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Was Unternehmen für die Biodiversität tun können

Wie Unternehmen sich für den Schutz von Biodiversität einsetzen können, sagt Marion Hammerl, Geschäftsführerin der Bodensee-Stiftung und Mitinitiatorin von Business and Biodiversity.

Biodiversität lässt sich auf vielfältigen Wegen schützen. Durch nachhaltigen Konsum zum Beispiel, oder auch durch angewandte Forschung und Datenerhebungen. Für unsere Blog-Reihe zur Biodiversität haben wir mit unterschiedlichen Akteur*innen gesprochen, die sich für den Schutz von biologischer Vielfalt und der so genannten Ökosystemleistungen einsetzen. Heute: Marion Hammerl, Mitinitiatorin der Europäischen Business and Biodiversity Kampagne.

[caption id="attachment_6695" align="alignright" width="322"] Im Interview mit eco@work: Marion Hammerl Quelle: Die Freundin[/caption]

Sehr unterschiedlich sind nicht nur ihre Produkte. Sondern auch das Engagement deutscher Unternehmen für den Schutz von Biodiversität und Ökosystemleistungen. „Es gibt Branchen, die,sich inzwischen ernsthaft damit beschäftigen – etwa beim Rohstoffabbau“, sagt Marion Hammerl, „zum Teil kommen die Unternehmen aber auch gar nicht um Biodiversitätsmanagement herum, etwa wenn die Rohstoffe in Gebieten mit hohem biologischem Wert gefördert werden sollen. Abbauunternehmen müssen belegen, dass sie auch positive Wirkungen haben können.“ Vorreiter in Sachen Schutz der biologischen Vielfalt ist aus Sicht der Geschäftsführerin der Bodensee-Stiftung etwa die Naturkosmetikindustrie. „Hier haben viele erkannt, dass das ein wichtiges Thema ist. Aber auch in der Lebensmittelindustrie wird das Thema nun präsenter, gefördert auch durch entsprechende Nachhaltigkeitsstandards.“

 

Business and Biodiversity – sensibilisieren und aktivieren

Marion Hammerl ist auch Mitinitiatorin der Europäischen Business and Biodiversity Kampagne. Eine Initiative, die Unternehmen dabei hilft zu überprüfen, wo sie mit Blick auf Biodiversität stehen, und diese zu einem Teil ihres strategischen Managements zu machen. Hilfe, die dringend nötig ist. Denn klar ist auch: Viele Unternehmen kümmern sich bislang noch überhaupt nicht um den Schutz der biologischen Vielfalt. „Das sind vor allem die Branchen, die lange Lieferketten haben und wo der Bezug zur Biodiversität eher indirekt ist – das gilt etwa für die Automobilindustrie mit ihren zigtausend Vorprodukten“, so Hammerl.

Business and Biodiversity soll die Wirtschaft für die Einflüsse ihrer Tätigkeit sensibilisieren und unterstützt sie bei entsprechenden Maßnahmen. „Wir haben zum Beispiel einen Biodiversity-Check entwickelt, anhand dessen ein Unternehmen ganz konkret überprüfen kann, wo es steht und was es berücksichtigen muss. Das ist von Branche zu Branche natürlich unterschiedlich.“ Bislang gibt es diese Biodiversity-Checks für die Tourismusbranche, für Baumärkte und DIY-Anbieter, für Lebensmittelunternehmen sowie für die Branchen Steine und Erden sowie Rohrleitungen und Kanalisation, drei weitere Branchen sollen 2022 folgen.

Darüber hinaus hat die Initiative das Biodiversity Performance Tool entwickelt, das landwirtschaftliche Betriebe unterstützt, die Ausgangslage zu beurteilen, einen effektiven Biodiversitäts-Aktionsplan zu erarbeiten und die Fortschritte zu erfassen. Denn die Landwirtschaft hat einen besonders hohen Einfluss auf die biologische Vielfalt. „Auch dieses Instrument muss natürlich immer wieder auf die unterschiedlichen Anforderungen angepasst werden. Wer Kaffee anbaut, hat andere Herausforderungen als jemand, der Weizen produziert oder als jener, der Rinder hält.“

 

Komplexität und Freiwilligkeit – die Herausforderungen

Muss jedes Unternehmen jetzt allein die Herausforderung annehmen? „Keinesfalls“, sagt Marion Hammerl. „Es ist nicht sinnvoll, dass jedes Unternehmen für sich allein recherchiert, wo die größten negativen Wirkungen liegen. Aus meiner Sicht sind hier auch die Branchenverbände in der Pflicht, etwa mit Blick auf Risikoanalysen für die wichtigsten Rohstoffe und die Einflüsse ihres Abbaus auf die Biodiversität. Die Verbände halten sich bislang aber sehr stark zurück.“

