

Schumacher: Genau. Spannend, dass Sie nach Wohlstand fragen, es gibt ja noch Wohlfahrt und Wohlbefinden. Wir haben einen hohen Wohlstand, aber auch soziale Ungleichheit. Wichtig beim Grad der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sind eben die Dimensionen materieller Wohlstand, sozialer Wohlstand und die Teilhabe, damit  persönliches Wohlbefinden und Lebensqualität erfüllt sind. Dass nun zunehmend Menschen den Wohlstandsverlust fürchten, führt zu Polarisierungen in der Gesellschaft. Diese Angst wurde stark befördert durch die Krisen, die wir nacheinander durchgingen und -gehen. Jetzt stehen Klimaschutzmaßnahmen und Klimawandel wieder stark in der Diskussion und deren Folgen. Aber gerade Umwelt, Nachhaltigkeit und Klimaschutz gehören zu den Wohlstandsfaktoren wie auch die Teilhabe am Klimaschutz. Bisher wurde der Begriff Teilhabe vor allem mit Bildung und kulturellen Angeboten verknüpft. Aber auch für den Klimaschutz ist Teilhabe ein wichtiger Faktor, denn auch da geht  es ungleich zu. So konnten zum Bei-spiel bisher viele die Förderung von Photovoltaik gar´nicht in Anspruch nehmen. Da müssen und werden wir uns weiterbewegen.

Kasten: Ich unterstreiche das. Wir kommen in eine neue Phase dieser Diskussion – zum Wärmesektor und dem Verkehrssektor, dahin, wo es die Leute selbst betrifft. Vorher stand die Industrie im Fokus, der Strom kam trotz allem zuhause an, wenn auch etwas teurer. Doch jetzt geht es an Verhaltensänderungen: Klimaschutz betrifft nun die  Leute in ihrem eigenen, alltäglichen Verhalten. Das erfordert eine gesellschaftliche Verhandlung darüber, wie wir einen effektiven und schnellen Klimaschutz verbinden können mit gesellschaftlichen Veränderungen, die auch den Wohlstand betreffen. Das ist eine Herausforderung. Das Problem: Für diese Diskussion haben wir leider immer weniger Zeit, weil wir bisher so langsam waren mit dem Klimaschutz. Doch dieser effektive Klimaschutz ist notwendig für die Zukunft. Wenn wir keinen betreiben, ist der Wohlstandsverlust viel größer als ohne Klimaschutz.

Für Verhaltensänderungen gehen die Jugendlichen von Fridays for Future auf die Straße, die Aktivist*innen der letzten  Generation kleben sich fest. Wer soll vor allem das Verhalten ändern?

Rolland: Kluge Leute wie Ernst Ulrich von Weizsäcker haben darüber längst Bücher geschrieben. Demnach kann man fünf Prozent des Wohlstands gesamtgesellschaftlich einsparen, ohne dass man das merkt. Doch wer bringt diese fünf Prozent? Das muss nach dem Verursacherprinzip verteilt werden. Menschen, die mehr haben, auf höherem  Standard leben, müssen auch mehr bringen als andere. Das kann man lenken. Wer ein großes, teures Auto fährt, damit auch mehr Ressourcen verbraucht – gleich welcher Art –, der sollte auch mehr einsparen. Wer weniger Ressourcen verbraucht, müsste einen geringeren Beitrag leisten. Wir haben in Freiburg mit dem Ökoinstitut und der Caritas ein Projekt für Menschen mit geringem Einkommen durchgeführt, wie sie Strom- und Heizungskosten einsparen können – auf Augenhöhe: Menschen, die Unterstützung beziehen, zeigen anderen, die das auch tun, wie man am besten Energie einspart. Solche Formate, wo man ohne „von oben herab“ lernt, was man selbst machen kann,  haben sich als nachhaltig erwiesen und finden Akzeptanz. Wichtig sind auch Projekte, an denen man sich für wenig Geld beteiligen kann. Ich bekam mal zum Geburtstag eine kleine Beteiligung an einer Windkraftanlage geschenkt. Das könnte man auch machen mit Balkonstromanlagen für Mieterinnen und Mieter.

Und zu Fridays vor Future?

Rolland: Hut ab und Respekt, dass Schülerinnen und Schüler freitags auf die Straße gehen! Sie haben dafür gesorgt, dass wir nach der großen Friedens- und Atomausstiegsbewegung der 1970er- und 1980er-Jahre wieder eine Bewegung haben für Umwelt- und Klimaschutz. Die letzte Generation darf machen, was sie macht, aber muss sich nicht wundern, dass ihre Aktionen strafrechtlich verfolgt werden. Schade ist, dass so die gesellschaftliche Akzeptanz einiger Maßnahmen torpediert wird. So neigen Menschen, die fürchten, von ihrem Wohlstand was abgeben zu müssen, eher dazu, einfache, weil bequeme Lösungsansätze zu suchen. Dies nutzt die AfD aus, etwa wenn sie den  menschengemachten Klimawandel leugnet. Das Spannungsfeld, wer was abgibt, ist herausfordernd, wie ich neulich in Brandenburg erlebt habe. Ich fliege privat nicht mehr. In einem Brandenburger Landgasthof erzählte mir eine Servicekraft begeistert von ihrem ersten Urlaub überhaupt: drei Tage mit den Kindern per Flugzeug nach Mallorca! Dieser Frau wollte ich dann ihre Reise nicht madig machen. Das gilt aber dann nicht für andere, die schnell mal zum Shoppen nach New York fliegen.