Viele Unternehmen, vermutet Marion Hammerl, gehen das Thema Biodiversität auch deshalb nicht an, weil sie sich vor den Schlussfolgerungen von Risikoanalysen ihrer Tätigkeit scheuen. „Dann müssten sie handeln. Und es ist oftmals ja auch bequem zu sagen: Das ist alles viel zu komplex, die Lieferkette ist einfach zu vielfältig, um die konkreten Auswirkungen auf Biodiversität und Ökosystemleistungen adäquat zurückzuverfolgen.“

Mit Freiwilligkeit lässt sich daher aus Sicht der Diplom-Betriebswirtin nur begrenzt etwas erreichen. „Wir verlassen uns schon so lange auf Freiwilligkeiten und sind damit längst nicht so weit gekommen, wie wir es eigentlich müssten. Deshalb geht es nicht ohne gesetzliche Regelungen“, sagt sie. „Das sehen die engagierten Unternehmen genauso. Denn anspruchsvolle Umweltstandards zu erfüllen, macht die Produkte natürlich entsprechend teurer und führt zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber jenen Unternehmen, die sich nicht engagieren und ihre Produkte daher billiger anbieten können. Deren unverantwortliches Handeln geht dann aber zu Lasten der Gesellschaft.“ Notwendig seien zum Beispiel Berichtspflichten, aber auch Mindestkriterien für alle Branchen. Dabei brauche es auch ganz klare finanzielle Anreize. „Anders als beim Klimaschutz gibt es mit Blick auf die Biodiversität kaum Maßnahmen, die kurzfristig Kosten einsparen. Engagierte Unternehmen sollten daher von höheren Preisen profitieren und durch eine finanzielle Unterstützung bei notwendigen Investitionen.“

Die Wirtschaftsbranchen haben unterschiedliche Bezüge und Wirkungen auf die Biodiversität, deshalb gibt es keinen einheitlichen Lösungsweg. Inzwischen steht aber genügend Wissen zur Verfügung, um effektives Biodiversitätsmanagement anzugehen und Schritt für Schritt in alle Abläufe zu integrieren. „Das Ziel aller Branchen sollte das so genannte „No-Net-Loss of Biodiversity“ sein, das heißt keinen Verlust an Biodiversität entlang der Lieferketten zu verursachen“, sagt Marion Hammerl.

Marion Hammerl ist Geschäftsführerin der Bodensee-Stiftung. Diese private Umwelt- und Naturschutzorganisation wurde 1994 von Verbänden wie dem Naturschutzbund Deutschland (NABU), dem Österreichischen Naturschutzbund (ÖNB) und dem World Wide Fund for Nature Schweiz (WWF) aus den drei Bodensee-Anrainerstaaten gegründet.

In Spanien gründete Marion Hammerl zudem die Stiftung Fundación Global Nature gemeinsam mit spanischen Naturschützer*innen und fungierte von 1997 bis 2015 als deren ehrenamtliche Präsidentin. Zusätzlich engagiert sie sich im internationalen Seen-Netzwerk Living Lakes, das sie mitbegründet hat und das sich dafür einsetzt, Seen und Feuchtgebiete als intakte Ökosysteme zu erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin ist darüber hinaus seit 2002 ehrenamtliche Präsidentin des Global Nature Fund (GNF) – Internationale Stiftung für Umwelt und Natur, der gemeinsam mit der Bodensee-Stiftung die europäische Initiative Business and Biodiversity ins Leben gerufen hat. Diese unterstützt Unternehmen dabei, die Auswirkungen ihrer Arbeit auf die biologische Vielfalt zu überprüfen – so etwa über „Biodiversity Checks“ für unterschiedliche Branchen – und Biodiversität in ihre Unternehmensstrategie zu integrieren. Für ihr Engagement für den Umwelt- und Naturschutz erhielt Marion Hammerl 2012 vom Bundespräsidenten das Verdienstkreuz am Bande.

 

Weitere Informationen

Porträt von Marion Hammerl im Magazin eco@work

Website der Bodensee-Stiftung

Website der Initiative Business and Biodiversity

Themenseite „Ordensverleihung zur Woche der Umwelt 2012“ auf der Website des Bundespräsidenten

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