Wie kann man Verhalten gut lenken und auch gut vermitteln, ohne dass dabei 'Verzicht' und 'Verbot' ankommen?

Schumacher: Unsere wissenschaftlichen Arbeiten zeigen, dass Haushalte mit hohem Einkommen mehr verbrauchen und viel mehr CO2 emittieren. Im Wärmebereich ist es drei Mal so viel, weil sie größere Häuser haben und mehr Wohnfläche als Haushalte mit wenig Einkommen. Aber es sind die Haushalte mit wenig Einkommen, die mehr als  das Dreifache dafür ausgeben müssen. Die Schere besteht auch in den Bereichen Strom und Verkehr. Kurz, die, die viel verbrauchen und ausstoßen, nehmen das nicht als Belastung wahr, haben also keine Anreize zu sparen und effizient mit Energie umzugehen, weil es in ihrer Geldbörse kaum einen Unterschied macht. Andererseits zeigt sich  bei Haushalten mit weniger Einkommen jede Kilowattstunde, die sie nicht verbrauchen, im Portemonnaie und ermöglicht Dinge, die sie sich sonst nicht hätten leisten können. Daher strebt man danach diese Haushalte zu unterstützten, etwa mit dem Stromsparcheck der Caritas, den Frau Rolland gerade erwähnte, auf Augenhöhe, also Peer- to-Peer.

Effizienz müsste doch auch eine Option für besser gestellte Haushalte sein!

Schumacher: Bei den Haushalten mit höherem Einkommen gibt es verschiedene Gruppen. Die Pioniere, die Spaß daran haben, technologisch etwas Neues auszuprobieren. Und weil sie es sich leisten können, haben sie schon lange eine Wärmepumpe, ein E-Auto oder Dreifachverglasung – als Eigenschutz, was letztlich dann auch Klimaschutz  ist. Dann die Gruppe, die klimabewusst ist und die Folgen des Wandels vielleicht auch schon zu spüren bekommen hat. Sie beschäftigen sich bewusster damit und können sich das leisten, auch beim Essen, kaufen etwa Bioprodukte. Dann gibt es noch eine große Gruppe, denen das egal ist. Die haben sich ihr Geld erarbeitet, möchten damit was  anfangen ohne Einschränkungen. Das bedeutet für das „Lenken“: Wir brauchen tatsächlich in Deutschland Regelungen und Standards, das was wir Ordnungsrecht nennen. Wir dürfen Haushalten mit höheren Einkommen durchaus auch was zumuten. Es müssen Sachen gesetzlich eingefordert werden. Das muss aber auch unterstützt  werden durch Förderungen, um Klimaschutz allen möglich zu machen, niemanden abzuhängen, keine sozialen Scheren aufzubauen. Zu Fridays for Future: Bei einer Veranstaltung der Caritas und der Diakonie sagte eine Aktivistin zur Kritik von FFF ‚Uns gibt es nur, weil diejenigen, die in der Verantwortung sind, nicht genügend tun’. Weil
die Politik ihre Hausaufgaben nicht macht, gehen also Schülerinnen und Schüler auf die Straße. Das sollte die Gesellschaft aufnehmen.

Kasten: Im Verkehrssektor, meinem Forschungsgebiet, sagen einige, dass man Klimaschutz über Preise regeln sollte. Aber es muss auch Ordnungsrecht geben, ein Mix an Instrumenten. Es ist ein Fehlglaube, dass Bepreisung alle Probleme löst. So wird weder Klimaschutz noch das gesellschaftliche Verhandeln funktionieren. Wie Katja  Schumacher sagte: Für die, die viel emittieren, müssten die Preise so hoch sein, dass es für einige gesellschaftliche Gruppen nicht mehr bezahlbar ist. Deswegen brauchen wir einen Politikmix, in dem Bepreisung von Emission, Nutzung von Straßen und Flächen stärker als heute eine Rolle spielen. Gleichermaßen müssen wir die vulnerablen  Gruppen wieder entlasten, um diese nicht zu überfordern und gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. In Deutschland wird immer viel diskutiert, wenn der Benzinpreis steigt. Aber die europäische Perspektive zeigt, anderswo sind die gesellschaftlichen Unterschiede noch viel größer. Und wir entwickeln gerade den Emissionshandel für ganz Europa! Wenn uns also schon CO2 -Preise weh tun, die eine mittlere Lenkungswirkung haben, dann tun diese den Leuten zum Beispiel in Osteuropa viel mehr weh. Kurz: Der Lenkungswirkung über den Preis sind Grenzen gesetzt, auch weil sonst soziale Härten auftreten, die schwer in den Griff zu kriegen sind. Eine wichtige politische Aufgabe  ist daher, sich genau zu überlegen, wie der Mix aus Ordnungsrecht und Bepreisung aussieht.

Wie kommuniziert man das, damit sich Menschen verstanden, nicht zurückgelassen fühlen und womöglich einfachen Lösungen nachlaufen?

Kasten: Transparent und ganzheitlich! Das mag wie eine Plattitüde klingen. Beim sogenannten Heizungsgesetze hat die Diskussion über Entlastung stattgefunden, aber sie ist nicht angekommen in der Öffentlichkeit. Ja, es ist herausfordernd, das komplexe Gebilde des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit leicht verständlich rüberzubringen,  aber man kann nicht nur einen Teil herausgreifen, sondern muss immer als Gesamtpaket kommunizieren. Also, wie unterstützt der Staat und wo fordert er was. Es gehört auch zur Ehrlichkeit, dass Preise in der Individualmobilität, wenn es um fossile Mobilität geht, steigen müssen. Ein Beispiel: Einerseits wird freie  Preisbildung für CO2 -Emissionen gefordert, andererseits sagt man, so schnell dürfen die Preise nicht steigen. Dann wurde vor kurzem bei steigenden Benzinpreisen die Energiesteuer reduziert. Gleichzeitig wird die Einführung eines möglichen Klimageldes, bei dem die CO2 -Kosten – teilweise – wieder zurückgegeben werden, als ein wenig  zentrales Thema eher nach hinten geschoben. Für die Bürger*innen und Unternehmen ist so der zukünftige mögliche Effekt steigender Preise für fossile Anwendungen wenig verständlich und es wird vor allem als teuer wahrgenommen.

Schumacher: Was in der Forschung zu Preisen, Kosten und Kommunikation auffällt: Es ist unheimlich schwer an Verbraucherinnen und Verbraucher zu vermitteln, was etwas gekostet hätte, wenn man die andere Entscheidung getroffen hätte. Bei Wärmepumpen und Elektroautos denkt keiner darüber nach, was das Weiterheizen mit Gas oder  das Weiterfahren des fossilen Fahrzeugs kostet. Menschen schauen darauf, was sie im Vergleich zu vorher bezahlen, nach dem Motto ‚es wird teurer’. Aber dass es ohnehin teurer wird, ist so schwer zu kommunizieren. Diesen Baustein muss man unbedingt angehen, damit rational verstanden wird: Bleibt der Status Quo, wird es zukünftig  teurer. Schaue ich auf das verwässerte Wärme- beziehungsweise Heizungsgesetz, schreckt es mich, dass nun doch noch Zeit ist, Gasheizungen einzubauen. Klar, das ist die bequeme Lösung. Fachkräfte sind damit vertraut, das verkauft sich, das hatte man bisher auch, die Anschaffung ist günstiger – aber für das Klima schlecht. Und dass dann in fünf oder zehn Jahren die Kostenfalle droht, weil der Gaspreis weiter steigt, der CO2 -Preis hoch ist, Wasserstoff teuer ist, das ist nun schwer zu vermitteln. Fazit: Man muss kommunizieren mit Worten, Bildern, Beispielrechnungen. Wir machen viel mit Beispielhaushalten, etwa Familie X in Baden-Württemberg auf dem Land  entscheidet sich so und hat die Kosten, während Familie Y in Niedersachsen es anders macht und dann das bezahlen muss. Jeder muss sich in diesen Beispielen wiederfinden, um die Zusammenhänge nachvollziehbar zu machen.

Rolland: Das plakative Erfahren ist so lehrreich! Die Bundesgartenschau BUGA 2023 in Mannheim präsentierte die 17 Nachhaltigkeitsziele, die SDGs, höchst nachvollziehbar. In ‚Weltgärten’ konnte man sehen, welche Fläche für die Produkte einer Pizza Margherita nötig ist und um wie viel diese Fläche größer wird, wenn man sie mit Salami  belegt. Oder, dass man für eine neue Jeans rund 8000 Liter Wasser braucht! Die Lebensdauer von Produkten ist ein großes Thema. Noch zur Kommunikation in einer Koalition angemerkt: Man muss mit einer Stimme sprechen, alles andere ist Harakiri. In der derzeitigen Situation der hohen Verunsicherung durch Krieg, Klimawandel, Inflation und dem Zulauf zu rechten Parteien sollten alle demokratischen Parteien ein Interesse daran haben, eine gesellschaftliche Veränderung einmütig hinzubekommen. Wenn ich dann in der Zeitung lese, dass manche in der Opposition wieder den Einstieg in die Atomkraft wollen, frage ich mich schon, worüber wir in dieser Republik reden. Es ist  ein großer Schaden, wenn die demokratischen Parteien nicht in eine Richtung agieren beim Heizungsgesetz und bei Verkehrsmaßnahmen. Ein wichtiges Signal wäre: Die Richtung stimmt, selbst wenn man über Einzelheiten noch diskutieren kann.

Wie sieht das Signal zum Öffentlichen Personennahverkehr aus? Guter, bezahlbarer ÖPNV ist schließlich dem Klima zuträglicher.

Rolland: Die Bevölkerung ist noch zu wenig darüber informiert, was ein guter ÖPNV kostet. In Freiburg machte ich das als Gemeinderätin 14 Jahre lang, betonte dabei immer, dass wir den Menschen sagen müssen, was wir als Verkehrsbetrieb an die Deutsche Bahn bezahlen, wenn wir einen Kilometer auf ihrer Schiene fahren. Auch vermitteln,  was Wartung, Strom und Fahrer*innen kosten! Sie sollen schließlich einen fairen Lohn erhalten. Die Frage ist, wie das bezahlt wird. Man kann über Politik schimpfen. Aber dass es die Bundesregierung jetzt geschafft hat, einen einheitlichen Tarif in Höhe von 49 Euro einzuführen, um den öffentlichen Personenverkehr in Gesamtdeutschland zu  nutzen – das ist ein Durchbruch. Jetzt sollten die Personen, die nicht so viel in der Tasche haben, auch bundesweit das bekommen, was Gemeinden, Verbände und Länder zum Teil organisieren: ein einheitliches Semesterticket für die Studierenden, ein Sozialticket für die Menschen mit wenig Einkommen und ein Kinder- und Jugendticket für  Auszubildende, Schülerinnen und Schüler. Schülerbeförderung ist eigentlich eine Staatsausgabe, die nicht wahrgenommen wird. Das zahlen die Kommunen zu 90 Prozent. Gut für die Bevölkerung wäre, wenn man gemeinsam überlegen und handeln würde, nicht immer getrennt auf den Ebenen Bund, Länder, Kommunen. Wir brauchen auch die Wissenschaft, um der Gesellschaft zu erklären, was es kostet, wenn wir was nicht tun.

Kasten: Es ist erstaunlich, wie Politik manchmal funktioniert. Vor drei Jahren hätte ich nicht gedacht, dass wir mit dem Deutschlandticket ein einheitliches Ticket bekommen über unsere vielen Verkehrsverbünde hinweg. Man hat dafür eine Krise gebraucht! Aber auch die Nachfrage zählt, hier sind wir wieder beim Thema transparente  Kommunikation: ÖPNV attraktiver machen, das Angebot besser gestalten, auch in Regionen bieten, wo dieser bisher kaum funktioniert. Wenn nur zwei Mal pro Tag der Bus fährt, hilft das 49-Euro-Ticket nicht. Dafür muss der Staat mehr Geld zur Verfügung stellen.

Rolland: Ich habe noch ein gutes Beispiel zur Kostendiskussion: der Hochwasserschutz! Wir haben immer kämpfen müssen, um am Rhein dafür zu sorgen, dass die Stadt Köln ihre Hochwasserprobleme in den Griff bekommt. Mit dem integrierten Rheinprogramm wurde mit den Hochwasserschutzmaßnahmen am Oberrhein begonnen. Als die  Rückversicherungen die Schäden auflisteten, die die Hochwasser ausgelöst haben, war das für uns Umweltschützer*innen ein guter Hebel. Wir konnten zeigen, wenn wir nichts tun, sind die gesellschaftlichen Kosten viel höher. Die Investitionen in den Hochwasserschutz sind über die Jahre hinaus gerechnet viel günstiger. So bekamen wir das  Geld für die Retentionsmaßnahmen.

Baden-Württemberg investiert bis Ende 2026 rund 170 Millionen Euro in die vierte Landesinitiative Elektromobilität. Da geht es auch um Wasserstofflösungen, Batterie-Recycling, Digitalisierung und mehr. Umwandlungsprozesse sind komplex. Und es braucht Ressourcen wie Lithium, Nickel und Seltene Erden, deren Abbau für die Umwelt  schwierig ist. Wie kann das möglichst nachhaltig und sozial gestaltet werden?

Rolland: Die Automobilindustrie im Land hat lange geschlafen, die Betriebsräte haben zum Bewusstseinswandel beigetragen. Dass das Land Geld gibt, ist gut. Wir haben Erfahrung mit Strukturwandel, siehe im Südwesten die Textilindustrie, die Papierindustrie oder Unterhaltungselektronik, letztere gibt es nicht mehr. Den Wandel hat man  gestaltet – und das muss man nun auch tun. Jetzt brauchen wir noch gute Unterstützung für kleinere und mittlere Unternehmen, dass Arbeitnehmer*innen mit einer Fort- und Weiterbildungsstrategie am Ball bleiben können. Wir müssen auch bei Forschung und Entwicklung Impulse setzen und brauchen eine gute Zuwanderung, weil  Fachkräfte fehlen.

Kasten: Der Verkehrssektor ist, was Klima- und Umweltschutz angeht, im Vergleich zu allen anderen Sektoren stark im Hintertreffen. Alle anderen haben Emissionen gesenkt, nur der Verkehr war vor Corona noch auf demselben Emissionslevel wie 1990. Auf nationaler Ebene haben wir 20 Jahre nichts mehr gemacht bis 2019. Der starke  Industriestandort stand immer im Mittelpunkt, den galt es zu schützen. Auch im Vergleich zu einigen europäischen Nachbarn sind wir strukturell hinten. Dort wurde für die Mobilitätswende viel investiert. Elektrifizierung ist die richtige Hauptstrategie für den Klimaschutz. Im Verkehr ist der entscheidende Faktor der Straßenverkehr, von dort kommen über 90 Prozent der Emissionen. Wir können weniger fahren, müssen mehr verlagern auf den ÖPNV, Fuß- und Radverkehr. Aber die Wirkung der Verlagerung und Vermeidung ist begrenzt. Deswegen tut der technische Wandel Not. China, USA, alle großen Automobilmärkte dieser Welt gehen diesen Weg. Da wir aber so wenig gemacht  haben, wird der Zeitraum immer kürzer – und der Zeitraum für die Transformation ist sehr kurz.

Was sind die Hauptherausforderungen?

Kasten: Eine Herausforderung ist, die Lieferketten aufzubauen, es geht um Rohstoffe und wo sie herkommen. Und es geht auch um Industriepolitik. Global wird um die neuen Technologien konkurriert, die USA hat den Inflation Reduction Act, in China geht man schon mehr als ein Jahrzehnt in diese Richtung. Und wir müssen Ladeinfrastruktur  aufbauen, das noch in einem kurzen Zeitraum. Die EU hat mit dem Verbrenner-Aus im Jahr 2035 die richtige Entscheidung getroffen. Und wenn wir über Wohlstand diskutieren: Wir sollten alles so aufbauen, dass Teile der Wertschöpfung, also der Herstellung, in Europa stattfinden, damit wir resilient sind und nicht abhängig  sind von anderen Staaten – wie beim Gas von Russland oder derzeit bei der Technologie von China! Baden-Württembergs Investitionen – als Land mit starker Automobilindustrie – sind richtig. Denn wir werden auch innerhalb Deutschlands regionale Verschiebungen sehen: In Brandenburg wird sich mit Tesla ein neuer Nukleus bilden.  Und ebenso in anderen Regionen sind neue Industriestandorte der Automobilindustrie am Entstehen.

Wie sieht es mit Recycling von Batterien aus?

Kasten: Die Bedarfe an Rohstoffen steigen global sehr stark. Man kann nur dafür sorgen, dass der Abbau möglichst umweltfreundlich und sozial gerecht stattfindet. Trotz allem: Bergbau ist immer mit Umwelteffekten verbunden. Die zweite Diskussion, der wir uns in der EU stellen müssen: Wollen wir in Europa wieder mehr Primär-Rohstoffe  abbauen, um unabhängiger zu sein. Für den Oberrheingraben gibt es zum Beispiel die Idee, Lithium als Teil einer Geothermieanlage zu gewinnen. Die EU hat mit der Batterieregulierung eine gute Vorgabe gemacht. Batterie-Materialien müssen recycelt werden! Und der ökonomische Anreiz für das Recycling ist da, weil wertvolle Materialien in  den Batterien stecken und es teuer ist, Primärmaterialien abzubauen. Die ersten Fabriken werden gebaut. Aber erst mit der Zeit kommen Batterien dort an, wenn sie außer Betrieb gehen. Recycling wird langsam ansteigen. Ab 2035 sollte man so viele Rückläufe an Batterien bekommen, dass zumindest für die deutschen Fahrzeuge der Abbau  an Primärrohstoffen nicht mehr steigt.

Dieser Sommer war der heißeste seit der Temperaturaufzeichnung, die es seit 1850 gibt. Mensch, Pflanzen, Tiere leiden. Wie macht man Städte resilient, lebenswert – und dennoch Wohnraum bezahlbar.

Rolland: Wir wissen längst, was zu tun ist. Kaltluftschneisen erhalten; wo sie nicht vorhanden sind, sie herstellen. Gemeinden sind dazu aufgerufen, tätig zu werden, denn das kann nur jeweils vor Ort entschieden werden. Dass die Bauindustrie weniger Geld ausgeben will, ist verständlich. Aber Fassaden-, Straßen- und Dachbegrünung helfen  abzukühlen. Damit die Kosten nicht durchs Dach schießen, muss der Staat das fördern. Wie wollen wir sonst schnell richtig handeln, ohne dass es für den Einzelnen zu teuer wird? Das Geld in der Staatskasse muss in Vernünftiges fließen. Die Gemeinden sind zum Teil am Anschlag. Es gibt viele Möglichkeiten auf Plätzen, Straßen, in Parks was  zu machen, zur Not werden die Bäume in Kübeln durch die Stadt gefahren. Jeder Baum mehr hilft! Manchmal ist im Untergrund wegen Versorgungsleitungen kein Platz für Wurzeln! Wir brauchen keine ideologischen Diskussionen, wir müssen einfach machen: Wir wissen, wie es geht!

Schumacher: Exakt! Oft wird die kommunale Ebene in Sachen Umwelt-, Arten- und Klimaschutz unterschätzt in der medialen und politischen Diskussion. Da gibt es viele Möglichkeiten, es hat sich auch viel getan. Die autozentrierte Stadt der 1970er hat sich zum Leitbild einer lebenswerten Stadt der kurzen Wege mit hoher Aufenthaltsqualität,  sozialer Interaktion, Begrünung und Anpassung an den Klimawandel gewandelt. Da gibt es so viel Potenzial. Man muss Menschen dafür begeistern, dass diese Veränderungen gut sind, für alle erstrebenswert und Wohlstand erhalten. Wichtig ist, von Pilotprojekten weg in die allgemeine Umsetzung zu kommen, um zu  zeigen, dass es auch in der Breite funktionieren kann. Vieles auf Behörden muss verbessert, Bürokratie vereinfacht werden für Planung und Genehmigung. Es braucht auch Personal und Finanzmittel – und in Bundes- und Landesgesetzen mehr kommunale Spielräume, um Dinge umzusetzen. Klimaschutz sollte auch als kommunale Pflichtaufgabe gesehen werden – doch da sträubt sich noch vieles dagegen. Die Kommunen kennen ihre Gebäude und Wohnungen besser, sie wissen, wer wo wie lebt, etwa besonders bedürftig ist.

Und so mit gutem Beispiel vorangehen?

Schumacher: Ja, in eigenen Liegenschaften, Fuhrparks, mit kommunalen Unternehmen und über die Wärmeplanung, bei der Baden-Württemberg ja schon weit ist. Auch die Nationale Klimainitiative fördert Kommunen, zum Beispiel mit Klimaschutzmanager*innen vor Ort. Man muss auch bedenken, dass die Kommunen sehr divers sind.  Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe, weil so viele Entscheidungen gleichzeitig getroffen werden müssen. Die Verwaltungsstrukturen dafür sind noch nicht richtig vorhanden. Wir haben auch gesehen: Es hängt zum Teil davon ab, wo die Klimaschutzmanagenden angedockt sind – Bauamt, einer Stabstelle oder direkt am  Bürgermeisteramt. In Zeiten knapper Finanzen und Fachkräfte kann das einen Unterschied machen.

Rolland: Aus der Verwaltung kommend weiß ich: Wenn eine Querschnittsaufgabe direkt beim Oberhaupt angesiedelt ist, steht sie bei der Priorisierung oben. Man muss aber alle Beteiligten auf Augenhöhe zusammenbringen, gemeinsam überlegen. Dieses gemeinschaftliche Denken brauchen wir mehr – in und außerhalb der Verwaltung. Wir  sitzen in einem Boot, das müssen wir gemeinsam in die richtige Richtung steuern.

Kasten: Hinzu kommt Partizipation, sie wird von Bürger*innen ernst genommen, wenn auch kommuniziert wird, wo deren Grenzen liegen. Den Personen muss klar sein, wie stark sie mitsprechen können. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich dann alle mitgenommen fühlen. Wenn von den Ideen nichts umgesetzt werden kann, weil es  rechtlich nicht funktioniert oder Dinge nicht genehmigt werden, herrscht Frustration.

Frustration begleitete das Heizungsgesetz, das nun durch den Bundestag ging. Pellets etwa, die CO2 erzeugen und Holz verbrauchen, sind noch drin. Wie beurteilen Sie die abgespeckte Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)?

Schumacher: Grundsätzlich ist ein Gesetz gut, das klare Vorgaben für den Anteil an Erneuerbaren bei neuen Heizungen macht und Standards setzt. Es gibt Planungshorizont und bringt den Klimaschutz in den Vordergrund. Jede erneuerbare Heizung stärkt die Energieversorgung und reduziert die Abhängigkeit von Energieimporten. Wir haben  viele Versionen des Gesetzes gesehen, vorher war manches stärker formuliert, was schneller und deutlich mehr CO2 -Minderung bewirkt hätte. Diese Aufweichung ist aus Sicht des Klimaschutzes und der Verbraucher*innen bedauerlich. Wir haben nun die Verknüpfung mit der kommunalen Wärmeplanung, das ist wichtig. Aber das hätte man  schon vor Jahren machen können, um richtige Empfehlungen abgeben zu können. Ärgerlich ist, wie schon gesagt, dass nun weiter Gasheizungen eingebaut werden können, auch wenn sie potenziell fähig sein sollen, mit Wasserstoff betrieben werden zu können. Wer weiß, wann dieser Wasserstoff tatsächlich zur Verfügung steht und zu  welchen Kosten? Hier sehen wir die Gefahr einer großen Kostenfalle. Gut ist, dass verpflichtend eine Beratung für alle gefordert ist, die sich eine fossile Heizung einbauen lassen möchten. Es gibt also positive Elemente – und auf die lange Bank schiebende. Zeit, die wir nicht haben. Holzpellets sind nun wieder drin, das ist bedauerlich. Sie  haben hohe Feinstaubemissionen. Das Umweltbundesamt rät sogar ab von Holzheizungen.

Was ist sinnvoller?

Schumacher: Viele Sektoren würden gerne auf – nachhaltige – Biomasse zugreifen, die Nationale Biomassestrategie möchte das auffangen. Sinnvoller ist, Holz stofflich zu nutzen als Bau- oder Dämmmaterial, nicht energetisch. Es gibt eine Flächenkonkurrenz zur Ernährung, auf sie sollte vorab geachtet werden. Positiv in Verbindung mit dem  Heizungsgesetz ist die geplante Einführung einer sozialen Förderung. Dies wurde allerdings sehr schlecht kommuniziert. Das haben gefährliche Strömungen in ihrer Kommunikation ausgenutzt. Die Gefahr besteht, dass nun Haushalte falsche Entscheidungen treffen und auf hohen Kosten für fossile Energieträger oder Wasserstoff sitzen  bleiben.

Wie funktioniert das bei Industrien, die Gas benötigen?

Schumacher: Zunächst einmal ist beim Energieverbrauch wichtig, jede nicht genutzte Kilowattstunde, ist die beste Kilowattstunde. Der erste Schritt sollte daher immer sein: Verbrauch senken, effizienter produzieren. Als zweiten Schritt elektrifizieren, wenn möglich, Strom nutzen. Und zwar direkt, nicht über Umwandlungsprozesse wie  synthetische Kraftstoffe. Nur, wenn es nicht anders geht, als dritten Schritt diese Brennstoffe einsetzen. Auch die Konkurrenz zwischen den Sektoren – Industrie, Verkehr und Wärmewende, für die wir Wasserstoff brauchen – sortiert sich schnell, wenn man die drei Schritte beachtet. In der Industrie gibt es Prozesse, die brauchen weiterhin  Gas, sei es als Biogas oder synthetisches Gas. Das muss auch bereitgestellt werden. Aber das hat einen schlechten Wirkungsgrad und ist relativ teuer. Es sollte nur eingesetzt werden, wo es unabdingbar ist.

Auch durch die Digitalisierung steigt der Energiebedarf enorm. So flossen 2022 bis zu zwölf Prozent des globalen Strombedarfs in digitale Geräte, Tendenz steigend. Geschätzt gibt es 3.000 große und 50.000 kleine Rechenzentren in Deutschland.

Rolland: Die Digitalisierung wird häufig als Unterstützer der Energiewende verstanden, indem sie Energieeinsparungen in den Sektoren Gebäude, Industrie und Verkehr ermöglicht. Gleichzeitig werden vermehrt Studien veröffentlicht, in denen die IT selbst als ein bedeutender Energieverbraucher beschrieben und zukünftig durch neue  Anwendungen steigende Energieverbräuche erwartet werden.

Nun zu Ernährung und Artenschutz: Da monieren gerne die Bauernverbände. Wie können alle gut essen mit Klasse statt Masse ohne Naturzerstörung?

Rolland: Ein Stück weit verständlich monieren die Bauern, weil sie als Produzenten vieles umsetzen müssen, von der Ausgleichsfläche für Infrastruktur bis zur Diskussion über Pestizide. Sie haben wenig Perspektive, um die Höfe ihren Kindern weiterzugeben. Aber auf Augenhöhe sprechen nutzt auch hier. Und es muss nicht immer Bio sein.  Wichtiger ist, wenn jeder Stadtteil einen Markt hat, wo die regionalen Bauern ihre saisonalen Produkte anbieten. Wir müssen die regionale Vermarktungskette stärken, brauchen die enge Verbindung zwischen Verbraucher und Hersteller. Auf unserem über 30 Jahre alten Bauernmarkt im Viertel stellt man fest, dass Leute wieder mehr im  Discounter einkaufen. Aber dort ist es nur vermeintlich billiger. Die öffentliche Hand kann viel mehr tun, dass Verbraucherinnen und Verbraucher von Kindesbeinen an etwas über gesunde Ernährung lernen, etwa indem man in den Mensen der Hochschulen, Schulen, Kindertagesstätten Vegetarisches anbietet. Freiburg serviert in ihren  wenigen städtischen Kindergärten kein Fleisch mehr, die Eltern bezahlen dann weniger für das Mittagessen. Fleisch können die Kinder auch zu Hause essen.

Schumacher: Was außer Haus angeboten wird, kann Beispiel sein für das, was zuhause umgesetzt wird. Bedauerlich, dass nun ein großer Automobilhersteller in der Kantine wieder Fleisch anbietet. Auch hier geht es wieder um Information und Kommunikation: Wir essen in Deutschland zu viel Fleisch, was starke gesundheitliche Folgen hat.  Das müssen wir deutlicher machen. Da hilft auch nicht, dass die Mehrwertsteuer immer noch für tierische Produkte reduziert ist, für pflanzliche Milchersatzprodukte den hohen Satz hat. Das soll geändert werden. Auch staatlich gesehen wäre es sinnvoll, die Mehrwertsteuer für fleischliche Produkte hochzusetzen. Dann hat man keine Steuerverluste. Kosten spielen gerade beim Essen eine Rolle und haben Lenkungswirkung. Sozial gesehen müssen Haushalte mit weniger Einkommen viel mehr für Nahrungsmittel aufbringen: Bei reichen Haushalten sind es drei Prozent ihres Budgets, bei ärmeren können es vierzehn Prozent sein. Da schlagen Preissteigerungen wie derzeit viel  stärker zu Buche – und diese Haushalte essen ohnehin schon weniger Fleisch. Wir haben in einer Studie geschaut, was passiert, wenn sich alle an die Ernährungsempfehlungen halten, flexitarisch, regional und etwas saisonal: Alle würden entlastet werden. Das Problem: Menschen greifen bei den Discountern zu, weil die günstig Fleisch  anbieten, statt daran zu denken, ihre Ernährung umzustellen. Meine Kollegin, eine Landwirtschaftsexpertin, betont, wie absurd Billigfleisch in Deutschland ist. Durch hohe Arbeitskosten in der Herstellungskette macht das keinen Sinn. Für Landwirte ist es in der Tat schwer. Die Umstellung auf Ökolandbau und den Tierbestand zu reduzieren, das kostet. Zum Teil wird das gefördert. Landwirtschaftsbetriebe werden zu richtigen Industriebetrieben, weil sie in starkem Wettbewerb stehen. Das muss man auflösen. Die Nachfrage spielt auch eine große Rolle. Ein Wursthersteller macht nun mehr Umsatz mit vegetarischen und veganen Produkten. Dies zeigt, dass sich das  Geschäftsmodell auch lohnt.

Was folgern wir daraus?

Schumacher: Wir brauchen Vorbilder, Rezepte, Weiterbildungskampagnen. Ein Werbeverbot für Fleisch – wie wir es für Zucker diskutiert wurde – kann helfen. Noch zu Labels auf Produkten: Ein guter Ansatz, um Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusst zu machen, was das Produkt mit sich bringt auch in Sachen Umwelt, Klima,  Ressourcen und Gesundheit. Doch das derzeitige Label, der Nutriscore, ist noch zu verwirrend. Dass da nur Produkte in der gleichen Kategorie verglichen werden, so eine Chipstüte auch ein A oder B bekommen kann, ist schlecht. Das ist gut gedacht, noch nicht gut genug gemacht. Da sind wir wieder bei Frau Rollands Worten: Machen ist das  Wichtige, auf die Umsetzung kommt es an.

Seit 2011 sitzt Gabi Rolland für die SPD im Landtag Baden-Württemberg. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Sprecherin für Umweltpolitik und Naturschutz sowie Hochschulpolitische Sprecherin. Zuvor engagierte sie sich 14 Jahre im Freiburger Gemeinderat. Für die Umwelt trug sie über eine Dekade Verantwortung im Landratsamt, wo sie im gehobenen Dienst tätig war.

Dr. Katja Schumacher ist stellvertretende Bereichsleiterin Energie & Klimaschutz beim Öko-Institut Berlin. Die Expertin für Modellierung, ökonomische und ökonometrische Analysen forscht unter anderem über  Verteilungseffekte von Energie- und Klimapolitik auf private Haushalte, Bezahlbarkeit von Wohnen und Klimaschutz, CO2-Bepreisung, Klima-Sozialfonds, Evaluierung der Nationalen Klimaschutzinitiative und Folgenabschätzung Klimaschutzszenarien.

Forschungsschwerpunkt von Peter Kasten, stellvertretender Bereichsleiter Ressourcen &  Mobilität am Öko-Institut Berlin, ist Nachhaltige Mobilität. Er berät Politik und Unternehmen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Verkehr. Zu seiner Expertise gehören Strategien zur CO2-Minderung im Transportsektor, Multimodalität, Alternative Mobilitätskonzepte, Energieversorgung im Verkehr, etwa Wasserstoff und E-Fuels, Wirkung von  Klimaschutzinstrumenten.

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder